Seltsames Verhalten von Hagenbeck-Elefantenkuh: „Leidet erheblich!“
Der Elefant geht einen Schritt vor und wieder zurück, immer wieder. Minutenlang. Ein Video zeigt, wie der Dickhäuter auf der Außenanlage bei Hagenbeck auf der Stelle tritt. „Eine Verhaltensstörung“, nennen Tierschützer das. „Der Elefant leidet erheblich!“ Hagenbeck schweigt.
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Der Elefant geht einen Schritt vor und wieder zurück, immer wieder. Minutenlang. Ein Video zeigt, wie der Dickhäuter auf der Außenanlage bei Hagenbeck auf der Stelle tritt. „Eine Verhaltensstörung“, nennen Tierschützer das. „Der Elefant leidet erheblich!“ Hagenbeck räumt eine mögliche Erkrankung ein.
Es war ein trauriger Anblick für die Zoobesucher am letzten Samstag: Auf der Außenanlage steht eine Elefantenkuh und macht minutenlang monotone Bewegungen auf der Stelle. Das zeigt ein Video, das der MOPO vorliegt. Was ist mit dem Tier los? Eine Nachfrage bei Hagenbeck bleibt zunächst erfolglos: Äußern möchte sich hier zum Verhalten des Elefanten niemand. Einen Tag nach Erscheinen des Artikels meldete sich Hagenbeck dann doch.
Bei der Elefantenkuh handelt es sich um die 33-jährige Lai Sinh, die 1994 nach Deutschland gekommen sei, zunächst in einem anderen Zoo unterkam, wegen Schwierigkeiten bei der Integration dann aber wenige Monate später nach Hamburg gebracht wurde. Der Tierpark räumt ein, dass die Elefantenkuh schon damals hin- und her gewippt habe, dies auf frühe Erfahrungen im Kindesalter zurückzuführen sei. „Ihr Verhalten hat Lai Sinh bis heute nicht abgelegt und trotz freier Bewegungsmöglichkeiten, unterschiedlichen Beschäftigungen und einwandfreier Versorgung des Tieres verfällt Lai Sinh hin und wieder in ihr Verhaltensmuster“, so Dr. Michael Flügger, Zootierarzt bei Hagenbeck und Säugetierkurator. „Es deutet absolut nichts darauf hin, dass Lai Sinh unter ihrem Verhalten leidet oder beeinträchtigt ist.“
Tierschützer: „Elefanten können Stereotypien bei Platzmangel und Langeweile entwickeln“
Das sehen Tierschützer anders: „Der Elefant zeigt eine Stereotypie, eine Verhaltensstörung, die ganz klassisch bei Elefanten in Gefangenschaft ist“, sagt Yvonne Würz (38), Biologin und Fachreferentin Zoo und Zirkus bei der Tierrechtsorganisation PETA, zur MOPO. „Das Verhalten zeigt, dass die Tiere seelisch erheblich leiden.“ Experten nennen dieses Verhalten auch „Weben“, weil ein Weber ähnliche monotone Bewegungen zeigt.
Was der Auslöser dafür ist? „Es könnte sein, dass dieser Elefant noch in Asien aus der Wildnis gefangen und seiner Familie entrissen wurde. Das bleibt für die Tiere lebenslang ein Trauma. Forscher haben herausgefunden, dass Elefanten ähnliche psychische Erkrankungen entwickeln können wie Menschen, vergleichbar mit einer posttraumatischen Belastungsstörung“, sagt Yvonne Würz. Normalerweise blieben Elefantenkühe ein Leben lang mit ihrer Mutter zusammen. Hagenbeck sagt dazu: „Leider liegen uns keinerlei Informationen darüber vor, wie Lai Sinh in den ersten vier Lebensjahren gehalten wurde.“
„Elefanten können ähnliche psychische Erkrankungen entwickeln wie Menschen“
Noch ein möglicher Grund: „Elefanten in Gefangenschaft können Stereotypien auch bei Platzmangel oder Langeweile entwickeln“, so Würz. „Zoos versuchen ja schon, Beschäftigungsmaßnahmen anzubieten, aber die reichen bei Elefanten nicht aus. Das Leben im Zoo ist fremdbestimmt und extrem beengt. In der Wildnis laufen die Tiere 25 bis 80 Kilometer am Tag.“ Das „Weben“ komme bei Elefanten in der Natur gar nicht vor. „Wenn das Verhalten erst mal verfestigt ist, kann es schwer wieder rückgängig gemacht werden“, so die Tierschützerin.
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Denise Ritter (33), Biologin und Fachreferentin für Arten- und Naturschutz beim Deutschen Tierschutzbund, kritisiert außerdem: „Bei Hagenbeck ist der direkte Kontakt mit den Pflegern das Problem. Die Pfleger sind quasi das Alphatier in der Herde und gehen direkt in die Gehege. Um sich Respekt zu verschaffen, nutzen sie die so genannten Elefantenhaken – Stöcke mit einem spitzen Metallhaken am oberen Ende.“ Elefanten hätten zwar dicke Haut, aber das Piesacken damit tue ihnen trotzdem weh. „Wir fordern den geschützten Kontakt, bei dem die Pfleger von den Elefanten durch Gitter getrennt sind. Die Tiere werden dabei durch Futter-Belohnungen und positives Bestärken trainiert“, so Ritter.
Transparenz-Hinweis: Hagenbeck hatte zunächst keine Stellungnahme abgeben wollen. Nach Erscheinen des Textes kamen ausführliche Antworten auf unsere Fragen. Diese haben wir nachträglich eingebaut.