Rassismus in der Kirche: Hamburger Fall schlägt bundesweit Wellen
Der MOPO-Beitrag über mutmaßlich rassistische Vorfälle in einer evangelischen Gemeinde in Osdorf zieht weite Kreise. Der Antiziganismus-Beauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, meldet sich zu Wort und fordert lückenlose Aufklärung. Die Bundesvereinigung der Sinti und Roma reagiert ebenfalls: „Der Fall in Hamburg zeigt, dass die Kirche ihrer Verantwortung, den historischen wie auch den aktuellen Antiziganismus in ihren eigenen Reihen aufzuarbeiten, nicht ausreichend nachgekommen ist."
Der MOPO-Beitrag über mutmaßlich rassistische Vorfälle in einer evangelischen Gemeinde in Osdorf zieht weite Kreise. Der Antiziganismus-Beauftragte der Bundesregierung meldet sich zu Wort und fordert lückenlose Aufklärung. Die Bundesvereinigung der Sinti und Roma reagiert ebenfalls: „Der Fall in Hamburg zeigt, dass die Kirche ihrer Verantwortung, den historischen wie auch den aktuellen Antiziganismus in ihren eigenen Reihen aufzuarbeiten, nicht ausreichend nachgekommen ist.“
Die MOPO hatte berichtet, dass die Nordkirche Anzeige gegen einen Pastor der Maria-Magdalena-Kirchengemeinde in Osdorf erstattet hat. Der Seelsorger werde bis zur Aufklärung aller Vorwürfe seinen Amtsgeschäften nicht mehr nachgehen, so ein Sprecher der Nordkirche. Hintergrund: Christian Rosenberg, Vorsitzender des Hamburger Sinti-Vereins, wirft dem Pastor vor, die Sinti als „Steinzeitkultur“ und „Zigeunerpack“ bezeichnet zu haben.
„Was wollen diese Affen eigentlich? Die sollen nach Afrika und Bananen fressen“
Darüber hinaus soll es auch von Gemeindemitgliedern Beschwerden über den Pastor geben: Demnach soll der Seelsorger sich über andere Minderheiten ebenfalls äußerst abfällig geäußert haben. Im Hinblick auf eine afrikanische Gemeinde soll er beispielsweise gesagt haben: „Was wollen diese Affen eigentlich? Die sollen nach Afrika und Bananen fressen.“
„Die Vorwürfe gegen den beurlaubten Pastor sind gravierend“, so Mehmet Daimagüler, der Antiziganismus-Beauftragte der Bundesregierung. „Sie müssen lückenlos aufgeklärt werden. Antiziganismus und Rassismus sind nirgends akzeptabel, erst recht nicht in der Seelsorge.“

Er begrüße es, dass „die Nordkirche die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet hat“, so Daimagüler. „Parallel muss die Nordkirche intern den Vorwürfen nachgehen. Dabei muss sichergestellt werden, dass diese Untersuchungen mit Nachdruck, transparent und unter Einbeziehung der Betroffenen aus der Minderheit der Sinti und Roma auf Augenhöhe durchgeführt werden.“
Weiter sagt Daimagüler, dass sich der Hamburger Sinti-Verein in vorbildlicher Art und Weise für die Belange von jungen Menschen aus der Minderheit engagiere. „Der Vereinsvorsitzende Christian Rosenberg ist zu Recht weit über die Landesgrenzen Hamburgs hinaus für sein tagtägliches Engagement und sein seelsorgerisches Wirken bekannt. Gemeinsam mit ihm sollte die Nordkirche losgelöst von dem konkreten Fall untersuchen, wie die Präventionsarbeit gegen Antiziganismus dauerhaft und strukturell gestärkt werden könnte.“

In eine ähnliche Kerbe schlägt die Bundesvereinigung der Sinti und Roma: Sie fordert die Kirche auf, diesen Vorfall zum Anlass zu nehmen, „die eigene Rolle bei der Entstehung und Förderung antiziganistischer Stereotype transparent und wissenschaftlich aufzuarbeiten und so ihrer Verantwortung für ein gleichberechtigtes Miteinander gerecht zu werden“.
Gegenüber der MOPO betonte Christian Rosenberg vom Sinti-Verein, dass er hoffe, die Kirche werde den Fall schnell aufklären und daraus Konsequenzen ziehen. Die Kirche wisse seit Monaten Bescheid. Nichts sei geschehen. Erst als die MOPO den Fall aufgriff, habe die Kirche reagiert und den Pastor angezeigt und beurlaubt. Rosenberg kündigte an, noch in dieser Woche ebenfalls Strafanzeige gegen den Seelsorger zu erstatten.
Beschuldigter Pastor bestreitet weiter alle Vorwürfe

Der beschuldigte Pastor hat sich gegenüber der MOPO erneut zu den Vorwürfen geäußert. Er bestreitet abermals alles. Für die ihm zur Last gelegten Äußerungen könne es „keinerlei Belege“ geben, schreibt er. „Sie sind und bleiben in der Sache, inhaltlich und im Zusammenhang unwahr.“ Es habe zwar eine Auseinandersetzung mit dem Sinti-Verein gegeben. Dabei sei es „ausschließlich um zusätzliche Nutzungsansprüche auf unsere Raumkapazitäten“ gegangen, „die unseren eigenen Bedürfnissen zuwiderliefen.“
Weiter schreibt er: „Hier gehen die Belange der Kirchengemeinde vor, auch wenn die Ansprüche noch so offensiv formuliert und noch so emotional vorgetragen werden. All dies ist selbstredend völlig unabhängig vom ethnischen oder kulturellen Hintergrund der jeweiligen Nutzer. Ich gehe davon aus, dass die ins Auge gefasste juristische Prüfung all dies bestätigen wird.“
Zum Verständnis: Der Sinti-Verein ist Mieter der Osdorfer Maria-Magdalena-Kirchengemeinde.
Dieter Schulz, Pressesprecher der Nordkirche, teilt mit, dass das Landeskirchenamt nun die Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsbehörden abwarte. Diese Ergebnisse würden dann Eingang finden in das dienstrechtliche Verfahren, das das Landeskirchenamt in Gang gesetzt habe. „Der betroffene Pastor ist bis zur Klärung der Vorwürfe nicht im Amt.“