Darum sind in Hamburg gerade so viele Menschen krank
Die Nase läuft, der Hals kratzt, die Lunge ist verschleimt: Derzeit häufen sich die Krankmeldungen in Hamburgs Betrieben, Kitas und Schulen. RS-Virus, Corona, Grippe – Hamburg schnieft und keucht, in den Kliniken spitzt sich die Lage auf den Stationen zu. Der Hamburger Ärztekammerpräsident Dr. Pedram Emami findet im Gespräch mit der MOPO deutliche Worte, spricht von einer „Katastrophe“ und einem „Versagen der Politik“. Seine Prognose für die kommenden Wochen ist düster.
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Die Nase läuft, der Hals kratzt, die Lunge ist verschleimt: Derzeit häufen sich die Krankmeldungen in Hamburgs Betrieben, Kitas und Schulen. RS-Virus, Corona, Grippe – Hamburg schnieft und keucht, in den Kliniken spitzt sich die Lage auf den Stationen zu. Der Hamburger Ärztekammerpräsident Dr. Pedram Emami findet im Gespräch mit der MOPO deutliche Worte, spricht von einer „Katastrophe“ und einem „Versagen der Politik“. Seine Prognose für die kommenden Wochen ist düster.
So gut wie jeder kennt jemanden, der gerade krank zu Hause liegt – oder es hat einen selbst erwischt. Im Winter ist das nichts Besonderes, aber in diesem Jahr trifft es Hamburg besonders schlimm.
Krankmeldungen steigen rasant: Hamburg hustet
Die Krankmeldungen steigen rasant – in Betrieben fällt reihenweise Personal aus. Auch die Kindertagesstätten sind betroffen: „Wir stellen derzeit eine Zunahme der saisonalen Atemwegserkrankungen bei Kindern fest“, sagt Katrin Geyer vom städtischen Kita-Verband „Elbkinder“. Die Schulbehörde antwortete auf die Anfrage, wie es um die Krankheitslage in den Hamburger Schulen steht, bis zum Redaktionsschluss nicht. Der MOPO sind jedoch Fälle bekannt, bei denen es in Schulen teilweise einen Krankenstand von mehr als 50 Prozent bei den Lehrkräften und den Schüler:innen gibt.
Das liegt zum einen an der noch anhaltenden Corona-Pandemie, aber auch an der Grippe-Welle. Diese hat laut Robert-Koch-Institut (RKI) Ende Oktober begonnen. Während sich in den vergangenen zwei Jahren Influenza in Deutschland weniger stark ausgebreitet habe, würden nun wieder besonders viele Fälle registriert werden.
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Neben der Grippe-Welle treffen auch andere Atemwegserkrankungen Hamburg besonders stark. Insbesondere die RSV-Welle sei eine Ursache für die aktuellen Notstände in den Krankenhäusern, so Dr. Pedram Emami, Präsident der Ärztekammer Hamburg. Teilweise müssen Familien mit ihren kranken Kindern auf Pritschen schlafen, weil es keine freien Betten mehr gibt.
Atemwegs-Infekt: RSV-Welle in Hamburg
Das Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) löst ebenfalls eine Atemwegserkrankung aus. Vor allem Säuglinge und Kinder sind betroffen, aber auch Erwachsene können sich infizieren. Eine Erkrankung führt in den allermeisten Fällen zu typischen Erkältungssymptomen, also Husten, Niesen und Fieber, aber auch schwerere Verläufe bis hin zum Tod sind möglich.
In Hamburger Kliniken bilden sich deswegen lange Warteschlangen. Im Wilhelmstift in Rahlstedt – dem größten Kinderkrankenhaus Hamburgs – wurden von Ende Oktober bis Ende November mehr als 4900 Kinder behandelt – das entspricht einer Verdopplung der Patientenzahlen. Der Großteil der Kinder müssten nicht stationär aufgenommen werden, manche müssten jedoch mit Sauerstoff versorgt werden, heißt es von dort.
„Wir haben derzeit extrem viele RSV- und Grippe-Infektionen bei Kindern in Hamburg – deutlich mehr als in den vergangenen Jahren“, so Dr. Emami im Gespräch mit der MOPO. Aber auch die Erwachsenen würden sich deutlich öfter infizieren als in der Vergangenheit. Dies würde zu großen personellen Engpässen in den Kliniken führen, so Dr. Emami.
Es wird vermutet, dass die Maskenpflicht in den vergangenen Jahren nun einen Einfluss auf die RSV-Ausbreitung hat: Die Menschen waren nicht zu stark mit den Viren konfrontiert, weshalb sie jetzt die Infektion „nachholen“. Wie der Zusammenhang zu erklären ist, werde in Fachkreisen diskutiert. „Dass es aber da einen Zusammenhang gibt, ist nicht von der Hand zu weisen“, so Dr. Emami.
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Der Facharzt für Neurochirurgie zeigt sich von der Bundespolitik enttäuscht: „Solche Notsituationen, die wir jetzt in den Kliniken beobachten, legen die Probleme frei, die wir schon seit Jahren beklagen.“ Die Politik habe die Hinweise auf fehlendes Personal nicht ernst genommen.
Das würde auch dazu führen, dass es jetzt schwierig sei, akute Maßnahmen gegen die problematischen Situationen in den Kliniken und Praxen zu treffen. „Das hinterlässt mich einfach sprachlos“, so der Mediziner. „Das Versagen der Gesundheitspolitik auf Bundesebene zeigt sich leider in der schlechten Versorgung der Bevölkerung derzeit“, sagt er empört.
Emami: „Gesamtbelastung wird problematisch bleiben!“
In Hinblick auf die Versorgung der kranken Kinder gibt Dr. Emami jedoch Entwarnung. Problematisch bei RSV sei nicht immer der Krankheitsverlauf an sich, sondern die derzeitige Masse an Infektionen.
Sorge sollte man jetzt nicht haben. Je älter die Kinder sind, desto leichter seien die Verläufe bei einer RSV-Infektion. Leichte Symptome sollten zu Hause behandelt werden. Wer als Erwachsener eine Krankschreibung braucht, solle sich möglichst telefonisch an seinen Arzt oder Ärztin wenden, um die Praxen nicht zu blockieren.
In Hinblick auf die kommende Zeit zeichnet Dr. Emami ein düsteres Bild: „Dadurch, dass es derzeit ganz unterschiedliche Krankheitserreger gibt, die parallel auftauchen, wird die Gesamtbelastung in den nächsten Wochen problematisch bleiben.“ Eine Impfung gegen das RS-Virus gibt es bislang noch nicht.