Schanzen-Anwohner empört: Beliebter Obdachloser muss Platz räumen
Anwohner:innen der Schanze sind sauer: Ein Obdachloser musste seine Platte räumen – dabei war er ihnen zufolge bestens integriert, hielt seinen Schlafplatz immer sauber und verhielt sich vorbildlich. Wütend beschweren sie sich beim Bezirk Altona – und was sagt das Amt?
„Sie werden aufgefordert, bis zum 08.07.2022, 10.00 Uhr diesen Platz zu räumen.“ Mit dieser Anweisung musste ein Obdachloser seine Schlafstätte im Duschweg in Altona-Nord, nahe des Schulterblatts, verlassen.
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Anwohner:innen der Schanze sind sauer: Ein Obdachloser musste seine Platte räumen – dabei war er ihnen zufolge bestens integriert, hielt seinen Schlafplatz immer sauber und verhielt sich vorbildlich. Wütend beschweren sie sich beim Bezirk Altona – und was sagt das Amt?
„Sie werden aufgefordert, bis zum 08.07.2022, 10.00 Uhr diesen Platz zu räumen.“ Mit dieser Anweisung musste ein Obdachloser seine Schlafstätte im Duschweg in Altona-Nord, nahe des Schulterblatts, verlassen.
Etwa zehn Monate lang soll er dort geschlafen haben, dann musste er gehen. „Sollten Sie dieser Weisung nicht Folge leisten, werden gegen Sie unverzüglich, nach Fristablauf Zwangsmaßnahmen eingeleitet“, heißt es in der Räumungsaufforderung des Bezirksamts Altona.
Streit in der Schanze: Anwohner beschweren sich
Für Anwohner:innen ist das absolut unverständlich. „Dieser Mann wohnte seit einigen Monaten dort und war bestens integriert“, heißt es in einem der Beschwerdebriefe, die nun über Twitter der Anwohner-Initiative Schanzenviertel öffentlich wurden.
„Er hat seine Schlafstätte sehr ordentlich gehalten und hat sich sehr angenehm verhalten.“ In einem weiteren Brief heißt es, man sei „erstaunt und empört“ über die Räumung. Der Mann sei von vielen Anwohnern nicht nur geduldet, sondern sogar mit Decken und warmer Kleidung für den Winter versorgt worden.
Nun machen sie sich Sorgen um ihren ehemaligen Nachbarn: „Auch Ihnen als Bezirksamt ist sicher bekannt, dass wohnungslose Menschen immer wieder Opfer von Überfällen werden. Dieser Platz bot ihm durch seine Öffentlichkeit zumindest einen gewissen Schutz.“
Bezirksamt Altona: Suchen Gespräch mit Betroffenen
Und wie steht das Bezirksamt zu dem Vorfall? Die Ämter seien wegen rechtlicher Vorgaben dazu verpflichtet sogenannte verstetigte Schlafplätze – wie hier samt Matratze, Hausrat und Pappe – zu räumen, erklärt es auf MOPO-Nachfrage. Grundsätzlich werde dabei aber auch mit Sozialarbeiter:innen das Gespräch mit den Betroffenen vor Ort gesucht und sie über Hilfsangebote informiert.
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Aber wenn die Betroffenen niemanden stören, hat das Amt dann gar keinen Spielraum? Das Amt werde faktisch nur auf Aufforderung von der Polizei oder, wie in diesem Fall, der Stadtreinigung tätig, sagt Sprecher Mike Schlink. „Das Bezirksamt Altona nutzt dem ihm zur Verfügung stehenden Spielraum aus, weil eben nicht sofort geräumt wird.“
Im Einzelfall gewähre es auch einen Aufschub, wenn etwa die Witterungsbedingungen ein Verlassen des Platzes nicht ermöglichen. „Nichtsdestotrotz ist das Bezirksamt in der Pflicht, tätig zu werden.“ In Altona seien in diesem Jahr bisher neun von 61 bekannten Schlafstätten geräumt worden.
63 Schlafstätten in diesem Jahr in Hamburg geräumt
In der Duschstraße habe sich die Situation nach der Räumung jedenfalls nicht verbessert, heißt es in den Beschwerdebriefen: Demnach war die Ecke zuvor öfters als Mülldeponie genutzt worden und das sei nun erneut der Fall.
Auch sonst werden Räumungsaufforderungen als wirkungslos kritisiert. Schon mindestens 63 Schlafstätten wurden in diesem Jahr in Hamburg geräumt, erklärte Jörn Sturm, Geschäftsführer von „Hinz&Kunzt“ erst kürzlich im MOPO-Interview.
„Das hilft aber natürlich nicht“, sagte er. „Durch eine Räumung der Platte findet natürlich auch keiner eine Wohnung, sondern wird nur vertrieben. Die Menschen suchen sich dann einen neuen Platz.“