AfD-Stiftung beim „Hamburg Journal“: Warum empfängt der NDR so rechten Besuch?
Es ist eigentlich nichts Ungewöhnliches, dass Mitglieder einer politischen Stiftung einem öffentlich-rechtlichen Rundfunksender einen Besuch abstatten. Doch die Stiftung, die sich für den kommenden Freitag beim NDR in Lokstedt angemeldet hat, ist nicht irgendeine. Das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR) jedenfalls ist empört und verlangt vom NDR, diese Gäste sofort wieder auszuladen.
Es ist eigentlich nichts Ungewöhnliches, dass Mitglieder einer politischen Stiftung einem öffentlich-rechtlichen Rundfunksender einen Besuch abstatten. Doch die Stiftung, die sich für den kommenden Freitag beim NDR in Lokstedt angemeldet hat, ist nicht irgendeine. Das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR) jedenfalls ist empört und verlangt vom NDR, diese Gäste sofort wieder auszuladen.
Es geht um die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES). Sie steht der rechten Partei AfD nahe. Mitglieder der Stiftung sollen am Freitag – so ist es geplant – eine Führung durch das Landesfunkhaus in Lokstedt bekommen.
Anschließend werde es eine Diskussionsrunde mit Mitarbeitern des Senders geben, heißt es in der Pressemitteilung des Hamburger Bündnisses gegen Rechts. Am 8. Dezember soll sogar noch ein weiterer Besuch stattfinden.
Desiderius-Erasmus-Stiftung hatte Kontakte zur „Identitären Bewegung“

Aus Sicht des HBgR ist das ein Skandal. Immer wieder habe die AfD die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) gefordert und offen mit dem „Lügenmedien“-Narrativ gehetzt, heißt es in der Pressemitteilung. Dass nun der NDR den Mitgliedern dieser AfD-nahen Stiftung den roten Teppich ausrolle, sei ein Unding. Das Hamburger Bündnis gegen Rechts erinnert daran, dass die AfD mittlerweile in zwei Bundesländern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird und die Jugendorganisation Junge Alternative (JA) ebenfalls. Zudem sei die AfD Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. „Und nun will das NDR-Landesfunkhaus diese Parteienstiftung empfangen?“
Das Hamburger Bündnis gegen Rechts führt weiter aus, dass die DES-Hamburg alles andere als gemäßigt sei. Als Beleg führt Felix Krebs vom HBgR an, dass die Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein 2022 zu einer Veranstaltung im Schloss Reinbek rechtsextremistische Referenten und Teilnehmer eingeladen hatten, darunter Vertreter der rechtsextremistischen „Identitären Bewegung“ und der Hamburger Burschenschaft Germania. Dies habe dazu geführt, dass sich sogar die Bundesvorsitzende der DES, Erika Steinbach, von der Veranstaltung distanzierte.
„Hofieren der AfD-nahen Stiftung ist ein Schlag ins Gesicht der NDR-Mitarbeiter“
Das Hamburger Bündnis gegen Rechts ist der Meinung: „Das Hofieren im Landesfunkhaus und das Angebot, danach ein Gespräch mit Mitarbeitern des NDR zu führen, ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten, deren Existenzgrundlage die AfD und ihre Stiftung so schnell wie möglich abschaffen möchten.“
Das könnte Sie auch interessieren: Hier verschanzen sich Hamburger Rechtsextremisten
Weiter heißt es in der Pressemitteilung des Hamburger Bündnisses gegen Rechts: „Wir fordern den Intendanten des NDR, Joachim Knuth, und den Direktor des Landesfunkhauses, Hendrik Lünenborg, auf, den Besuch der DES am 17. November und auch den weiteren am 8. Dezember abzusagen. Wir fordern außerdem die Mitglieder des Hamburger Rundfunkrates auf, ihre Stimme zu nutzen und ebenfalls die Ausladung zu fordern.“
Felix Krebs vom HBgR erinnert daran, dass die öffentlich-rechtlichen Sender „aufgrund ihrer gesetzlich abgesicherten Programm-Freiheit“ keine AfD-Politiker einladen müssen und auch durch Gerichte nicht dazu gezwungen werden könnten. Das Landesfunkhaus habe auch das Recht, die AfD-Stiftung wieder auszuladen.
„Der NDR behandelt Anfragen von Parteien grundsätzlich gleich“
Die MOPO hat den NDR um eine Stellungnahme gebeten. Wird es trotz der Kritik durch das Hamburger Bündnis gegen Rechts bei dem Besuch bleiben? Offensichtlich ja, denn Pressesprecherin Bettina Brinker teilt mit: „Der NDR steht zu seiner Verantwortung, im Austausch mit allen Teilen der Gesellschaft zu bleiben. Daher behandelt der NDR Anfragen von in der Bürgerschaft vertretenen Parteien grundsätzlich gleich.“
Dass die Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD nahesteht, sei dem NDR bekannt und bei der Prüfung der Anfrage auch problematisiert worden. Der Geschäftsführer der Hamburger AfD-Bürgerschaftsfraktion habe sich im Juni an den NDR gewandt mit der Bitte, mit Mitgliedern der AfD-Bürgerschaftsfraktion und Mitarbeitern des Hamburger Büros der Desiderius-Erasmus-Stiftung an einer Führung im NDR teilnehmen zu dürfen. Der NDR habe die AfD um eine Teilnehmerliste gebeten. „Das ist grundsätzliche Voraussetzung für eine Führung im NDR.“ Diese Liste liege bisher nicht vor.
Bundestag schloss die Stiftung gerade erst von staatlicher Finanzierung aus
Und wie wird der Besuch im Einzelnen ablaufen? Dazu Bettina Brinker: „Das Landesfunkhaus Hamburg hat sich bereit erklärt, einer Gruppe von 15 Personen am Standort Lokstedt das Sendestudio des ,Hamburg Journals‘ zu zeigen und über die Arbeit und Aufgabe des Landesfunkhauses aufzuklären. Die Besucher werden von Jan Frenzel, Redaktionsleiter ,Hamburg Journal‘, und Oliver Ziolkowski, Leiter Zentrale Programmaufgaben im Landesfunkhaus Hamburg, begleitet. Es handelt sich um eine Besucherführung, keine Diskussionsveranstaltung.“
Worum genau handelt es sich bei der Desiderius-Erasmus-Stiftung? Sie hat ihren Sitz in Lübeck, wurde 2017 gegründet und 2018 von der rechtsextremen AfD als parteinahe Stiftung anerkannt. Vorsitzende ist seit März 2018 die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach, die im Januar 2022 in die AfD eingetreten ist. Die Stiftung ist nicht mit dem Erasmus-Programm der EU zu verwechseln, mit dessen Hilfe internationaler Studentenaustausch gefördert wird. Zwar beziehen sich beide Institutionen auf Erasmus von Rotterdam, jedoch bestehen zwischen beiden in Organisation und Zielsetzung keinerlei Verbindungen.
Das könnte Sie auch interessieren: Radikalisiert: Weiterer AfD-Landesverband ist „gesichert rechtsextrem“
Vor wenigen Tagen erst hatte der Bundestag die staatliche Finanzierung parteinaher Stiftungen erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und so dafür gesorgt, dass die Desiderius-Erasmus-Stiftung mindestens bis zum Ende dieser Legislaturperiode von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen ist.
Die neuen Finanzierungsregeln sehen nämlich vor, dass eine Stiftung gefördert wird, wenn die Partei, der sie nahe steht, mindestens dreimal hintereinander in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten ist.