Schickimicki-Restaurant in Hamburg bittet um Spenden – und erntet Shitstorm
Die Lage ist exquisit, die Preise happig. Das Restaurant „Aendrè“ am feinen Lehmweg in Hoheluft-Ost und in der Schlüterstraße (Rotherbaum) richtet sich an das gehobene Bürgertum Hamburgs. Jetzt hat die Inhaberin eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Allerdings nicht zu wohltätigen Zwecken – sondern für sich selbst. Dafür erntete sie jetzt einen Shirtstorm.
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Die Lage ist exquisit, die Preise happig. Das Restaurant „Aendrè“ am feinen Lehmweg in Hoheluft-Ost und einem neueröffneten zweiten Standort an der Schlüterstraße (Rotherbaum) richtet sich an das gehobene Bürgertum Hamburgs. Jetzt hat die Inhaberin eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Allerdings nicht zu wohltätigen Zwecken – sondern für sich selbst. Dafür erntete sie nun einen Shitstorm.
Das Video auf Instagram zeigt „Aendrè“-Gründerin Janine op het Veld mit Mütze, Schal und dickem Wintermantel. Sie wendet sich an ihre Kunden mit einem „Hilferuf“, wie sie sagt. „Um die Wintermonate, die Kälte und die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu überstehen und unsere Philosophie weiter in die Welt zu tragen, brauchen wir deine Unterstützung.“ Sie habe daher eine Crowdfunding-Kampagne gestartet.
Crowdfunding für Schickimicki-Restaurant: „Aendrè“-Inhaberin will 88.000 Euro Spenden eintreiben
Das Ziel: Die in finanzielle Nöte geratene Gastronomin will 88.000 Euro eintreiben. Gut 13.500 Euro hat sie schon zusammen. Zahlreiche Kunden haben auf Instagram Herzchen und warme Worte geschickt. Sie wünschen der Restaurantbesitzerin Energie und Kraft.
Doch es gibt auch kritische Stimmen. Sogar Häme und Pöbeleien musste Janine op het Veld in einem Shitstorm unter ihrem Beitrag über sich ergehen lassen. Die konstruktiveren Kommentare weisen darauf hin, dass die Mehrwertsteuer nicht erhöht, sondern lediglich auf das Niveau vor der Pandemie zurückgebracht wird. Die Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent war eine vorübergehende Maßnahme während der Corona-Krise, um die Gastronomie in Deutschland zu unterstützen.
Andere Beiträge zweifeln die Geschäftstüchtigkeit der aus den Niederlanden stammende Janine op het Veld an und fragen, warum sie erst im April die zweite Filiale in Rotherbaum eröffnete, wenn es offensichtlich nicht genügend Rücklagen gibt. Wieder andere kritisieren die hohen Preise für die Speisen, die zum Beispiel bei 21 Euro für eine Portion Gnocchi liegen.
„Moralisch fragwürdig“: Gastronomin erntet Shitstorm nach Instagram-Post
„Habe ich es richtig verstanden, dass es schon seit Sommer nach Eröffnung des zweiten Standorts finanziell eng ist? Was haben dann der Winter und die MwSt. damit zu tun? Hier stimmt wohl eher das Geschäftsmodell nicht“, kommentiert ein User bei Instagram. Im August hatte Op het Veld schon einmal um Spenden gebeten – weil sie die Rechnungen für die Renovierung des Ladens an der Schlüterstraße nicht bezahlen konnte.
Ein anderer fragt: „Woran liegt es denn, dass ihr zu wenig Gäste habt? Was macht ihr in Zukunft anders, um das zu lösen?“ Wieder ein anderer findet: „Mir fehlt hier auch absolut die Transparenz. Ja, es ist ein schönes Konzept und viele tolle Gastros strugglen, aber es gibt so unfassbar viele Adressen, die dringend Geld benötigen und so eine Summe ohne große Erklärung zu fordern, finde ich in der aktuellen Zeit mehr als moralisch fragwürdig.“
Manchen fehlt die sonst bei Crowdfunding übliche Gegenleistung: „Für ein echtes Crowdfunding hätte man sich als Restaurant sicherlich ein kleines Rezeptebooklet o.ä. einfallen lassen können und Spendengelder gehen hoffentlich weiterhin an NGOs/soziale Einrichtungen und nicht an hochpreisige Gastro…“, schreibt eine Jessica.
Instagram-User kritisieren Intransparenz und teure Menü-Preise
So sieht es ein auch ein männlicher User: „Ich würde als Gründerin eines expandierten (!) und hochpreisigen Restaurants einen anderen Weg gehen, etwa Fördermittel akquirieren. Und die Leute, die hier spenden, lieber zum Spenden für wohltätige Zwecke animieren.“ An anderer Stelle weist er darauf hin: „Für dich und dein Team alles erdenklich Gute. Aber die ,öffentlichen Wohnzimmer‘ werden zum Luxusgut. Auch bei der Arbeitnehmerschaft wird das Geld knapper.“
Eine Frau namens Anni findet: „Unternehmer heißt, etwas unternehmen. Immer! Und nicht nach Geld betteln!“ Wieder eine andere Userin rät: „Ihr braucht einen Unternehmensberater!“
„Aendrè“-Inhaberin Janine op het Veld hat der Shitstorm stark zugesetzt. „Ich finde es krass, dass jemand, der ohnehin schon am Boden liegt, so beschimpft wird.“ Manche Kommentare habe sie ernst genommen. Dazu gehören die, die mehr Transparenz fordern. In ihren Antworten habe sie nun erklärt, wo sie das Geld investieren werde. In Not sei sie geraten, weil die Renovierungskosten an der Schlüterstraße viel höher wurden, als ursprünglich berechnet.
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Den Vorwurf, Crowdfunding müsse einen wohltätigen Zweck erfüllen, lässt sie dagegen nicht gelten. „Die Idee des Crowdfunding war ursprünglich eine Hilfestellung bei Unternehmensgründungen“, sagt Op het Veld. Das Konzept von „Aendrè“ sei eine Nische, die in Deutschland kaum bedient wird: mit gutem Essen etwas Positives für die Welt tun.
„Wir sind hundert Prozent vegan, weil uns das Tierwohl wichtig ist. Wir tun etwas für die Umwelt und wir sind sozial engagiert“, betont Op het Veld. Zu den 40 Angestellten in den beiden Lokalen gehören zahlreiche Geflüchtete.