Rassistische Vorfälle in Ottensen: Ein Stadtteil wehrt sich
Anfang Februar kam es in Ottensen zu einer rassistischen Attacke auf eine Familie, Ende März wurde ein Gedenk-Graffiti eines schwarzen Sozialarbeiters beschmiert. Engagierte Bewohner:innen wollen sich das nicht länger bieten lassen.
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Anfang Februar kam es in Ottensen zu einer rassistischen Attacke auf eine Familie, Ende März wurde ein Gedenk-Graffiti eines schwarzen Sozialarbeiters beschmiert. Engagierte Bewohner:innen wollen sich das nicht länger bieten lassen.
Essensabfälle auf der Fußmatte. Beleidigungen auf dem Hausflur, AfD-Plakate, die an die Wohnungstür geklebt wurden, auf ihnen Sprüche mit rassistischen Schriftzügen wie: „Das Pack erschießen oder zurück nach Afrika prügeln.“ Außerdem: Ein angezündeter Kinderwagen. Was die Familie K. Anfang dieses Jahres an der Griegstraße im Stadtteil Ottensen erleben musste, ist ein Albtraum, über den die MOPO bereits berichtet hat.
Der selbe Stadtteil, nur wenige Wochen später. Ein Gedenk-Graffiti am Kemal-Altun-Platz, das an den Altonaer Sozialarbeiter Yemi Akinsanya erinnert, wurde rassistisch beschmiert. Für Rojwan, der die Instagram-Seite „Ottensen.Hamburg“ betreibt, reicht es. Auf der Seite schreibt er: „Ein Angriff gegen das Gedenken an Yemi ist ein Angriff gegen UNS“. Weiter heißt es im Post, Akinsanya sei ein Vorbild und Helfer für viele Jugendliche des Viertels gewesen.
300 Menschen trauern gemeinsam um Sozialarbeiter
Und tatsächlich: Nach seinem Tod an Pfingsten 2020 kamen – trotz coronabedingter Kontaktregelungen – 300 Nachbar:innen und Freund:innen zu einem Trauermarsch zusammen.
Zwei rassistische Vorfälle kurz hintereinander, in einem Stadtteil, den viele, die dort leben, als liberal und weltoffen beschreiben. Wie passt das zusammen? Für Rojwan, dem auf seiner Instagram-Seite knapp 3500 Menschen folgen, stehen die beiden Vorfälle nicht mit Ottensen als Stadtteil in Verbindung. Der MOPO sagt er: „Ich glaube, dass wir bundesweit ein Rassismusproblem haben und Ottensen eher ein Beispiel dafür ist, dass man diese Dinge nicht normalisiert“.
Schmiererei in Ottensen schnell wieder übermalt
Schaut man sich die beiden Vorfälle an, wird klar, was er meint. Innerhalb weniger Tage wurde die Schmiererei am Graffito wieder übermalt. Und auch bei der Attacke an der Griegstraße zeigten tausende Menschen innerhalb weniger Tage bei zwei Demonstrationen ihre Solidarität. Ein loses Netzwerk von Aktiven aus dem Stadtteil betreut seither die Betroffenen und hat neben einer Spendenkampagne auch den Umzug der Familie organisiert, die sich in dem Haus und der Umgebung nicht mehr sicher fühlte.
Eine von ihnen ist die Juristin Dîlan Sina Balhan. Der MOPO sagt sie: „Uns war es wichtig, der Familie zu signalisieren: Wir sind nicht nur für dich da, wenn gerade viel Aufmerksamkeit da ist, sondern wir bleiben solidarisch mit dir“. Balhan ist selbst in Ottensen aufgewachsen, ihr Vater lebt noch im Stadtteil.
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Ottensen, sagt sie, sei im Wandel, das habe Auswirkungen auf das Gefühl der Menschen zu ihrem Stadtteil. „In meiner Kindheit hatten wir in Ottensen dörfliche Strukturen, man kannte seine Nachbar:innen, es war ein Gefühl von Solidarität da, das wurde aufgebrochen“. Aber auch Balhan will die beiden Vorfälle nicht als Problem des Stadtteils verstanden wissen. Genau wie Rojwan, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, glaubt sie, dass die polarisierte Stimmung in der Gesellschaft dazu führt, dass Menschen ihren Rassismus offensiver ausleben.
Politisch motivierte Kriminalität von Rechts steigt um mehr als 60 Prozent
Diesen Eindruck bestätigen die Zahlen der Polizei. Gab es 2019 in Hamburg 453 Fälle politisch motivierter Kriminalität von Rechts, liegen die Zahlen im Jahr 2023 bei 738 – eine Erhöhung um fast 63 Prozent. Für Ottensen und Altona sagt die Polizei auf Nachfrage: „Für die Stadtteile lassen sich im Vergleich mit dem übrigen Stadtgebiet aktuell keine Auffälligkeiten feststellen.“