Rot-grüner Streit in Hamburg: Elbvertiefung reißt einen Graben
Nachdem die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt entschieden hat, die schiffbare Wassertiefe der Elbe einzuschränken, weil die Fahrrinne verschlickt ist, kracht es gewaltig in der rot-grünen Koalition. Während die SPD nun einfach noch mehr baggern will, erklärten die Grünen die Elbvertiefung für „endgültig gescheitert“. MOPO-Kolumnist Marco Carini über den Koalitionsstreit.
Nachdem die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt entschieden hat, die schiffbare Wassertiefe der Elbe einzuschränken, weil die Fahrrinne verschlickt ist, kracht es gewaltig in der rot-grünen Koalition. Während die SPD nun einfach noch mehr baggern will, erklärten die Grünen die Elbvertiefung für „endgültig gescheitert“. MOPO-Kolumnist Marco Carini über den Koalitionsstreit.
Erst im vergangenen Frühjahr war die jüngste Elbvertiefung, es ist die bisher neunte, abgeschlossen worden. Für insgesamt 800 Millionen Euro war die Fahrrinne der Elbe zwischen Cuxhaven und Hamburg ausgebaggert worden. Riesige Mengen Elbschlick wurden weggeschafft, damit auch Mammut-Frachter mit einem Tiefgang von bis zu 14,50 Meter den Hafen noch erreichen können.
Elbvertiefung: SPD will baggern, Grüne wollen aussteigen
Doch die Planer:innen haben ihre Rechnung ohne die Natur gemacht. Durch die vertiefte Fahrrinne strömen bei Flut immer größere Wassermengen – und damit auch große Schlickmengen – von der Nordsee in Richtung Hamburger Hafen. Ein Effekt, der zuletzt durch mehrere Sturmfluten noch verstärkt wurde. Gleichzeitig befördert der Elbstrom immer weniger Schlick zurück ins Meer, weil der Fluss immer weniger Wasser führt. Schuld daran sind fehlender Regen und Hitzewellen. Die Konsequenz: Die gerade frisch ausgebaggerte Fahrrinne verschlickt, die angestrebte Tiefe ist nicht mehr zu halten.

Für die Grünen öffnet dieses Desaster die Chance, mit der Elbvertiefung und damit auch mit dem Koalitionsvertrag zu brechen, in dem es heißt: „Die Koalitionspartner werden ungeachtet unterschiedlicher Einschätzungen zur Elbvertiefung die beschlossene Fahrrinnenanpassung umsetzen.“
Jahrelang hatte die Öko-Partei die sogenannte Fahrrinnenanpassung, also die Vertiefung der Elbe, die sie seit jeher aus ökologischen Gründen ablehnt, mitgetragen, weil die SPD die Lizenz zum Baggern zur Voraussetzung für jede rot-grüne Koalition erklärt hatte.
Fahrrinne der Elbe verschlickt wieder
Diese Woche aber wagten die Grünen die Kehrtwende. Für Fraktionschef Dominik Lorenzen, ist klar, „dass die Ziele der neunten Fahrrinnenanpassung nicht erreicht werden können“. Und die grüne Co-Fraktionschefin Jenny Jasberg twitterte: „Die Elbvertiefung ist gescheitert, dem Wachstum durch die Natur Grenzen gesetzt.“
Noch wortgewaltiger ist der Abgesang der Elbvertiefungsstrategie bei der grünen Bundestagsabgeordneten Linda Heitmann. „Die erneute massive Verschlickung der Elbfahrrinne ist ein Desaster mit Ansage. Trotz ökologischer Bedenken, die wir als Grüne in den letzten Jahrzehnten immer wieder formuliert haben, wurde der Ausbau politisch durchgedrückt.“ Und weiter: „Es dürfte jetzt auch dem und der Letzten klar sein, dass die Elbvertiefung gescheitert ist. Es ist unfassbar bitter, wie diese politischen Fehlentscheidungen sichtbar für alle nun auf Kosten der Natur gehen.“
SPD setzt in der Schlick-Krise auf: Weiter so
Die SPD reagierte genervt und bissig auf das grüne Wendemanöver. Fraktionschef Dirk Kienscherf wirft dem grünen Koalitionspartner „Schadenfreude auf Kosten des Hamburger Hafens“ vor. Die Grünen fielen der Hamburger Wirtschaft und den Arbeitnehmer:innen „in den Rücken“.
Auch in der Schlick-Krise setzt die SPD auf ein entschiedenes „Weiter so“, will noch mehr abgelagerte Sedimente mit noch mehr Baggern begegnen, um den Wettlauf gegen die Natur doch noch zu gewinnen. „Das Konzept der Fahrrinnenanpassung ist nicht gescheitert“, betont Kienscherf fast trotzig.
Gescheitert aber scheint der für die Hafenentwicklung verantwortliche parteilose Wirtschaftssenator Michael Westhagemann, dessen Ablösung nach MOPO-Informationen offenbar bevorsteht. Als Nachfolgerin soll neben anderen die aktuelle Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) im Gespräch sein.
CDU kritisiert Hafenentwicklungsplan 2040
Die SPD ist weiterhin nicht bereit, Hafenpolitik neu zu denken. Verbissen hält sie an dem teuren Hase-und-Igel-Wettlauf mit dem Schlick fest. Noch immer verweigert sie sich einer norddeutschen Hafenkooperation. Und der erste Entwurf des Hafenentwicklungsplans 2040, der aufzeigen soll, wie der Hafen modernisiert werden soll, um auch künftig konkurrenzfähig zu bleiben, fällt bei der Opposition durch. Für den CDU-Wirtschaftsexperten Götz Wiese ist der Hafenentwicklungsplans nur eine „Aneinanderreihung von Selbstverständlichkeiten und allgemeinen politischen Absichtserklärungen“, der „aber keine verbindlichen Planungen“ ausweise.
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Die Grünen hingegen nutzen den Konflikt, um aus einem Kompromiss auszubrechen, den sie so lange mitgetragen haben, um mitregieren zu können. Eine gemeinsame Hafenpolitik der rot-grünen Koalition und eine gemeinsame Strategie für die Verklappung des permanent anfallenden Hafenschlicks, ist nicht mehr in Sicht. Beim Thema Elbverschlickung regieren Rot und Grün schon heute gegeneinander.