Schlagloch-Desaster: Hamburgs gefährliche Buckelpisten
Ein heftiges Rumpeln, ein Knall – und der Reifen ist hin. Unfallursache: Schlagloch. In diesem Winter verwandeln sich Hamburgs Straßen noch schlimmer als in den Vorjahren in Buckelpisten, die Bezirke kommen mit dem Auffüllen der Kälte-Krater kaum noch hinterher, besonders ausgedehnte Loch-an-Loch-Landschaften werden gar von der Polizei abgesperrt. Wer bezahlt eigentlich den neuen Reifen nach dem Malheur wegen des abgeplatzen Straßenbelags? Und wo ist es besonders schlimm?
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Ein heftiges Rumpeln, ein Knall – und der Reifen ist hin. Unfallursache: Schlagloch. In diesem Winter verwandeln sich Hamburgs Straßen noch schlimmer als in den Vorjahren in Buckelpisten, die Bezirke kommen mit dem Auffüllen der Kälte-Krater kaum noch hinterher, besonders ausgedehnte Loch-an-Loch-Landschaften werden gar von der Polizei abgesperrt. Wer bezahlt eigentlich den neuen Reifen nach dem Malheur wegen des abgeplatzen Straßenbelags? Und wo ist es besonders schlimm?
„Schlaglöcher so groß wie Bratpfannen und permanente Flickschusterei. Das Hamburger Straßennetz befindet sich in einem dramatisch schlechten Zustand.“ Klingt wie der Winter 2024, stammt aber aus einem MOPO-Text von 1997. Vor 20 Jahren, 2004, erklärten wir Hamburg sogar zur „Schlagloch-City“. Ja, das Thema „Loch im Straßenbelag“ beschäftigte vermutlich bereits die alten Römer, wenn sie mit ihren Streitwagen durch ihr Reich rumpelten – und doch: Aktuell scheinen die Hamburger Straßen tatsächlich zerklüfteter zu sein als in den milden Wintern zuvor. Und oft schimmert neben den Kratern noch eine verlorene Radkappe.
Erst am Wochenende musste die Abzweigung Borgweg an der Barmbeker Straße kurzfristig gesperrt werden, nachdem sich mindestens zwei Autofahrer die Reifen an dem tiefen „Nerv-Schlagloch von Winterhude“ aufgerissen hatten. Und am Dienstag sicherte ein Polizeiwagen besonders tiefe Krater an der Amsinckstraße (Hammerbrook). Der Sprecher des Bezirks Altona warnt ausdrücklich vor den Hauptrouten Farnhornweg und Luruper Hauptstraße. Und in Hammerbrook musste gar die Spaldingstraße gesperrt werden.
Taxi-Union: Situation gerade „besonders schlimm“
„Im Moment ist die Situation auf den Straßen wieder besonders schlimm“, sagt Jan Grupe, Vorsitzender der Taxi-Union Hamburg. „Das melden mir nicht nur die Mitglieder, sondern auch meine Fahrgäste. Die merken ja auch, wenn es ständig knallt und rummst.“ Wie viele Straßenlöcher es gibt, weiß keiner so genau, aber: „Die Anzahl der Meldungen im ,Meldemichel‘ lassen eine erhöhte Anzahl Schlaglöcher erwarten“, sagt Claudia Petschallies vom Bezirk Wandsbek. Über den „Meldemichel“ können Hamburger online Ärgernisse aller Art melden, die beseitigt werden müssen, von Müll bis zu Schrotträdern – und derzeit ist die Karte voll mit Meldungen der Kategorie „Schlagloch und Wegeschaden“.
Auch Kay Becker, Sprecher des Bezirks Eimsbüttel, bestätigt die Beobachtung tausender Hamburger Auto- und einiger unerschrockener Radfahrer: „Es kommt derzeit zu erheblichen Problemen auf den Straßen. Wir können die Schäden momentan nur provisorisch mit Kaltasphalt flicken, dies wird jedoch nicht lange halten.“
Provisorisches Löcher-Flicken
Tatsächlich ist das Flicken eine Sisyphusarbeit. Allein der Bezirk Altona kippt jeden Tag eine Tonne Kaltasphalt in die Krater, eine ähnliche Menge meldet auch der Bezirk Nord und Wandsbek stopft die Löcher gar mit 1,2 Tonnen täglich.
Regen, Schnee, Eiseskälte, Tauwetter und von vorn – aus Sicht einer ohnehin lädierten Straßendecke erleben wir derzeit eine geradezu explosive Wetterlage: Regen und Schnee dringen in Risse ein, gefrieren und heben als Eis den Asphalt an. Wenn es taut, werden die Eiskristalle zu Wasser, der Asphalt wird bröckelig – und wenn dann viele Autos und Lkw (oder Protest-Trecker) drüberfahren, reißt der Sog der Reifen den Straßenbelag stückweise mit sich. Voilà: Ein Schlagloch ist geboren.
In den Jahren 2019 bis 2022 wurden in Hamburg insgesamt 87 Verkehrsunfälle aufgrund von Schäden im Straßenbelag registriert, wie der Senat auf CDU-Anfrage erklärte – statistisch sind das 22 im Jahr. Dabei wurden 24 Menschen verletzt, vier davon schwer. Bezeichnend: Im Jahr 2023 wurden allein in den ersten drei Monaten bereits 23 Schlagloch-Unfälle gezählt.
Bezirke zahlen Schlagloch-Opfern Entschädigung
Bekomme ich Geld zurück, wenn mir so ein Kälte-Krater den Reifen zerlegt? Oder ich verletzt werde, weil die Stadt ihre Straße nicht ordentlich gepflegt hat? Jein. Der Fahrer hat auch eine Verantwortung und muss auf einer Huckelpiste halt besonders vorsichtig fahren. Aber: Es fließt auch Geld für Entschädigungen, wie aus einer Senatsanfrage der CDU hervorgeht. Demnach zahlten die Bezirke zwischen 2019 und 2022 insgesamt rund 60.000 Euro Schadenersatz nach Unfällen durch Straßenschäden – eingereicht haben die Schlagloch-Opfer allerdings Anträge in Höhe von fast 160.000 Euro.
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Dass bald alles wieder glatt läuft, ist nicht zu erwarten: „Die anhaltend niedrigen Temperaturen werden voraussichtlich die Anzahl der Schlaglöcher vergrößern“, sagt der Altonas Bezirkssprecher Mike Schlink. Also: Radkappen sichern.