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Segeltörns über die Elbe: Immer hart am Wind, dieser Mann

Eben war es noch windstill. Aber jetzt blähen sich mit einem Mal die Segel. Die „Zaandam“, unsere Yacht, nimmt so richtig Fahrt auf. In den Augen von Skipper Holger Brauns meine ich so was wie ein Leuchten zu entdecken. Ja, so mag er es! Immer hart am Wind. Und mir gefällt’s auch. Das Boot kränkt – für Landratten: Es neigt sich immer mehr zur Seite. Als ich dann doch intuitiv Halt suche, schmunzelt Holger Brauns und ruft mir zu: „Übrigens … umkippen kann das Boot nicht! Das verhindert der Kiel!“ Ich klammere mich trotzdem an der Reling fest. Sicher ist sicher.

Holger Brauns war früher Musikproduzent. Aber diesen Stressjob hat er hinter sich gelassen und stattdessen sein Hobby zum Beruf gemacht. Seine Ein-Mann-Firma „Elbsegelei“ bietet seit fünf Jahren etwas an, was sonst in Hamburg niemand macht: Halbtagestörns auf der Elbe bis hinter Blankenese und manchmal sogar Richtung Nordsee. Es handelt sich sozusagen um Hafenrundfahrten unter Wind und fast ganz ohne Diesel-Abgase.

Ein sogenannter Plotter zeigt an Bord die Seekarte an.

Ein sogenannter Plotter zeigt an Bord die Seekarte an.

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Olaf Wunder

Ab dem Baumwall in Hamburg geht es los

Der Liegeplatz von Holger Brauns’ 13 Meter langer Segelyacht befindet sich im City-Sportboothafen am Baumwall. Einmal auf dem Steg um das Feuerschiff herum, dann ganz bis zum Ende: Da erwartet Brauns seine Gäste. Bevor es losgeht, gibt es erst mal eine Sicherheitseinweisung. Alle Gäste müssen coronabedingt Masken tragen. Der Abstand zum Nebenmann muss gewahrt sein. Noch wichtiger: Die Passagiere müssen wissen, was zu tun ist, sollte der Skipper – etwa beim Einholen der Fender – mal über Bord gehen. Damit die Passagiere nicht führerlos bis nach Amerika treiben, gibt’s am Funkgerät einen Knopf. „Den drücken, dann kommt sofort Hilfe.“

Sieht doch fantastisch aus, oder? Die „Zaandam“ auf der Elbe

Sieht doch fantastisch aus, oder? Die „Zaandam“ auf der Elbe

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Elbsegelei

Die ersten paar Kilometer legt die Yacht mit Motorantrieb zurück. Wir passieren die Elbphilharmonie. Wie ein in der Sonne glitzernder Diamant sieht sie aus. Alle an Bord sind zwar Hamburger, kennen die Landungsbrücken, die Musicaltheater in Steinwerder und natürlich auch den alten Elbtunnel und die Fischauktionshalle – und doch schaut sich jeder seine eigene Stadt staunend an. Sie mal von einer Segelyacht aus zu sehen – was ganz Besonderes.

Auf der Segelyacht kann man auch übernachten

Rückfahrt nach Hamburg: Blick auf die Stadt vom Wasser aus

Rückfahrt nach Hamburg: Blick auf die Stadt vom Wasser aus

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Olaf Wunder

Ich bin ziemlich begeistert von der Yacht selbst. Drei Schlafzimmer, drei Betten, zwei Badezimmer, Salon, Pantry, Minibar und Kaffeeautomat – alles da und ziemlich schick. Manchmal mieten sich Touristen auf der „Zaandam“ ein. Statt im „Vier Jahreszeiten“, im „Atlantic“ oder im Hotel „Hafen Hamburg“ verbringen sie die Nächte dann auf dem sanft schaukelnden Kahn. Nicht schlecht. Und auch nicht teurer als ein luxuriöses Hotel-Zimmer. Sechs Personen zahlen zusammen 599 Euro.

Inzwischen sind wir so weit draußen, dass Brauns alles fürs Segeln vorbereitet. Mit aller Kraft zieht er an einem Seil, und Stück für Stück kommt das Großsegel aus dem Inneren des Masts heraus, in dem es eingerollt war. 50 Quadratmeter Segelfläche neigen sich sanft zur Seite, und die Yacht beginnt zu kreuzen – mitten in Hamburg. „Jetzt nicht auf die Idee kommen, auf die Sitzbänke zu steigen, sonst garantiere ich für nichts!“ ruft Brauns. Und tatsächlich: Mit einem Mal schnellt der Baum krachend von der einen auf die andere Seite. Der Kopf dazwischen – das könnte ziemlich wehtun.

Früher war der Segler Musikproduzent

„Willst du mal ans Ruder?“, fragt Brauns und meint – mich. Ich will ja nicht kneifen und willige ein. Vor mir Geräte und Anzeigen, die ich nicht verstehe. „Schau mal nach ganz oben: Da am Mast siehst du einen Pfeil, und der zeigt immer an, woher der Wind kommt“, erklärt er mir. „Und jetzt halte mal genau auf die Tonne zu“, sagt er und zeigt auf das rote Ding weit vor uns im Wasser.

Schon bald ist meine Scheu überwunden. Macht ja richtig Spaß, mal selbst so einen Kahn durch die Wellen reiten zu lassen. Wir passieren prächtige Villen an der Elbchaussee, blicken rauf auf den Süllberg, wo die Fahnen des Gourmetrestaurants „Seven Seas“ wehen – und fühlen uns wie richtige Seeleute.

Nebenbei erzählt Brauns von sich. Der 45-Jährige war früher Musikproduzent. 20 Jahre lang. Er hatte eine eigene Firma, die auf elektronische Tanzmusik spezialisiert war. Ein Experte für Sounddesign war er außerdem, entwickelte am Rechner elektronische Musikinstrumente. Das war ein, wie er sagt, lautes und schnelles Leben. Dann kam der erste Hörsturz, irgendwann der zweite. Ein Tinnitus, ein Pfeifen im Ohr, blieb. Und da fragte er sich, ob es das alles wert ist.

Teambuilding auf der Elbe-Yacht

Wer seine Yacht betritt, erlebt das Gegenteil von Lärm. Kein Motor knattert. Zu hören sind nur die Wellen und der Wind, der einem um die Nase weht. Und das gefällt nicht nur Brauns, sondern auch seinen Gästen. In den vergangenen Jahren hat er von seinem Business gut leben können. Bis Corona kam. Auch er musste wochenlang aussetzen, kann zwar jetzt wieder Törns anbieten, aber innerhalb Hamburgs nur mit sechs, in Wedel mit neun Passagieren.

Die Buchungen kommen sehr zögerlich. „Ich hoffe, die Leute trauen sich bald wieder“, sagt Brauns. Er lacht, dabei ist die Sache ernst: Es könnte eng werden für sein Ein-Mann-Unternehmen. „Wenn ich das Jahr 2020 kostendeckend abschließe, dann ist das schon ein Erfolg“, so seine düstere Prognose.

Zu bieten hat die „Elbsegelei“ eine Menge: Brauns veranstaltet Halbtagestörns, Dämmertörns und Lichtfahrten auf der Elbe, dem, wie er sagt, „schönsten und abwechslungsreichsten Fluss Europas“. Auf Wunsch vermittelt er seinen Gästen Grundkenntnisse im Segeln. Aber wie viel jemand an Bord mitarbeitet, entscheidet nur er selbst. Die Leute können die Yacht steuern, bei den Manövern helfen oder nur entspannen und genießen.

Manchmal buchen Firmen Törns für ihre Mitarbeiter. Da geht es dann um gruppendynamische Prozesse, um Teambuilding und Teamboosting, wie das Neudeutsch heißt. Interessant wird’s, wenn der Auszubildende das Ruder übernimmt und der Chef mal nicht das Sagen hat.

Unterdessen wird mir am Ruder etwas mulmig. Ich recke meinen Kopf in die Höhe, denke nur: Boah, ist das groß. Plötzlich ist nämlich ein ziemlich dicker Pott aufgetaucht. Ein riesiges Containerschiff, das mir so nah vorkommt, als könnte ich danach greifen. Mir bleibt für einen Moment die Luft weg. Im rechten Moment übernimmt Holger Brauns das Ruder. Ich atme durch und denke: Noch mal gut gegangen.

Nach vier Stunden geht unser Törn zu Ende. Es war aufregend, interessant, lehrreich. Das Beste waren die ganz neuen Blicke auf unsere Stadt. Es gibt kaum etwas Schöneres, als mit einer Segelyacht am späten Nachmittag in den Hafen einzufahren. Die Kirchtürme, die Elbphilharmonie, die Landungsbrücken – alles leuchtet, strahlt regelrecht.

Als ich von Bord gehe, bedanke ich mich bei Holger Brauns für diesen Ausflug. Ein Urlaubstag an der Adria oder am Gardasee hätte kaum erholsamer sein können. Sogar den urlaubstypischen Sonnenbrand habe ich bekommen. Mein Tipp: Mütze und Sonnencreme mitnehmen! Seien Sie klüger als ich!

Info: Holger Brauns hat verschiedene Törns im Angebot. Der Klassiker ist der vierstündige Segel- oder Dämmertörn von Hamburg bis hinter Blankenese und zurück. Pro Person: 119 Euro. Es gibt auch die zweieinhalbstündige Tour „Cruise and Sail“, bei der neben den Segeln auch der Motor zum Einsatz kommt. Preis: 89,90 Euro. www.elbsegelei.de

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