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  • Ein Jahr ist die Ermordung von George Floyd her. Stimmen aus der Schwarzen Community Hamburgs geben Einblicke, was George Floyds Tod und die „Black Lives Matter“- Proteste verändert haben. (V.l.n.r: Mikaylou Motaung, Michele Leyangha, Michelle Jaiyeoba)
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Schwarze Hamburger: Ein Jahr danach: Was George Floyds Tod für uns verändert hat

Acht Minuten und 46 Sekunden kniete heute vor einem Jahr der ehemalige Polizist Derek Chauvin auf dem Hals von George Floyd. Die Bilder und Videos des Mordes gingen um die Welt und führten zu globalen Protesten der „Black Lives Matter“-Bewegung (BLM), die sich bereits seit Jahren in den USA gegen Gewalt an Schwarzen stark macht. Am 5. und 6. Juni 2020 gingen auch in Hamburg zehntausende Menschen auf die Straße.

Die MOPO hat mit drei Leuten aus der Schwarzen* Community Hamburgs gesprochen, die dabei waren. Welche Hoffnungen hatten Sie damals und hat sich in dem letzten Jahr überhaupt etwas geändert?

„Man hat Schwarzen das erste Mal zugehört“

Mikaylou Motaung (40), Personalberater: „Es hat mich mit Stolz erfüllt, zu sehen, dass wir gemeinsam aufgestanden sind und ein Statement gesetzt haben. Zum ersten Mal fühlte man weltweit eine Verbundenheit, ungeachtet der sozialen Klassen und ethnischen Zugehörigkeit. Ein positives Bündnis, was ich so noch nie wahrnehmen durfte. Man hat der Schwarzen Community zum ersten Mal zugehört – uns wurde eine Bühne gegeben, auf der wir unseren Belangen Gehör verschaffen konnten.

Dennoch ist es zu früh, zu sagen, ob sich dadurch wirklich etwas geändert hat. Das ist ein Prozess, an dem alle teilnehmen müssen.

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Leumas

Politik, Wirtschaft, Kultur: Das gesamte System muss lernen zu verstehen, dass Menschenrechte, beziehungsweise Gleichberechtigung, kein Privileg sein sollten.
Habe ich Hoffnung? Hoffnung ist das letzte, was man hat, wenn man nicht weiß, ob etwas noch eintreten wird. Ich sehne mich aber nach einer Welt, in der jeder dort leben kann, wo er möchte, ohne degradiert oder diskriminiert zu werden oder sein Leben geben zu müssen, aufgrund seines Erscheinungsbildes, seiner dunklen Hautfarbe.“ 

„Das ist nicht korrekt, extrem ungerecht und vor allem auch viel zu spät“

Michele Leyangha (29), Aktivistin, Physiotherapeutin und Sozialökonomie-Studentin: „Die Proteste waren für mich sehr bewegend, unfassbar traurig aber auch ermächtigend. Ich fühlte mich kurz gesehen, aber im falschen Kontext! Nach dem Motto: Erst nach dem gewaltsamen Tod einer weiteren Schwarzen Person, bekamen wir mal Aufmerksamkeit von der weißen Mehrheitsgesellschaft, bezüglich der Thematik Rassismus und Neo-/ Kolonialismus. Das ist nicht korrekt, extrem ungerecht und vor allem auch viel zu spät!

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Michele Leyangha (29) ist Aktivistin, Physiotherapeutin und studiert Sozialökonomie.

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Muna Al-Shakarchi

Dennoch hatte ich Hoffnungen: Dass Schwarze Menschen, gerade Schwarze Frauen, sichtbarer gemacht und wir stärker in den Medien repräsentiert werden, auch durch Personen die „dark skinned“ sind. Aber ebenso, dass das Bildungswesen Themen wie Anti-Rassismus und Kolonialismus aufgreift.
Die Veränderungen, die ich beobachte, sind, dass immer mehr Schwarze Menschen in der weißen Mehrheitsgesellschaft repräsentiert werden. Zudem gibt es mehr sichtbare Lektüre von Schwarzen Autoren, wie Alice Hasters, Natasha A. Kelly, Emilia Roig und Prof. Dr. Maisha-Maureen Auma.

Zudem hat der Diskurs über die Erfahrungen, die Schwarze Menschen gemacht haben und immer noch machen müssen, einen starken Aufschwung erfahren. Ebenfalls tut sich in der Politik etwas. Wie beispielsweise der „Aktionsplan gegen Rassismus”, der von den Grünen erarbeitet wurde.“ 

„Ich habe mich dort zum ersten Mal so richtig gesehen und verstanden gefühlt.“

Michelle Jaiyeoba (23), Lehramtsstudentin: „Ich fand es sehr beeindruckend und bewegend, hier in meiner Heimatstadt Hamburg bei den Protesten dabei gewesen zu sein und die zigtausend Menschen zu sehen, die hier zusammengekommen sind, um dem Thema Raum zu geben. Ich habe mich dort zum ersten Mal so richtig gesehen und verstanden gefühlt.

Von den Protesten habe ich mir erhofft, dass so viele Menschen wie nur möglich erreicht werden, sie endlich aufwachen und sehen, dass Rassismus tatsächlich existiert, welche Folgen er hat und dagegen kämpfen. Ich habe mir gewünscht, dass das Thema gerade bei der jüngeren Generation ein Umdenken bewirkt. Dazu muss man aber auch sagen, dass viele die Proteste nur für ihre Social-Media-Kanäle genutzt haben, um der Masse zu folgen, hip zu sein und das Thema danach für sich abzuhaken.

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HRF

Seit dem Tod von Floyd und durch „BLM” hat sich im Hinblick auf das Thema Rassismus vieles verändert. Es hat viele Menschen zur Auseinandersetzung mit dem Problem angeregt, zahlreiche Kampagnen und Firmen haben das Thema aufgegriffen. Vielleicht nicht immer mit dem richtigen Hintergedanken, aber dennoch hat es Schwarzen die nötige Sichtbarkeit verschafft. Das Ereignis hat zum Teil die Welt verändert und Schwarzen Menschen die Hoffnung gegeben, dass sich etwas ändert. Es hat dazu geführt, dass einige Denkmäler abgebaut wurden, Debatten über Straßennamen weiter in den Fokus rückten und letztendlich sogar zu Umbenennungen geführt haben. Auch konnte man an meiner Uni seit diesem Jahr ein Seminar wählen, das sich endlich mal mit den Themen Schule und Kolonialismus auseinandersetzt. Das ist ein wirklich sehr wichtiger und positiver Schritt.

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Rassismus geht uns alle an. Auch diejenigen, die selbst nicht betroffen sind oder das Thema als nicht wichtig genug erachten. Bei solchen einseitigen, unsolidarischen Perspektiven einiger Menschen wünsche ich mir mehr Offenheit und Auseinandersetzung mit dem Thema. Vor allem wünsche ich mir aber auch, dass sich Jugendliche mehr mit dem Thema befassen und den Mut haben, falsche Denkansätze und Ansichten anderer offen anzusprechen und nicht wegen bestimmter Freunde oder der Angst vor dem Uncool-Sein lieber schweigen. Denn wenn nicht die junge Generation sich mit dem Thema auseinandersetzt und aktiv wird, wer dann?“ 

*In den Texten auf dieser Seite ist das Adjektiv „schwarz” auf Wunsch der Protagonisten groß geschrieben, da „Schwarze Menschen” für sie eine Selbstbezeichnung ist, in der es nicht um die Hautfarbe, sondern um eine von Rassismus betroffene gesellschaftliche Position geht.

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