Ratgeber: Problematische Stoffe in vielen Kerzen – aber es gibt Alternativen
„Garantiert ohne Palmöl“, „rein natürliches Wachs“ oder „ausschließlich pflanzlich“ – auf Kerzen stehen verschiedenste blumige Hinweise. Am Ende weiß der Verbraucher trotzdem nicht, was da verbrannt wird, wenn er das Streichholz an den Docht hält: Bei Kerzen müssen die Inhaltsstoffe nicht deklariert werden, und so gut wie alle enthalten drei teilweise sehr problematische Zutaten. Welche Klimakiller in Kerzen stecken, was die Verbraucherzentrale rät, damit es trotzdem gemütlich wird – die MOPO hat mal nachgefragt.
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„Garantiert ohne Palmöl“, „rein natürliches Wachs“ oder „ausschließlich pflanzlich“ – auf Kerzen stehen verschiedenste blumige Hinweise. Am Ende weiß der Verbraucher trotzdem nicht, was da verbrannt wird, wenn er das Streichholz an den Docht hält: Bei Kerzen müssen die Inhaltsstoffe nicht deklariert werden, und so gut wie alle enthalten drei teilweise sehr problematische Zutaten. Welche Klimakiller in Kerzen stecken, was die Verbraucherzentrale rät, damit es trotzdem gemütlich wird – die MOPO hat mal nachgefragt.
Kerzen sind teuer geworden. Wer aber jetzt zu den günstigsten im Supermarkt oder der Drogerie greift, der kauft mit großer Wahrscheinlichkeit Kerzen aus Paraffin – und das ist ein Nebenprodukt der Erdölherstellung. Aus diesem fossilen Klimakiller werden seit 40 bis 50 Jahren die meisten Kerzen hergestellt, billig und mit besonders mieser Öko-Bilanz. Vier von fünf Kerzen sind auch heute noch aus Paraffin, was der Käufer aber nicht erfährt, weil die Hersteller das Material nicht angeben müssen. Bei Paraffinkerzen steht in der Regel gar keine Angabe zum Material auf der Verpackung.
„Pro Nature“: Kerzen aus pflanzlichen Ölen
Zum Glück gibt es immer mehr Alternativen bei den großen Herstellern. Die sind allerdings teurer – und auch nicht gut gekennzeichnet. „Pro Nature“ heißt eine Kerzenserie des großen deutschen Herstellers Müller vom Niederrhein, die Stumpenkerzen sind aus Stearin und laut Deklaration „ganz auf natürliche Inhaltsstoffe ausgerichtet“. Doch das sagt noch nichts Konkretes, denn Stearin ist ein Wachs, das aus pflanzlichen Ölen hergestellt werden kann (meist Palmöl, manchmal Soja oder Raps), oder aus tierischen Fetten wie Schweinefett von Schlachtabfällen.
Und tatsächlich heißt es auf MOPO-Nachfrage bei Müller: „Stearin besteht bei uns meist aus Palmöl oder aus tierischen Fetten, die beim Schlachten anfallen.“ Das genaue Mischverhältnis ist laut Unternehmen veränderlich – je nachdem, welcher der Rohstoffe auf dem internationalen Markt gerade günstiger angeboten wird.
Stearin: Palmöl, tierische Fette oder Raps
Somit sind Stearin-Kerzen in der Regel keine gute Wahl für Veganer. Müller-Kundenbetreuer Norbert Stenmans gibt aber zu bedenken: „Grundsätzlich muss man sagen, dass tierisches Fett in Kerzen eine jahrhundertelange Tradition hat und das Fett als Abfallprodukt der Fleischproduktion ohnehin anfällt.“
Auch Palmöl hat keinen guten Ruf, da viele Hersteller nicht sicherstellen können, dass kein Regenwald für die Ölplantagen abgeholzt wurde. Immer öfter steht daher auf Kerzen „garantiert ohne Palmöl“ – das kann dann immer noch bedeuten, dass Paraffin drin ist. Wenn aber zusätzlich „rein pflanzlich“ draufsteht, dann ist das Erdölprodukt ausgeschlossen.
Was also tun, wenn man weder Paraffin, noch tierische Fette oder Palmöl in seiner Kerze haben will? Mittlerweile werden auch Kerzen aus Rapsöl, Olivenöl oder Sojaöl produziert. Auch Müller hat eine Rapsöl-Kerze im Sortiment. Raps und Sojaöle sind aber nicht so stabil oder tropffrei und werden deshalb oft im Glas oder als Teelicht verkauft. Stenmans: „Raps ist regional und es ist ein nachwachsender Rohstoff. Aber der Flächenverbrauch beim Anbau ist sehr hoch, viel höher als bei Ölpalmen.“ Als massenhafte Alternative zu Paraffin und Palmöl taugt es daher nicht.
Kerzen aus Soja-Öl: Importe mit Gen-Soja aus den USA
Bei Soja besteht zudem das Problem, dass es oftmals ein US-Import ist und somit in der Regel gentechnisch verändert. Was viele Verbraucher auch nicht unterstützen wollen. Der deutsche Hersteller Richard Wenzell GmbH geht auch neue Wege mit einigen Serien. So prangt auf den „Pure“-Kerzen des Herstellers die Deklaration „100 Prozent nachhaltig“ und „100 Prozent Naturwachs“.
Die „Light.one“-Teelichte von Wenzel sind sogar ohne Alu, sie stecken in feuerfestem Papier. Unterstützenswert, aber deutlich teurer als Paraffinkerzen. Ein kleiner Pferdefuß ist, dass der Verbraucher zunächst gar nicht informiert wird, woraus genau die Kerzen sind – ob aus Raps-, Soja- oder Olivenöl oder aus tierischem Fett.
Verbraucherzentrale Hamburg: Gute Kerzen gibt es nicht
„Gute Kerzen gibt es nicht“ – das ist das vernichtende Urteil von Tristan Jorde, dem Umweltexperten der Hamburger Verbraucherzentrale. Denn in den meisten Kerzen sei nun einmal Paraffin, oft gemischt mit Stearin aus tierischen Fettabfällen oder Palmöl.
Eine Alternative sind noch Kerzen aus Bienenwachs. „Aber das steht ja auch nicht beliebig zur Verfügung“, so Jorde. Es ist also zur massenhaften Nutzung auch nicht vorhanden. Zudem brauchen die Bienen es teils selbst für den Wabenbau und es komme manchmal aus China statt von heimischen Bienen. Ganz zu schweigen vom sehr hohen Preis für Kerzen aus echtem Bienenwachs.
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Jorde: „Das Problem bei Kerzen sind am Ende nicht nur die Bestandteile an sich, sondern eben auch die Tatsache, dass Sie als Verbraucher halt gar nicht erfahren, was drin ist und wo es herkommt.“ Es gibt nur das RAL-Gütesiegel der Hersteller. Wer darauf achtet, bekommt zumindest eine Kerze, die schadstoffarm ist, lange brennt und nicht tropft.
Doch was tut jemand, der in der Adventszeit nicht auf gemütliches Kerzenlicht verzichten will? Jorde: „Gehen Sie sparsam mit Kerzen um, zünden Sie sie bewusst statt massenhaft an. Und ziehen Sie aus den Wachsresten neue Kerzen, statt sie wegzuwerfen.“ Der Umweltexperte appelliert: „Bitte Finger weg von Teelichten, die zahlreich aufgestellt werden und dann auch noch in Alu-Hüllen stecken.“