Archäologen machen Sensationsfund in Hamburg
Seit Wochen wird auf dem Joseph-Carlebach-Platz im Grindelviertel (Rotherbaum) gebuddelt. Archäologen suchen nach den Resten der in der Reichspogromnacht 1938 zerstörten Bornplatzsynagoge. Jetzt sind sie dabei auf einen Sensationsfund gestoßen.
Seit Wochen wird auf dem Joseph-Carlebach-Platz im Grindelviertel (Rotherbaum) gebuddelt. Archäologen suchen nach den Resten der in der Reichspogromnacht 1938 zerstörten Bornplatzsynagoge. Jetzt sind sie dabei auf einen Sensationsfund gestoßen: die Mikwe – das rituelle Bad!
Ein Baum steht heute dort, wo einst die gläubigen Juden Hamburgs zur rituellen Waschung ins Tauchbad stiegen. Chef-Archäologe Kay-Peter Suchowa und seine Leute mussten sich vorsichtig zwischen den Wurzeln des Baumes hindurch graben, damit diese nicht beschädigt wurden.
Grabungen im Grindelviertel: Archäologen stoßen auf das rituelle Bad der Bornplatzsynagoge
Auf einer Tiefe von etwa drei Metern stießen sie auf weiße Fliesen – der Vorraum zur Mikwe. „Hier stand früher eine Badewanne“, weiß Grabungsleiter Suchowa. Insgesamt habe es in den acht Räumen der Mikwe sieben Wannen gegeben. Sie wurden von der Abbruchfirma, welche die prächtige Bornplatz nach der Beschädigung durch Nazi-Schergen 1939/1940 abtrug, an Privatpersonen verkauft. Das Dokument über den Verkauf gibt es bis heute.

1982 hatte es schon einmal Grabungen nach der Mikwe gegeben. Damals wurden Fliesen und Ofenkacheln gefunden, die sich heute im Archäologischen Zentralarchiv in Harburg befinden. In der vergangenen Woche stießen Suchowa und seine Leute auf weitere Bruchstücke des einst mit Ornamenten und Goldbemalungen verzierten Ofens.
Wichtige Informationen für den Architekturwettbewerb zur Bornplatzsynagoge
Dass alle Puzzleteile gefunden werden, um den Ofen wieder zusammenzusetzen, hält Suchowa für unwahrscheinlich. Ziel der Grabungen sei es aktuell auch nicht, möglichst viele Schätze aus den unterirdischen Ruinen zu bergen, sondern Informationen über das Aussehen der Synagoge zu gewinnen. Diese Informationen werden in den Architekturwettbewerb für den Neubau der Bornplatzsynagoge einfließen, der im Dezember beginnen soll. Es ist davon auszugehen, dass die Vorschläge der Architekten viele Elemente der alten Synagoge beinhalten werden.

Erst wenn mit dem Bau der Synagoge begonnen wird – der Termin ist noch nicht abzusehen – soll der gesamte Joseph-Carlebach-Platz nochmal geöffnet werden. Dann werden die Archäologen zu einer Hauptuntersuchung anrücken, worauf sich Suchowa, der bisher nach alten Kirchen gegraben hat, sich jetzt schon freut.
Archäologe: Am Grabungsfeld zur Bornplatzsynagoge fließen viele Tränen
„Die Grabung nach der Synagoge ist das Emotionalste, das ich je erlebt habe“, erzählt der 53-Jährige. Für die Jüdische Gemeinde Hamburg seien die Arbeiten sehr bedeutungsvoll. Fast jeden Tag käme jemand vorbei. „Viele haben durch ihre Familiengeschichte noch einen persönlichen Bezug zur Bornplatzsynagoge“, sagt Suchowa. Dazu gehört auch Rabbiner Shlomo Bistritzky. Oft flössen Tränen, sagt Suchowa.. Ein US-amerikanischer Jude, der zu Besuch war, habe ihn vor Dankbarkeit umarmt. „Es berührt mich sehr, den Menschen ein Stück Identität und Geschichte zurückzugeben.“
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In den kommenden Tagen werden die Archäologen nach dem Vorraum auch das eigentliche Tauchbad freilegen. Die Treppe ist schon zu sehen. Sobald alles vermessen und fotografiert ist, wird die Grube wieder zugemacht. Dann ist die Fantasie der Architekten gefragt. Vielleicht wird die alte Mikwe eines Tages Teil der neuen Bornplatzsynagoge werden – als Reinigungsstätte oder aber als Mahnmal zur Erinnerung an eine zerstörte Welt.