Sexuelle Belästigung: Mann bedrängt Hamburger Autorin
Vor dieser Situation fürchtet sich fast jede Frau: Ein unbekannter Mann tritt plötzlich aus der Dunkelheit an dich heran. Er verfolgt dich. Er wird zudringlich. Eine Flucht scheint ausweglos. Du fühlst dich dem Schicksal ausgeliefert. Der Hamburger Autorin Sylvie Gühmann ist genau das am vergangenen Wochenende passiert. Die 28-Jährige steht noch immer unter Schock.
Vor dieser Situation fürchtet sich fast jede Frau: Ein unbekannter Mann tritt plötzlich aus der Dunkelheit an dich heran. Er verfolgt dich. Er wird zudringlich. Eine Flucht scheint ausweglos. Du fühlst dich dem Schicksal ausgeliefert. Der Hamburger Autorin Sylvie Gühmann ist genau das am vergangenen Wochenende passiert. Die 28-Jährige steht noch immer unter Schock.
Wenn Sylvie Gühmann über das spricht, was ihr auf dem Heimweg von Freunden im Karoviertel geschehen ist, dann bebt ihre Stimme. Die Angst steckt noch immer in ihr. Hinzugekommen ist ganz viel Wut. „Warum ist es für uns Frauen etwas anderes, alleine nach Hause zu gehen als für Männer? Warum haben wir so eine andere Lebensrealität? Ich bin ja kein Einzelfall. Sexuelle Gewalt ist ein strukturelles Problem!“
20.000 Menschen haben auf Sylvie Gühmanns Instagram-Beitrag reagiert
Die 28-Jährige hat das Erlebte auf Instagram verarbeitet. Wie sehr sie damit einen Nerv getroffen hat, zeigen die Reaktionen. Gut 20.000 Menschen haben auf Gühmanns Beitrag reagiert. Zahlreiche Frauen berichten von Horror-Geschichten, die ihnen selbst widerfahren sind. Nicht alle gingen glimpflich aus.
„Fast jede Frau, mit der man spricht, ist schon einmal sexuell belästigt worden“, sagt Sylvie Gühmann. „Das Problem ist, dass die Fälle unsichtbar bleiben.“ Viele Frauen trauten sich nicht, Anzeige bei der Polizei zu erstatten – aus Angst, nicht ernst genommen zu werden oder weil sie den Tathergang nicht noch einmal schildern wollen. Andere würden vermuten, eine Anzeige gegen Unbekannt laufe ins Leere. Auch die Hamburger Polizei weiß, dass die Kriminalstatistik eine falsche Realität widerspiegelt.
Autorin meldete den Vorfall bei der Hamburger Polizei
Auch Gühmann selbst brauchte zwei Tage, bis sie zur Polizei ging. Denn das, was der Unbekannte ihr in der Nacht zum vergangenen Sonntag zurief, war so pervers, dass sie es selbst kaum über die Lippen bringen mochte. Schon gar nicht vor einem fremden Polizisten oder einer Polizistin.
„Zeig deine Ritze, du geile Fotze.“ Das waren die ersten Worte, sagt Sylvie Gühmann, die sie von dem Mann vernahm. Auch seine Absicht habe der Mann deutlich zum Ausdruck gebracht: „Ich fick dich.“ Und noch während sie überlegte, ob es besser sei zu fliehen, oder lieber Stärke zu zeigen, legte er nach. „Ich spritz in deine Ritze, ich seh, dass du Bock hast.“
Gühmann entkam dem Mann, indem sie in ein Taxi sprang
Ein Versuch, sich verbal zu wehren („Verpiss dich. Das ist Belästigung!“), schien den Mann nur noch mehr anzustacheln. Am Ende entkam Sylvie Gühmann der Situation nur, weil sie vor ein herannahendes Auto sprang. Es war ein Taxi, das sie fortbrachte. Weg aus der Gefahrenzone. Weg von dem potentiellen Vergewaltiger.
„Das hat der nicht zum ersten Mal gemacht!“, ist sich Gühmann sicher. Und weil die meisten Aggressoren ungestraft davon kommen, ihre Taten niemals publik werden, hat die Autorin sich entschlossen, ihre Geschichte sichtbar zu machen. Vielleicht, so Gühmanns Hoffnung, wird der Mann ja doch nochmal erwischt, weil seine Wortwahl auffällt und sowohl Tatort und Täterbeschreibung – 1,85 Meter groß, beigefarbener Parker, blaue Jeans, helle Sneaker – übereinstimmt.
Mehr Sicherheit für Frauen auf dem nächtlichen Heimweg
Vor allem aber will Gühmann, dass sich gesellschaftlich etwas ändert. „Catcalling, anzügliche Sprüche – das ist nicht witzig! Kein Mann darf es akzeptieren, wenn seine Freunde so reden“, betont die 28-Jährige. Die Grenzen müssten neu gesetzt werden. Stärker markiert werden. Damit es inakzeptabel wird.
„Wir Frauen machen uns so viele Gedanken um unsere Sicherheit. Wir überlegen uns, wo wir lang gehen. Ob die Wege gut beleuchtet sind. Ob die Gegend einsam ist. Wir überlegen uns, was wir anziehen, damit wir keine Reize ausströmen. Dabei wird das Problem doch nicht von uns verursacht!“, schimpft Gühmann.
Ein Passant lief einfach vorbei, ohne zu helfen
Sie sieht auch die Männer in der Pflicht, von denen keine Gefahr ausgeht. Auch sie könnten ihren Beitrag dazu leisten, dass Frauen sich auf der Straße sicherer fühlen. Gühmanns Vorschläge: Abstand halten. Nachts nicht hinter einer Frau hergehen oder auf sie zugehen, sondern die Straßenseite wechseln. Abgelenkt wirken, zum Beispiel durch Telefonieren. Die Freundin zur Bushaltestelle oder nach Hause bringen. Und: Wachsam sein!
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„Es gab in der Situation einen Passanten, der einfach vorbei ging. Ich hab ihm zugerufen, warum er mir nicht hilft. Er antwortete, er müsse zur Arbeit“, erzählt Gühmann. Noch immer ist sie fassungslos über so viel Gleichgültigkeit.
Gühmann will das Stillschweigen über die alltäglichen Belästigungen aufbrechen. „Schweigen ist Einverständnis“, sagt sie. Schweigen befeuere ein krankes System, das nicht sein dürfe. Die 28-Jährige will anderen Frauen Mut machen. Sie stark machen. „Ich bin keine Beute. Frauen sind keine Beute. Das Problem liegt nicht auf unserer Seite.“
Die Polizei Hamburg bestätigte den Vorgang. Die „angezeigte Beleidigung auf sexueller Grundlage“ werde derzeit vom Landeskriminalamt bearbeitet.