Rauschgift-Spezialist: So wird Hamburg aktuell mit Koks überschwemmt
Eine Tonne, zwei Tonnen, sechzehn Tonnen: Egal, wie viel Kokain die Ermittler von Zoll und Polizei am Hamburger Hafen auch sicherstellen, auf den Rauschgiftmarkt hat es kaum Auswirkungen. Südamerika überschwemmt Europa mit der Droge – und der Verkauf floriert. Der Kripobeamte und Leiter der Ermittlungsgruppe Rauschgift, Oliver Erdmann, über die raffinierten Tricks der Schmuggler im Hafen – und das enorme Geld, das Beteiligte damit verdienen können. Dabei gehen die Händler vor wie international agierende Unternehmen - mit Arbeitsteilung, Warentracking und Bonuszahlungen.
Eine Tonne, zwei Tonnen, sechzehn Tonnen: Egal, wie viel Kokain die Ermittler von Zoll und Polizei am Hamburger Hafen auch sicherstellen, auf den Rauschgiftmarkt hat es kaum Auswirkungen. Südamerika überschwemmt Europa mit der Droge – und der Verkauf floriert. Der Kripobeamte und Leiter der Ermittlungsgruppe Rauschgift, Oliver Erdmann, über die raffinierten Tricks der Schmuggler im Hafen – und das enorme Geld, das Beteiligte damit verdienen können. Dabei gehen die Händler vor wie international agierende Unternehmen – mit Arbeitsteilung, Warentracking und Bonuszahlungen.
Ende November 2022 findet der Hamburger Zoll in einem Container aus Ecuador 2,6 Tonnen Kokain, versteckt zwischen Thunfischdosen. Anfang Dezember dann noch ein Fund: In zwei Frachtcontainern aus Brasilien, zwischen Säcken mit Eisengranulat, stecken weitere 1,5 Tonnen der Droge.
Das deute daraufhin, dass trotz großer Sicherstellungen die Verfügbarkeit von Kokain auf dem deutschen und europäischen Rauschgiftmarkt nicht signifikant reduziert werden konnte, schreibt Oliver Erdmann in der aktuellen Ausgabe von „Der Kriminalist“. „Selbst als im Februar 2021 dem Zoll in Hamburg beim Auffinden von 16 Tonnen Kokain in Blechkanistern mit Spachtelmasse die bis heute größte Einzelsicherstellung in Europa gelang, hatte dies kaum nachvollziehbare Auswirkungen auf den Kokainpreis und den Rauschgiftmarkt“, so Erdmann.
Die Rechnung ist dabei einfach: Übersteigt die angebotene Menge der Drogen die Nachfrage, sinkt der Preis. Ist die Nachfrage höher als die angebotene Menge, steigt er.
Hamburg: Rekordfunde haben keine großen Auswirkungen auf den Rauschgiftmarkt
Wie die MOPO bereits berichtete, ist der Einfluss von Drogenbossen auch in Hamburg bereits enorm: Hafenarbeiter werden bedroht, Drogengelder mitten in Hamburg gewaschen, Experten vermuten sogar Einflussnahme bis in die Sicherheitskreise hinein.
Exportiert wird das Kokain vor allem aus Kolumbien, Peru und Bolivien. Zu den wichtigsten Import-Drehscheiben haben sich laut eines aktuellen UN-Berichts die Niederlande, Belgien und Deutschland entwickelt. „Nordseehäfen wie Antwerpen, Rotterdam und Hamburg stellen die traditionellen Einfuhrziele in Spanien und Portugal inzwischen in den Schatten“, heißt es aus dem UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC).
Sowohl die Behörde der Vereinten Nationen als auch der LKA-Beamte beschreiben, wie der Anbau von Koka-Pflanzen zuletzt um 35 Prozent zunahm und der Ertrag auf den Feldern gesteigert wurde – von 4,7 Tonnen Kokablättern pro Hektar 2014 auf bis zu 5,9 Tonnen 2019, schreibt Erdmann.
Drogenschmuggler haben Insider am Hafen
Die meisten Drogen werden über den Seeweg geschmuggelt. Ein beliebtes Vorgehen ist die „Rip-on/Rip-off“-Methode. Dabei wird ein Überseecontainer in Südamerika von einem Mittäter geöffnet, große Sporttaschen mit Kokain gefüllt und hinter die Türen gelegt. Der Container wird anschließend wieder versiegelt, wobei manchmal auch ein gefälschtes Siegel im Inneren abgelegt wird.
Jeder Container hat eine individuelle Kennung aus Buchstaben und Zahlen, die außen aufgemalt ist. Damit lässt sich der Container weltweit verfolgen. Die aktuelle Position ist in den Datensystemen der Reedereien und Terminalbetreiber jederzeit abrufbar und für die Schmuggler entscheidend, schreibt Erdmann. Die Nummer des Containers werde den Mittätern in Europa übermittelt, die dann in einem unbeobachteten Moment den Überseecontainer öffnen, das Rauschgift entnehmen und ihn mittels des gefälschten Siegels wieder verschließen.
Im Hafen werden Mitarbeiter bedroht, es gibt Insider im Bereich der Hafenlogistik, aber auch externe „Bergungsteams“. Diese angeheuerten Mittäter klettern nachts über Zäune und dringen unbefugt auf das Terminalgelände ein. Die Täter sind bestens informiert, täuschen angebliche Container-Transporte zu dem berechtigten Empfänger vor, fälschen Frachtpapiere. Um ihre Spuren zu verwischen, nutzen sie falsche Kontaktdaten, nutzen gestohlene Kennzeichen und erfinden Scheinfirmen für gefälschte Ladepapiere, schreibt Erdmann.
Erdmann: Entlohnung richtet sich nach Risiko des „Innentäters“
Die Höhe der Entlohnung richte sich meist nach der geschmuggelten Kokainmenge, dem Risiko des Innentäters wie auch seiner „Wertigkeit“ innerhalb des Schmuggelsystems. Je hilfreicher und exklusiver seine Tätigkeit ist, desto besser die Bezahlung. „Diese reicht für ,kleine Gefälligkeiten‘, wie ,mal eben nachgucken, wo ein Container steht‘, bis hin zum eigenständigen Bergen der Kokainlieferung von circa 5000 bis weit über 100.000 Euro“, schreibt Erdmann. „Auch ein prozentualer Anteil des geschmuggelten Kokains, nach unseren Erkenntnissen bis zu 15 Prozent, kommt als Entlohnung in Betracht.“
Die Beamten versuchen derzeit mit verschiedenen Maßnahmen, den Drogenbossen und Schmugglern den Job zu erschweren. Dazu gehört Telefonüberwachung und Observation, eine Schwachstellenanalyse zusammen mit den Hafenbetrieben, wie auch eine engere Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden in den Herkunftsländern.
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Der gewaltige Kokainexport aus Südamerika sei aber nicht nur eine große Herausforderung für die europäischen Strafverfolgungsbehörden, sondern auch für die Politik. Es brauche dringend eine gemeinsame Strategie zur Bekämpfung des Schmuggels und der Täter.