• Andreas Dressel im MOPO-Interview.
  • Foto: imago images/Chris Emil Janßen

Rekordschulden und Sparzwang: Ruiniert die Corona-Krise Hamburg, Herr Dressel?

Er ist dafür zuständig, dass Hamburg mit dem Geld der Steuerzahler ordentlich umgeht – aber was heißt das in Zeiten einer Pandemie? Die MOPO sprach mit Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) über einen riesigen Berg neuer Schulden, Zombiefirmen, einen Vorschlag von Herbert Grönemeyer – und ab wann Hamburg den Gürtel enger schnallen muss. 

MOPO: Herr Dressel, Sie sind Sie angesichts der Corona-Krise froh, nicht Bürgermeister geworden zu sein?

Andreas Dressel: Es ist gut, dass wir gerade in dieser Lage einen Arzt an der Spitze haben. Der gesamte Senat arbeitet wirklich gut zusammen und auch ich leiste natürlich meinen Beitrag.

Jetzt mal ehrlich: Ruiniert Corona Hamburg finanziell?

Nein, das ruiniert uns nicht. Es fordert uns finanziell heraus. Es macht auch Konsolidierungserfolge der Vergangenheit zunichte. Ich habe im letzten Jahr einen Tilgungsrekord hinlegen können, in diesem Jahr deutet alles auf einen Verschuldungsrekord hin. Aber weil wir in der Vergangenheit gut gewirtschaftet haben, haben wir jetzt die Power, um die Krise zu schultern.

Dressel: Schulden werden deutlich steigen

Was wird Corona Hamburg am Ende kosten?

Das kann man noch nicht genau sagen. Es kann durchaus sein, dass die Verschuldung in diesen Jahren um eine Größenordnung von acht Milliarden Euro steigen wird. Angesichts von zuvor 23 Milliarden Euro Gesamtschulden ist das heftig.

Der Gesamtschuldenberg steigt noch mal um rund 30 Prozent?

Ja, das kann passieren. Das ist bitter, aber unvermeidlich. Die Alternative wäre jetzt gewesen, in die Krise hinein zu sparen. Die Kosten wären dann jedoch nicht weg gewesen. Wir hätten keine Firmen gerettet, dafür mehr Arbeitslosigkeit finanziert. Unser Ziel muss sein, heute zu investieren und morgen die Steuereinnahmen wieder nach oben zu bringen.

Der Corona-Rettungsschirm bleibt bis zum Ende der Krise aufgespannt?

Ja, wir haben den Notsituationszeitraum bis 2022 ausgedehnt. Anders als andere Bundesländer haben wir schon vor dem zweiten Lockdown-Light antizipiert, dass noch kein Licht am Ende des Tunnels ist. Wir brauchen einen langen Atem.

Wie stellen Sie sicher, dass Sie keine Zombiefirmen am Leben halten?

Wir prüfen alle Hilfsmaßnahmen sehr intensiv, auch unter externer Beteiligung. Wir tun alles, um Unternehmen zu retten, aber auch alles, um das Geld der Steuerzahler zu schützen. Eine hundertprozentige Garantie, dass nicht auch jemand Geld bekommt, der es besser nicht bekommen hätte, gibt es aber nicht.

Finanzsenator Dressel: „Schweinerei, wenn Hilfsgelder zweckentfremdet werden“

Wie viele Betrugsfälle haben Sie bislang aufgedeckt?

Es gibt bei 66.000 Soforthilfeanträgen bislang in 171 Fällen einen Betrugsverdacht, 169 Strafanzeigen wurden bereits gestellt. Ich sage klar, es gibt keine Nachsicht, es wird hart interveniert. Es ist eine Schweinerei, wenn die kostbaren Hilfsgelder auf kriminelle Weise zweckentfremdet werden.

Wer zahlt am Ende die Corona-Zeche? Unsere Kinder?

Unsere Kinder hätten nichts davon, wenn wir jetzt sparen. Wenn wir bei Schule, Nahverkehr oder Klimaschutz sparen, wird die kommende Genration fragen: Was habt ihr denn da gemacht? Außerdem hat die Stadt derzeit keine Finanzierungsprobleme, auch aufgrund der historischen Niedrigzinsphase. Bei kurzfristen Finanzierungen sind wir sogar zum Teil im Negativzinsbereich.

Sie verdienen mit den Corona-Schulden Geld?

Ja. Natürlich nicht bei langfristigen Finanzierungen. Aber bei einem Teil der kurzfristigen Finanzierungen haben wir Negativzinsen. Wir haben klare Tilgungsregeln für die Notkredite definiert, ab 2025 müssen die Corona-Schulden über 20 Jahre abgebaut werden.

Ab 2025 wird der Gürtel enger geschnallt?

Sparen müssen wir sogar schon ab 2022 wegen des Einbruchs bei den Steuereinnahmen. Das sind rund 250 Millionen Euro jährlich, die wir erwirtschaften müssen. Ab 2025 kommt dann mit 150 Millionen Euro jährlich die Tilgung der Corona-Kredite dazu. Wir haben einen schwierigen Weg vor uns. Darum investieren wir jetzt, um den Laden wieder in Gang zu kriegen.

Die Zeiten, in denen Hamburg Probleme einfach mit Geld gelöst hat, sind also vorbei?

Es ist die größte Krise der Nachkriegszeit. Es fordert uns extrem heraus, ich kann aber versprechen, dass Klimaschutz, Mobilität, Schulen, Hochschulen, Infrastruktur unsere Schwerpunkte bleiben. Es wird manches aber nicht mehr so schnell gehen, wie wir es vor Corona geplant hatten.

Haben sie da konkrete Projekte im Kopf?

Nein, jeder im Senat wird sich jetzt kluge Gedanken machen, wo Geld sinnvoll eingespart werden kann. Es wäre falsch, wie damals der schwarz-grüne Senat im Zuge der Finanzkrise, Horror-Listen zu erstellen, von denen dann doch nichts realisiert wurde. 

Die Kultur, Gastronomie und Hotellerie sind ganz besonders vom zweiten Lockdown-Light betroffen – kommt jetzt die große Pleitewelle?

Das ist für die jetzt sehr, sehr heftig. Bestimmte Branchen tragen derzeit Sonderlasten für alle. Wir haben deshalb sehr dafür gekämpft, dass die Novemberhilfe kommt, die großzügig ausgestattet ist und auch mittelbar Betroffenen hilft. Wir werden vermutlich auch im Dezember nicht auf dem Stand von September oder Oktober sein, da muss der Bund aus der Novemberhilfe auch eine Dezemberhilfe machen.

Sind Sie zuversichtlich, dass das alles klappt?

Das alles klappt, glaube ich erst, wenn die ersten Abschlagszahlungen bei den Betroffenen auf dem Konto sind. Wir sind da sehr hinterher und haben im Bund auch eine relevante Stimme. Wir werden die, die besonders hart getroffen sein werden, auch in diesem Corona-Winter nicht alleine lassen.

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Schon jetzt tobt die Debatte, wer die Lasten der Krise zu tragen hat. Brauchen wir eine Vermögensabgabe wie von Herbert Grönemeyer vorgeschlagen?

Eine Steuerentlastung für die Reichen ist jedenfalls definitiv die falsche Antwort, die man jetzt geben kann. Wir setzen uns dafür ein, dass, wenn der Soli fällt, die oberen 10.000 weiterhin belastet werden – dann müsste man den Solidaritätszuschlag in die Einkommenssteuer überführen, um die Corona-Lasten zu schultern. Eine Vermögensabgabe oder Vermögenssteuer wäre verfassungsrechtlich schwierig durchzusetzen. Jetzt ist die CDU am Zug, wir haben Vorschläge gemacht.

Der Bundestagswahlkampf 2021 der SPD steht also wieder unter dem Motto „Soziale Gerechtigkeit“?

Ja, wir haben mit Olaf Scholz den richtigen an der Stelle. Er kennt sich mit Finanzen aus und kann das Thema soziale Gerechtigkeit durchbuchstabieren. Da ist in Wahrheit die CDU in der Defensive.

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