Meike Vertein

Regenschirm-Händlerin Meike Vertein sitzt an ihrer Nähmaschine im Geschäft „Schirm & Co.“ in der Hamburger Altstadt. Foto: picture alliance/dpa/Christian Charisius

Hamburgerin mit besonderem Job: Sie sorgt dafür, dass Sie nicht nass werden

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Werkstätten und Fachgeschäfte für Regenschirme hat es früher in fast jeder Stadt gegeben. Heute führt Carola Vertein eine der deutschlandweit letzten Einrichtungen dieser Art – mit ganz viel Herzblut.

Wenn es in London regnet, spannt man in Hamburg die Schirme auf – das sagt man den angeblich so anglophilen Hanseaten gerne nach. „Da ist meteorologisch sogar etwas Wahres dran“, erklärt Carola Vertein und lacht, „denn das Wetter von der Themse haben wir dank häufiger Westwinde tatsächlich schon mal einige Tage später. Wir liegen ja beinahe auf demselben Breitengrad.“

Die 58-Jährige muss es wissen – schließlich arbeitet sie seit Jahrzehnten als Regenschirmmacherin. Und ist sogar, als Mitglied der fünften Generation, Nachfahrin des renommierten 1876 gegründeten Traditionsunternehmens „Schirm Eggers“, das einmal elf Standorte hatte und 1987 seine Türen an der Mönckebergstraße schloss. Bald entschied die Familie jedoch, dass die wind- und wetter-geprüfte Hansestadt nicht ohne ein entsprechendes Fachgeschäft bleiben dürfe.

Seit 1999 keine Ausbildung mehr für Regenschirmmacher

So eröffnete Vertein an der nahe gelegenen Rosenstraße „Schirm und Co.“. Auf gut 50 Quadratmetern Fläche bietet sie rund 4000 Schirme an – auf Regale gesteckt, von der Decke hängend und die Schaufenster füllend. Von klassisch schwarzen oder auch britisch-karierten Langschirmen mit Holzgriff über mit Volant verzierte, eckige und tulpenförmige Exemplare bis zu kleinen, handlichen Taschenschirmen. Daneben gibt es Gehstöcke, Portemonnaies und Gürtel.

Schirmmacherin Meike Vertein findet für jeden das passende Modell. picture alliance/dpa/Christian Charisius
Meike Vertein
Schirmmacherin Meike Vertein findet für jeden das passende Modell.

Der Clou: Viele Schirme werden – nach eingehender Beratung – zu moderatem Preis auf Kundenwunsch eigens im Ladenraum angefertigt. Denn das hat die ausgebildete Kauffrau viele Jahre bei ihrem Vater gelernt, einem Handwerker alten Zuschnitts. Längst darf Vertein als eine der deutschlandweit letzten Könnerinnen gelten. Denn: „In Hamburg wurde 1999 der letzte Schirmmacher ausgebildet. Und der letzte in der Handwerksrolle Hamburg eingetragene von einem Schirmmachermeister geführte Betrieb existierte bis 1992“, erklärt auf Anfrage Christiane Engelhardt, Sprecherin der Handwerkskammer.

Die „Schirm Eggers“-Nachfahrin hat ihre Fertigkeiten und ihre Begeisterung auch an ihren Ehemann Wolfgang (58), ursprünglich Bäcker, und Tochter Meike (37) weitergegeben, die sie in ihrer Arbeit unterstützen. Dabei ist Meike auch offiziell vom Fach – als „Kauffrau im Einzelhandel mit Fachrichtung Schirm und Stöcke“ mit Abschlussprüfung vor der Handelskammer. 

Qualität, die sich reparieren lässt

Eine rar gewordene Stärke von „Schirm und Co.“ ist die Annahme von Reparaturen. „Ich bin für Nachhaltigkeit“, erklärt die agile Vertein, die bei Kaltenkirchen (Schleswig-Holstein) eine Hobby-Landwirtschaft betreibt, in bodenständiger norddeutscher Tonart, „es ist so schade, wenn vieles aus dünnem, weichem Material aus China hierher gekarrt wird und bald auf dem Müll landet. Wir selbst stellen nur Qualitätsprodukte her, die dem Hamburger Wetter 40 Jahre lang standhalten können – und sich danach noch reparieren lassen.“

In der Schirmwerkstatt liegen die Ersatzteile in Schubladen bereit. picture alliance/dpa/Christian Charisius
Schirme
In der Schirmwerkstatt liegen die Ersatzteile in Schubladen bereit.

Oft handele es sich dann um Stangenbrüche. Bei Automatikschirmen sprenge die starke Feder dagegen meist nach 12 Jahren die anderen Teile. Ihren Renner, einen leichten Taschenschirm, der seine außergewöhnliche Robustheit aus einem extra-starken Stahlstock und zwei zusätzlichen – also zehn – Stangen bezieht, müssen die Verteins allerdings nach eigenen, vor Jahrzehnten entwickelten Vorgaben in Asien fertigen lassen. „Weil es in Europa keine Hersteller für Taschenschirmgestelle mehr gibt“, sagt die Fachfrau bedauernd.

„So ein Schirm ist doch etwas Feines“

Die Stöcke für ihre Langschirme kämen aber aus Italien und die mit Silikon oder auch Teflon imprägnierten Stoffe sogar wieder mehr aus Deutschland, etwa aus der alten Textilstadt Krefeld. Spricht man mit Vertein über ihr Metier, ist viel Herzblut zu spüren. „Ich kann vier Stunden über Regenschirme reden und glaube nicht, dass es langweilig wird“, schwärmt sie. „So ein Schirm schützt den Menschen und hält ihn warm. Das ist doch etwas ganz Feines.“

Regenschirm-Händler Meike und Wolfgang Vertein stehen unter einem unbespannten Regenschirm in dem Laden „Schirm &Co“. picture alliance/dpa/Christian Charisius
Regenschirmhändler
Regenschirm-Händler Meike und Wolfgang Vertein stehen unter einem unbespannten Regenschirm in dem Laden „Schirm &Co“.

Und die Herstellung – vom kanten-genauen Zusammennähen der Stoffbahnen über das Befestigen an Stock und Stangen bis zum Dämpfen und Fixieren und dem finalen Anbringen eines zumeist hölzernen und gebogenen Griffs? „Das ist schon eine Kunst“, sagt die 58-Jährige, „weil es immer ein Zusammenspiel von Stoff, Zuschnitt und Gestell ist. Es ist schwierig, das so hinzubekommen, dass es hinterher schön aussieht. Der Schirm muss aufzuspannen sein und der Stoff sich recken auf das Gestell, damit er faltenfrei und straff sitzt.“ Sie ergänzt: „Und damit es auch richtig trommeln kann, wenn es regnet.“

Fächer für Hitzetage

Tipps zum richtigen Gebrauch eines Schirms gibt es bei Vertein gratis dazu. „Die optimale Länge ist wichtig. Vom Boden bis zum Puls sollte er gehen, sodass man sich ruhig mal drauf stützen kann“, rät sie. Und natürlich liebt die Schirmfreundin auch das Regenwetter – denn dann brumme das Geschäft. Trockene Phasen wie in diesem Frühjahr brächten eher wenig Umsatz. „Wir haben deshalb schon Fächer ins Angebot aufgenommen – für Hitzetage. Das haben wir in so Spanien gesehen“, erklärt die Inhaberin. Ans Aufhören sei bei ihr dennoch nicht zu denken: „Ich bin bestimmt noch 20 Jahre dabei – und auch meine Tochter will, wenn es sich lohnt, auf jeden Fall weitermachen.“

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Zum Schluss deutet Vertein noch ein paar Erfahrungen mit der Kundschaft an. „Ob Sie einen Schirm an einen Hamburger oder einen Düsseldorfer verkaufen wollen, ist schon ein großer Unterschied“, sagt sie augenzwinkernd. „Hamburger sind ja eher zurückgenommen. Also kaufen sie besonders qualitätsbewusst – und gerne kariert oder marineblau.“ Fazit: „Wir sind eben eleganter.“

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