S-Bahntunnel übersehen? Chaos um Schulneubau in Altona
Die Eltern erfuhren von der Planungspleite vor wenigen Tagen durch den Schulleiter – und zeigen sich fassungslos, dass dem Landesbetrieb Schulbau Hamburg nach jahrelanger Planung plötzlich auffällt, dass auf einem Tunnel kein Schulgebäude gebaut werden kann. „Jetzt wird unser Kind wohl die gesamte Gymnasialzeit in einem Provisorium verbringen, mit einem viel zu kleinen Schulhof. Das ist total frustrierend“, so ein Vater zur MOPO.
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Seit Jahren liegt die Fläche des zukünftigen Schulcampus Struenseestraße brach, jetzt wird bekannt, warum keine Arbeiter zu sehen sind: Der Neubau des Struensee-Gymnasiums kann nicht wie geplant errichtet werden, sondern muss um sieben Meter nach Süden verlegt werden. Grund: Unter dem Campus verläuft der S-Bahn-Tunnel. Die Bahn hatte bereits vor Jahren auf die Problematik hingewiesen.
Die Eltern erfuhren von der Planungspleite vor wenigen Tagen durch den Schulleiter des Struensee-Gymnasiums – und zeigen sich fassungslos, dass dem Landesbetrieb Schulbau Hamburg nach jahrelanger Planung plötzlich auffällt, dass auf einem Tunnel kein Schulgebäude gebaut werden kann.
„Jetzt wird unser Kind wohl die gesamte Gymnasialzeit in einem Provisorium verbringen, mit einem viel zu kleinen Schulhof. Das ist total frustrierend“, so ein Vater zur MOPO.
Wegen S-Bahn-Tunnel: Schulneubau muss meterweit verschoben werden
Dabei hatte die Deutsche Bahn DB als Betreiberin der Hamburger S-Bahn frühzeitig zur Vorsicht gemahnt. Aus dem Protokoll der Preisgerichtssitzung vom März 2019, das der MOPO vorliegt, gehen die Bedenken der DB deutlich hervor: Bei den Vorprüfungen sei aufgefallen, dass die meisten Architekten bei ihren Entwürfen die unterirdische Bahntrasse nicht ausreichend gewürdigt hätten.

Lösungen der Thematik seien „nicht erkennbar“, bemängelte die DB. Speziell der spätere Siegerentwurf sehe eine mehrgeschossige Sporthalle in Tunnelnähe vor, außerdem rage im Osten eine Gebäudeecke in den Bereich.
Der Campus beginnt direkt hinter der S-Bahnhaltestelle Königsstraße (Altona-Altstadt). Seit dem ersten Spatenstich im September 2020 durch Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die französische Botschafterin Anne-Marie Descotes ist hier nichts passiert – außer, dass nach den umfangreichen und umstrittenen Baumfällungen eine Rattenplage sichtbar wurde.

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Die Schulbehörde weist jegliche Kritik weit von sich: Die Lage des Tunnels sei seit Beginn der Planung „sehr sorgfältig berücksichtigt“ worden, sagt Behördensprecher Peter Albrecht, räumt aber ein, dass Schulbau Hamburg ursprünglich tatsächlich geplant hatte, die Schulgebäude deutlich näher am Tunnel zu bauen.
Im Rahmen des Bieterverfahrens habe man entschieden, die Lage des Schulgebäudes auf dem Grundstück „anzupassen, um die Auswirkungen auf den S-Bahn-Tunnel und die Einschränkungen für die Schulgebäude so gering wie möglich zu halten.“ Warum das Problem erst jetzt erkannt wurde? Darauf gibt der Behördensprecher keine Antwort.
Hätten bei einer richtigen Planung vielleicht einige Bäume gerettet werden können? Auch das bleibt geheim.
Die Lokalpolitik ist irritiert über die behördliche Schweigsamkeit: „Die Schulbehörde stellt einmal mehr ihre totale Unfähigkeit zur Kommunikation unter Beweis“, so die Altonaer FDP-Fraktionsvorsitzende Katarina Blume zur MOPO: „Das ganze Verfahren ist höchst intransparent und unfreundlich gegenüber Schulleiter, Eltern und Bezirkspolitik.“
Das sagt die Schulbehörde zum Planungsdesaster
Die Schulbehörde beschwichtigt, es handele es sich bei der Sieben-Meter-Verschiebung der Gebäude weg vom Tunnel um eine Kleinigkeit, die nur „leichte Auswirkungen auf die Außenanlagenplanung“ habe. Auch der Zeitplan ändere sich nicht: 2025 sollen die beiden Gymnasien (neben dem Struensee-Gymnasium auch das Lycée français) und die Grundschule ihren Betrieb auf dem neuen Campus aufnehmen. Gibt es inzwischen wenigstens einen Generalunternehmer für das riesige Bauprojekt? Kein Kommentar von der Schulbehörde.

Die Eltern fühlen sich überrumpelt, und das nicht zum ersten Mal: „Wir sind wütend, wie schlecht die Verzögerungen des Neubaus von Anfang an kommuniziert wurden“, so ein Vater.
2016 wurde das Struensee-Gymnasium gegründet, weil die umliegenden Gymnasien aus allen Nähten platzten. Schwerpunkte der Schule: Musik, Digitalisierung und Demokratie. Zunächst fand der Unterricht in einem 60er-Jahre-Bau an der Königsstraße statt. Bis 2019 sollte bei laufendem Betrieb ein Neubau auf dem Gelände entstehen, wurde den Eltern der ersten Schüler gesagt. Dann kam die Nachricht, dass ihre Kinder bis 2023 provisorisch in die leerstehende Gewerbeschule in der Wohlwillstraße (St. Pauli) umziehen sollen. An der Königstraße solle bis dahin ein moderner Campus entstehen, mit Lycée und einer Grundschule.
Struensee-Gymnasium: Kein Platz mehr für neue 5. Klassen
Im vergangenen Sommer verkündete die Schulbehörde schließlich, dass die Fertigstellung des Campus sich bis 2025 verzögern würde – und nun erfahren Schüler, Eltern und Schulleiter von der überraschend aufgetauchten Tunnelproblematik. „Für uns Eltern löst das ungläubiges Kopfschütteln aus“, sagte ein Vater zur MOPO: „Wir fühlen uns extrem schlecht informiert und glauben nicht an eine Fertigstellung des Schulneubaus bis Sommer 2025.“
Da in dem alten Gewerbeschulgebäude für die neuen 5. Klassen partout keine Räume mehr zu finden sind, wird nun ein weiteres Provisorium eröffnet, wie die Schulbehörde mitteilt: Die jüngsten Struensee-Gymnasiasten werden ab Sommer im Gebäude der katholischen Schule Dohrnweg unterrichtet.