Wie der „König“ der Reichsbürger seinen Fantasiestaat finanziert – auch in Hamburg
Da behauptet ein Koch aus Sachsen-Anhalt, die Bundesrepublik existiert nicht, gründet sich sein eigenes Fantasie-Reich, macht sich selbst zum König – und Tausende folgen ihm. Verrückt, aber wahr. Nun will die Reichsbürgertruppe „Königreich Deutschland“ auch in Hamburg einen regionalen „Gemeinwohlstaat“ aufbauen. Die MOPO bekam Einblick in die Methoden zur Anwerbung neuer „Staatsangehöriger“ – zu der auch eine Wanderung durch die Harburger Berge gehört.
Da behauptet ein Koch aus Sachsen-Anhalt, die Bundesrepublik existiere nicht, gründet sich sein eigenes Fantasie-Reich mit Fantasie-Währung, Fantasie-Krankenkasse und Fantasie-Bank, macht sich selbst zum „König“ – und Tausende folgen ihm. Verrückt, aber wahr. Die Rede ist von Deutschlands größter und wohl auch gefährlichster Reichsbürger-Truppe: vom „Königreich Deutschland“.
Die MOPO berichtete bereits darüber, dass „König“ Peter Fitzek (57), wie der Anführer heißt, seine Finger auch nach Hamburg ausstreckt und in ganz Norddeutschland seine Aktivitäten entfaltet. Nun können wir davon auch Fotos zeigen: Darauf abgebildet sind Anhänger des „Königreichs Deutschland” (KRD), die am Sonntag, 23. Juli, eine Wanderung durch die Harburger Berge unternommen haben. Ein harmloser Ausflug? Mitnichten. Solche Veranstaltungen dienen dazu, so etwas wie ein Wir-Gefühl zu erzeugen. Zusammenhalt, Identifikation.

Das KRD ist gerade dabei zu expandieren – nicht nur in Hamburg, sondern inzwischen bundesweit gibt es Regionalgruppen, die sogenannte „Leucht-Turm“-Projekte gestartet haben mit dem Ziel, jeweils vor Ort neue Mitglieder zu gewinnen. Zahlende Mitglieder! Denn um Geld geht es in erster Linie.
Wie werde ich Staatsbürger im „Königreich Deutschland“? Das Seminar kostet 374 Euro
Dem Hamburger Bündnis gegen Rechts ist es gelungen, ziemlich tief in die Strukturen einzudringen. „Das Leucht-Turm-Projekt ist erst vor wenigen Monaten entstanden, um die Organisation der Seminare und der anderen Veranstaltungen besser zu koordinieren“, sagt Kim Fedders vom Bündnis. In jeder Region gebe es „Coaches“, „die Seminare durchführen und Menschen dazu verleiten, dem ,Königreich Deutschland‘ beizutreten.“
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Mit einem sogenannte „Systemausstiegs-Seminar“ geht es los. Es ist verpflichtend und der Preis happig: 374 Euro plus Verpflegungspauschale von 52 Euro. Wer das hinter sich hat, soll weitere Seminare buchen. „Den Leuten wird unter großen Versprechungen das Geld sprichwörtlich aus der Tasche gezogen“, so Kim Fedders.

Bei einem zweitätigen „Systemausstiegs-Seminar“, das Mitte Juni in Hamburg stattfand – ein Foto der Teilnehmer liegt der MOPO vor –, soll das KRD rund 10.000 Euro an Teilnahmegebühren eingenommen haben: Geld, das die Reichsbürger-Szene in ihre verfassungsfeindliche Arbeit steckt. Etliche Immobilien, darunter zwei Schlösser, nennt das KRD bereits sein Eigen – nach Überzeugung des Verfassungsschutzes Rückzugsort für die Querdenker-und Reichsbürgerszene.
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Worum es in den sogenannten „Systemausstiegs-Seminaren“ geht? Den Interessenten wird laut Bundesamt für Verfassungsschutz suggeriert, „dass sie sich durch einen ,Übertritt‘ zum KRD der deutschen Gesetze entziehen und sich unter anderem von der Steuerpflicht befreien können“. Und weiter: „Interessierte werden vom KRD dazu aufgefordert, zunächst eine ,Staatszugehörigkeit“ und in einem nächsten Schritt eine ,Staatsangehörigkeit‘ zu beantragen, wobei insbesondere letztere mit erheblichen Kosten sowie einer Staatsangehörigkeitsprüfung einhergeht.“

Nicht nur mit den Seminaren verdient das KRD viel Geld. Daneben werden Anleger dazu animiert, Kapital in eine sogenannte „Gemeinwohlkasse“ einzuzahlen. Dabei wird das Geld in eine Fantasie-Währung namens „E-Mark“ (für digitale Zahlungen) beziehungsweise „Neue Deutsche Mark“ (für Barzahlung) umgetauscht – zum Wechselkurs von einer E-Mark zu 1,10 Euro. Zwar hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Februar Niederlassungen der „Gemeinwohlkasse“ schließen lassen – im Internet jedoch macht dieses Möchtegern-Finanzinstitut offenbar munter weiter. Die Homepage funktioniert nach wie vor.
Verfassungsschutz warnt: „Sie riskieren großes finanzielle Schäden“
Der Verfassungsschutz warnt: „Das KRD wird auch weiterhin um Mitglieder und Geldgeber werben, um sowohl seine Strukturen als auch sein vermeintliches Staatsgebiet bundesweit kontinuierlich auszubauen. Anhänger des KRD riskieren große finanzielle Schäden, da das KRD nach eigenen Angaben keinen Rückzahlungsanspruch und keine Möglichkeit zum Rücktausch der ,E-Mark‘ einräumt. Trotzdem erhält das KRD von seinen Anhängern immer wieder beträchtliche Großspenden in bis zu fünfstelliger Höhe und Vermögenswerte.“

Die MOPO hat den selbsternannten „König“ Peter Fitzek um eine Stellungnahme gebeten: Unter anderem wollten wir von ihm wissen, welche Pläne das KRD in Hamburg hat. Bisher kam aus der Zentrale, die sich in der Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt) befindet, nur eine kurze automatische Mailantwort, bei dem der Absender sofort zum „Du“ überging: „Vielen Dank für Deine Anfrage! Wir werden sie so bald wie möglich bearbeiten. Herzliche Grüße aus dem Gemeinwohlstaat.“