Rotiert Hamburg zu wenig? Schleppender Ausbau bei Windrädern
Mit viel Getrommel haben Bürgermeister und Umweltsenator im Sommer 2022 verkündet, dass Hamburg Platz für viele neue Windräder hat – so 70 bis 100. Ohne Tabus wollte Peter Tschentscher (SPD) mit Volldampf die mögliche Standorte prüfen, selbst Naturschutzgebiete sollten nicht außen vor bleiben. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß hat nachgehakt, was denn seitdem passiert ist.
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Mit viel Getrommel haben Bürgermeister und Umweltsenator im Sommer 2022 verkündet, dass Hamburg Platz für viele neue Windräder hat – so 70 bis 100. Ohne Tabus wollte Peter Tschentscher (SPD) mit Volldampf mögliche Flächen prüfen, selbst Naturschutzgebiete sollten nicht außen vor bleiben. Der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß hat nachgehakt, was denn seitdem passiert ist.
Genau 67 Windräder drehen sich derzeit auf Hamburger Stadtgebiet. Zügig sollen 100 weitere hinzukommen, so hatte es Peter Tschentscher vor mehr als einem Jahr angekündigt. „Ich dränge darauf, dass wir in Hamburg sehr bald Vorschläge für die erforderlichen Standorte machen, den Bau der Anlagen genehmigen und dann auch umsetzen“, sagte er im Januar 2023. Allerdings liegen diese konkreten Vorschläge immer noch nicht vor.
Eine Anfrage des CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph Ploß an die Bundesregierung ergibt nun, dass in Hamburg im vergangenen Jahr keine einzige neue Windkraftanlage genehmigt wurde. In Berlin allerdings auch nicht, in Bremen sind es zwei und im kleinen Saarland eine. Das mit Abstand größte Bundesland Bayern hat magere 27 bewilligt.
Christoph Ploß: CDU baut Erneuerbare besser aus
Christoph Ploß, bisher eher als Atomkraftbefürworter denn als Windrad-Fan aufgefallen, wettert: „Die Zahlen zeigen wieder einmal, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien bei der CDU am besten aufgehoben ist. Die Arbeitsverweigerung des rot-grünen Hamburger Senats beim Windenergie-Ausbau ist hochnotpeinlich! Besonders die grüne Partei macht ihre Hausaufgaben beim Windenergie-Ausbau nicht.“
Das lässt Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) nicht auf sich sitzen: „In meiner ersten Zeit als Umweltsenator konnten wir in Hamburg 30 neue Windkraftanlagen genehmigen und haben damit die Zahl fast verdoppelt. Nachdem die CDU-geführte Bundesregierung 2016 mit dem zuständigen SPD-Wirtschaftsminister das Ausschreibungsmodell installierte, kam der Ausbau der Windkraft in ganz Deutschland praktisch zum Erliegen.“
Windkraft: Hamburg fährt Zahlen sehr langsam hoch
Erst mit grüner Regierungsbeteiligung unter Habeck gehe es mit dem Windkraft-Ausbau endlich wieder voran. Fakt ist laut Kerstan aber auch: „Windkraft ist für einen dichtbesiedelten Stadtstaat nicht die erste Wahl mit Blick auf erneuerbare Energien.“
Die neuen Ausbaupläne des Bundes vom Februar 2023 sehen vor, dass Flächenländer zwei Prozent ihres Gebietes für potenzielle neue Windanlagen ausweisen sollen, die Stadtstaaten 0,5 Prozent. Und die Hamburger Umweltbehörde hält das auch für realisierbar. Die potenziellen Flächen werden derzeit sondiert. Als einen Schwerpunkt für neue Windräder hat der Umweltsenator das Hafengebiet auserkoren. Dort gibt es bereits 15 Windräder.
Rotoren: Tschentscher will Naturschutzgebiete nutzen
Das ist allerdings auch nicht unproblematisch: Einige Anlagen sollen am Rand des neuen Naturschutzgebiets Vollhöfner Weiden aufgestellt werden, weitere in einem der letzten kleinen Biotope von Altenwerder – da haben Naturschutzverbände schon Protest angekündigt.
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Dem stellvertretenden Verbandschef vom Hamburger Landesverband WindEnergie, Jens Heidorn, geht das alles deutlich zu langsam. „Wir haben als Verband selbst bereits 2022 viele Vorschläge gemacht, wo geeignete Standorte liegen“, sagt der Anlagenbauer (Net Windenergie), dessen Firma 1991 ihr erstes Windrad in Hamburg errichtet hat. „Und es gibt ausreichend Flächen, auch ohne dass man in Naturschutzgebiete geht“, betont er.
Heidorn geht davon aus, dass neue Windräder erst 2028 oder 2029 an den Start gehen. So lange dauern die umfangreichen Prozesse und Genehmigungsverfahren – aber dann könnten viele Anlagen auf einen Schlag gebaut werden.
Schneller gehen könnte es laut Heidorn höchstens bei einer Reihe bestehender Anlagen in den Vier- und Marschlanden, die jetzt modernisiert werden sollen. Allerdings wollen die Unternehmen bei diesem sogenannten Repowering deutlich höher bauen als die bisher vorgegebenen 150 Meter, am liebsten sogar höher als 200 Meter.
Eine davon ist in Ochsenwerder. Dort gibt es laut Umweltbehörde jetzt grünes Licht, um ein 94 Meter hohes Windrad (600 Kilowatt) durch ein 150 Meter hohes (3,6 Megawatt) zu ersetzen. Und der Flughafen Hamburg baut einen 70-Millionen-Euro teuren Windpark in Kaltenkirchen, wo der Platz nicht so knapp ist wie in Hamburg.