„Schlechter Witz!“ Hamburg macht Berlin ‘ne deutliche Bahn-Ansage
Nach Schweizer Vorbild sollte der Deutschlandtakt bis zum Jahr 2030 das Bahnfahren revolutionieren. Das bedeutet: Mehr Züge sowie bessere, schnellere und neue Verbindungen für Reisende. Hamburg spielt darin eine entscheidende Rolle, viele Projekte und Bahnstrecken sind dafür in Planung. Doch jetzt schlug die Äußerung eines FDP-Politikers ein wie eine Bombe: Verzögert sich das Mega-Projekt um unglaubliche 50 Jahre? In der Hansestadt regt sich Unmut.
Nach Schweizer Vorbild sollte der Deutschlandtakt bis zum Jahr 2030 das Bahnfahren revolutionieren. Das bedeutet: Mehr Züge sowie bessere, schnellere und neue Verbindungen für Reisende. Hamburg spielt darin eine entscheidende Rolle, viele Projekte und Bahnstrecken sind dafür in Planung. Doch jetzt schlug die Äußerung eines FDP-Politikers ein wie eine Bombe: Verzögert sich das Mega-Projekt um unglaubliche 50 Jahre? In der Hansestadt regt sich Unmut.
Mit der Deutschen Bahn zu fahren, wird nicht selten zu einem unkalkulierbaren Abenteuer: Fährt der Zug? Bleibt er mitten auf der Strecke stehen? Erwische ich die Anschlussverbindung?
Der Deutschlandtakt wurde 2018 als Ziel ausgegeben
Um mehr Menschen davon zu überzeugen, vom Auto auf die Bahn umzusteigen, schmiedete der ehemalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) 2018 das „Zukunftsbündnis Schiene“. Das Ziel: Bis 2030 doppelt so viele Fahrgäste wie heute zu transportieren und den Marktanteil des Schienengüterverkehrs auf mindestens 25 Prozent zu steigern.
Dieses Vorhaben wurde nun offenbar vom FDP-geführten Bundesverkehrsministerium auf die ganz lange Bank geschoben. Verkehrsstaatssekretär Michael Theurer räumte laut einem Bericht des ZDF ein, dass der Deutschlandtakt „erst in den nächsten 50 Jahren als Jahrhundertprojekt“ umgesetzt werde könne. Also 2070 statt 2030.
Verkehrsminister Wissing machte die Bahn zur Chefsache
Diese Aussage ist erstaunlich – hatte doch FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing die Bahn erst vor ein paar Monaten zur „Chefsache“ erklärt. Immerhin kommt ihr im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung eine wichtige Rolle zu.
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Theurer fühlte sich allerdings im ZDF falsch verstanden. Natürlich werde der Deutschlandtakt wie geplant realisiert, schrieb er am Donnerstagabend auf Twitter. „War aber immer klar, dass manche Projekte Jahrzehnte dauern würden – deshalb beschleunigen Ampel/Bundesverkehrsministerium das!“
Das ist grob irreführend. Der Deutschlandtakt wird 2025/26 wie geplant realisiert mit u.a. Köln/FFM/Mannheim/Stuttgart/München/Nürnberg.
— Michael Theurer (@EUTheurer) March 2, 2023
War aber immer klar, dass manche Projekte Jahrzehnte dauern würden – deshalb beschleunigen Ampel/@bmdv das!https://t.co/A3nsDWcJTn
Trotzdem: Damit bis 2030 wie geplant doppelt so viele Fahrgäste auf der Schiene unterwegs sind, müssen eben auch Projekte zeitnah umgesetzt werden. Denn dass die aktuelle Infrastruktur nicht ausreicht, wurde unter anderem beim 9-Euro-Ticket im Sommer 2022 sichtbar, als sich am Hamburger Hauptbahnhof noch mehr Menschen als sonst in die übervollen Züge quetschten.

Eins der Vorhaben betrifft die Bahnstrecke von Hamburg nach Hannover. Vom Hauptbahnhof aus will die Deutsche Bahn eine Fahrtzeit von 59 Minuten ermöglichen, die derzeit (im günstigsten Fall) 72 Minuten beträgt. Allerdings schwelt in der Politik immer noch der Streit, ob diese Trasse aus dem Bestand erweitert oder komplett neu gebaut werden soll. Die Neubaustrecke würde entlang der A7 verlaufen und wird unter anderem von Hamburgs grünem Verkehrssenator Anjes Tjarks befürwortet. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) spricht sich hingegen für „Ausbau statt Neubau“ aus.
Deutschlandtakt: Das sind die wichtigsten Projekte in Hamburg
Den Deutschlandtakt ermöglichen soll in Hamburg zudem die geplante Verlegung des Fernbahnhofs Altona zum Diebsteich. „Ab April 2027 halten dort 380 Züge extra“, dank zusätzlicher Weichen und Signale, kündigte die Bahn zum Baustart 2021 an. „Das macht den Knoten Hamburg fit für den Deutschlandtakt.“

Und dann ist da noch eins der größten Hamburger Infrastrukturprojekte seit vielen Jahrzehnten: ein neuer Tunnel zum Fernbahnhof Diebsteich, der den Hauptbahnhof entlasten soll. In dem Tunnel würden dann S-Bahnen fahren, oberirdisch wäre Platz für den Fernverkehr. Wann das so weit sein soll, ist allerdings noch unklar.
Wann werden die Hamburger Projekte umgesetzt?
Diese Hamburger Projekte müssen laut dem Hamburger SPD-Abgeordneten Ole Thorben Buschhüter auch unbedingt alle umgesetzt werden. Selbstverständlich könne es bei so einem riesigen Projekt wie dem Deutschlandtakt zu Verzögerungen kommen, aber „jetzt plötzlich ein halbes Jahrhundert als Zeitplan auszugeben ist ambitionslos und steht im krassen Widerspruch zu den klimapolitischen Herausforderungen.“ Das Jahr 2070 findet er indiskutabel: „Der Wiederaufbau des deutschen Schienennetzes soll länger dauern als der deutsche Wiederaufbau nach dem Krieg. Das ist ein schlechter Witz“, sagt er erbost.
In der Hamburger Verkehrsbehörde geht man indes davon aus, dass die Hamburger Projekte wie geplant umgesetzt werden und „dass der Bund alle Anstrengungen in organisatorischer und finanzieller Hinsicht unternimmt, um die verkehrs- und klimapolitischen Ziele zu erreichen“, sagt Sprecher Dennis Heinert. Ob das tatsächlich der Fall ist, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.