„(Vorgetäuschte) Vergewaltigung“: Hamburger Mediziner provoziert mit Vortrags-Titel
Der Titel erinnert an den Fall Jörg Kachelmann: „(Vorgetäuschte) Vergewaltigung“ – so hatte Klaus Püschel, lange Jahre Leiter der UKE-Rechtsmedizin, seinen Vortrag genannt, den er Ende April bei einer Fachtagung für Gynäkologie und Geburtshilfe in Hamburg halten will. Damit hat der Professor den Unmut von Frauenrechtlerinnen auf sich gezogen. Sie werfen Püschel Sexismus vor.
Die Fachtagung am 29. April ist als „Lange Nacht der Gynäkologie und Geburtshilfe“ angekündigt. Heißt: Die Vorträge gehen bis in die Nacht. Professor Püschels Beitrag ist für 0 Uhr angesetzt. Quasi als Höhepunkt um Mitternacht. Als sogenannte „Midnight Lecture“.
Bei einigen kommt das gar nicht gut an.
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Der Titel erinnert an den Fall Jörg Kachelmann: „(Vorgetäuschte) Vergewaltigung“ – so hatte Klaus Püschel, lange Jahre Leiter der UKE-Rechtsmedizin, seinen Vortrag genannt, den er Ende April bei einer Fachtagung für Gynäkologie und Geburtshilfe in Hamburg halten will. Damit hat der Professor den Unmut von Frauenrechtlerinnen auf sich gezogen. Sie werfen Püschel Sexismus vor.
Die Fachtagung am 29. April ist als „Lange Nacht der Gynäkologie und Geburtshilfe“ angekündigt. Heißt: Die Vorträge gehen bis in die Nacht. Professor Püschels Beitrag ist für 0 Uhr angesetzt. Quasi als Höhepunkt um Mitternacht. Als sogenannte „Midnight Lecture“.
Bei einigen kommt das gar nicht gut an.
„Pro Familia“ und Ärzteorganisation kritisieren Klaus Püschel
Bei einigen kommt das gar nicht gut an. „Ich wende mich in aller Vehemenz gegen den Versuch, dass diese sexistische Täter-Opfer-Umkehr in dieser Form thematisiert wird“, erklärt Kersten Artus, Vorsitzende von „pro familia“ in Hamburg. Selbstverständlich gebe es diese Fälle, wie auch der Fall Kachelmann gezeigt habe. Dennoch seien sie sehr selten. Durch die Thematisierung würde der Eindruck einer Alltäglichkeit vermittelt. Aus Artus‘ Sicht ist eine „Katastrophe, hier ein Narrativ zu bedienen, das Frauen seit Jahrhunderten vorgehalten wird“.
Auch eine Ärzte-Organisation kritisiert in einem mit „Protestnote“ überschriebenen Brief an die Veranstalter der Fachtagung: „Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass eine wissenschaftliche Fortbildungsveranstaltung diese Perspektive einnimmt, die anscheinend darauf fokussiert, Opfer als Lügner*innen zu „entlarven“ – statt ihnen größtmögliche Hilfe zu gewähren.“
Nach Kritik: Vortragstitel wurde inzwischen geändert
Gemeint ist laut einer Sprecherin der Organisation, dass hier die Glaubwürdigkeit von tatsächlichen Vergewaltigungsopfern in Frage gestellt werde. „Die Thematisierung schädigt diejenigen, die wirklich betroffen sind“, so die Sprecherin. Schon jetzt gebe es eine hohe Dunkelziffer bei Vergewaltigungen, da viele Opfer aus Angst, dass ihnen nicht geglaubt werde, nicht zur Polizei gehen.
Die Protestnote, in der die Ärzteorganisation die Veranstalter aufgefordert hatten, den umstrittenen Vortrag aus dem Programm zu nehmen, wurde inzwischen zurückgezogen, weswegen die Organisation nicht mit ihrem Namen öffentlich in Erscheinung treten will. Denn: Püschel hat den Titel seines Vortrags auf Druck der Veranstalter geändert. Jetzt heißt er: „Vergewaltigung – Spurensicherung und Dokumentation des Verletzungsmusters.“
Rechtsmediziner Püschel entschuldigt sich für Wortwahl
Gegenüber der MOPO gibt sich Püschel kleinlaut: „Vielleicht neige ich dazu, manches etwas zu plakativ zu formulieren. Das tut mir leid“, so der Rechtsmediziner. Der inzwischen zurückgezogene Titel sei auch ein wenig der Uhrzeit geschuldet gewesen.„Die Leute sollen ja auch um Mitternacht noch zuhören.“
Den Sexismus-Vorwurf weist Püschel entschieden zurück: „Ich engagiere mich seit fünf Jahrzehnten dafür, Gewalt gegen Frauen zu verhindern’“, so der 70-Jährige. Frauen, denen Gewalt passiert ist, müssten selbstverständlich die bestmögliche Hilfe bekommen.
Schon zuvor gab es Kritik an dem ehemaligen Leiter der UKE-Rechtsmedizin
Schwierig sei es bei Fällen, in denen die Parteien sich vor Gericht treffen und Aussage gegen Aussage steht. Als Rechtsmediziner sei es seine Aufgabe gewesen, bestimmte Verletzungsmuster zu erkennen. Genau davon handle auch sein Vortrag. „Ich erkläre, wie die Befunddokumentation und Beweisführung bei Vergewaltigungen funktioniert“, so Püschel.
Laut Püschel ist die Statistik an „vorgetäuschten Vergewaltigungen“ nicht so niedrig wie seine Kritikerinnen behaupten. „Ich stehe für die Wahrheit“, so der Seniorprofessor.
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Püschel hat schon öfter für Aufsehen gesorgt: Im November distanzierte sich das Kulturzentrum Kampnagel von einer Lesung Püschels und warf dem Professor, der zwischen 2001 und 2006 die Brechmittelvergabe am UKE verantwortete vor, diese sei rassistisch motiviert gewesen. Auch von politischer Seite kam Kritik, als Püschel Ende 2021 eine Einladung der schlagenden Verbindung „Landsmannschaft Mecklenburgia“ erst annahm und dann wieder absagte.