• Rabbiner Shmuel Havlin (36) vor einem Regal mit koscheren Lebensmitteln bei Edeka Anders an der Grindelallee. Für das Foto hat er seine Gesichtsmaske kurz abgenommen, als keine Kunden in der Nähe waren.
  • Foto: Florian Quandt

Serie „Jüdisches Leben“ : Wo Hamburg ganz koscher ist

Rotherbaum –

Wenn Shmuel Havlin seine Frau Judith mal zum Essen ausführen möchte, dann muss er ins Auto steigen und 500 Kilometer fahren – nach Amsterdam. Denn in Hamburg gibt es kein koscheres Restaurant. Selbst die drei israelischen Lokale „Leonar“, „Neni“ und „Simbiosa“ gehen nicht mit den jüdischen Speisegesetzen konform. Die Havlins kochen deshalb nur zu Hause. Und auch das ist gar nicht so einfach.

Shmuel Havlin und seine Frau sind 2012 aus Israel nach Hamburg gekommen. Er arbeitet als Rabbiner an der jüdischen Schule im Grindelviertel, seine Frau ist Lehrerin. Die Familie, zu der auch fünf Kinder gehören, führt ein streng orthodoxes Leben nach den Regeln der Halacha, dem jüdischen Religionsgesetz.

Nur fünf Prozent der jüdischen Gemeinde leben orthodox

Nur fünf Prozent der jüdischen Gemeinde in Hamburg befolgen diese Regeln, zu denen neben dem regelmäßigen Synagogenbesuch und der Einhaltung des Schabbat am Freitag vor allem die koschere Ernährung gehört. Heißt kurz gefasst: kein Schweinefleisch, kein Hase, kein Hummer. Die Trennung von milchigen und fleischigen Speisen. Die Verwendung von geschächtetem Fleisch und von Produkten, die mit einem rabbinischen Siegel versehen sind.

Koschere Nutella

Ein Glas Schoko-Creme mit dem Koscher-Siegel.

Foto:

Quandt/ Florian Quandt

Viele Produkte sind das ohnehin. „Kellogg’s Cornflakes“, „Heinz“-Tomatenketchup und sogar die Flaschen des Hamburger „Gin Sul“ sind mit einem kleinen Koscher-Label versehen. Doch wenn die Havlins Fleisch brauchen, Süßigkeiten oder Kekse für die Kinder, Mayonnaise oder Thunfisch aus der Dose, dann wird es schwierig. „Früher kam jeder, der Urlaub in Israel gemacht hat, mit Koffern voller Lebensmittel zurück“, erinnert sich Shmuel Havlin. 

„Edeka Anders“ in der Grindelallee hat koschere Produkte

Dann machte der koschere Supermarkt „Deli King“ in der Grindelallee auf. Doch mangels Kundschaft und wegen zu hoher Miete musste er wieder schließen. „Schade. Das war ein guter Laden“, sagt Rabbi Havlin. Zum Glück gab es bald Unterstützung von ganz unerwarteter Seite –  von „Edeka Anders“ in der Grindelallee. Der Einzelhändler mit dem blau-gelben Logo baute ein Regal in seinem Geschäft auf, das nun nicht nur von orthodoxen Juden angesteuert wird, sondern auch von säkularen Israelis, die zum Beispiel einfach nur Sehnsucht nach Halva haben – einem beliebten Sesam-Snack.

Edeka Anders in Hamburg

Hier gibt es koschere Produkte: Edeka Anders in der Grindelallee.

Foto:

Quandt/ Florian Quandt

Alles, was sich nicht bei „Edeka Anders“ findet, bestellen die Orthodoxen über die Internetseite „kosher4u“, welche die Lebensmittel binnen zwei Tagen aus Antwerpen liefert. Die jüdische Schule im Grindelhof, die ebenfalls eine koschere Küche hat, wird von einem Lieferanten aus Berlin versorgt.

Immer mehr Firmen in Hamburg produzieren koschere Lebensmittel

Angesichts des Wachstums der jüdischen Gemeinde in Hamburg, hat Landesrabbiner Shlomo Bistritzky begonnen, lokale Lösungen zu entwickeln. So stellt die Meierei „Kruses Hofmilch“ in Rellingen inzwischen koschere Milch, Joghurt, Käse und Quark her. Die „American Bagel Company“ ist in Wirklichkeit gar nicht so American, sondern eine Hamburger Bäckerei, die vom Rabbi zertifizierte Backwaren produziert. Ein indonesischer Caterer liefert Sushi, das den Gesetzen entspricht.

„Es gibt immer mehr Firmen vor Ort, die koschere Lebensmittel produzieren“, freut sich Bistritzky. „Ich wollte ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen“, erklärt „Gin Sul“-Gründer Stephan Garbe, der mit Religion eigentlich nichts am Hut hat, seinen Schritt. „Es reicht nicht, nur Sonntagsreden zu schwingen.“

Hoffnung auf ein koscheres Restaurant im Grindelviertel

Schon bald könnten es der Gin, die Milch oder die Bagel aus Hamburg doch nochmal in die Regale eines koscheren Geschäfts schaffen. Bistritzky plant die Eröffnung eines kleinen Ladens in den Räumen des orthodoxen Chabad Lubawitsch-Zentrums an der Rothenbaumchaussee. 

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Für Rabbi Havlin ist das ein Lichtblick. Und seine Träume gehen noch weiter. „Sollte die Bornplatzsynagoge wiedererrichtet werden, wäre sie sicher auch ein touristischer Anlaufpunkt. Dann könnte auch ein koscheres Restaurant erfolgreich sein“, so der 36-Jährige. Der Rabbi und seine Familie müssten dann endlich ihre Urlaubspläne nicht mehr danach ausrichten, wo es ein koscheres Restaurant gibt.

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