Rassismus in der Flüchtlingsunterkunft: Warum sich Ukrainer untereinander hassen
Sie sind nach Deutschland geflohen in der Hoffnung, endlich in Sicherheit zu sein. Und nun werden sie ausgegrenzt, stigmatisiert und angegriffen – von den eigenen Landsleuten. Die Rede ist von ukrainischen Roma. Der Sinti-Verein Hamburg prangert die Zustände an. Und wie reagiert „Fördern & Wohnen“?
Sie sind nach Deutschland geflohen in der Hoffnung, endlich in Sicherheit zu sein. Und nun werden sie ausgegrenzt, stigmatisiert und angegriffen – von den eigenen Landsleuten. Die Rede ist von ukrainischen Roma. Der Sinti-Verein Hamburg prangert die Zustände an. Und wie reagiert „Fördern & Wohnen“?
Schauplatz: die Flüchtlingsunterkunft an der Schnackenburgallee (Bahrenfeld). Im Auftrag von „Fördern & Wohnen“, einem sozialen Unternehmen der Stadt, betreut das Deutsche Rote Kreuz dort unter anderem ukrainische Kriegsflüchtlinge. Innerhalb dieser Gruppe kommt es zu heftigen Konflikten. Darauf weist Christian Rosenberg, Vorsitzender des Sinti-Vereins Hamburg, hin.

Von ukrainischen Roma wurde Rosenberg auf die Zustände aufmerksam gemacht. Demnach gibt es in der Unterkunft einen großen Speisesaal, den alle Geflüchteten nutzen. „Doch die Ukrainer lehnen es ab, mit den ukrainischen Roma gemeinsam zu essen“, so Rosenberg. Daraufhin hätten die sich Gaskocher besorgt, um sich ihr Essen außerhalb zuzubereiten – „mit dem Ergebnis, dass die übrigen Ukrainer jetzt mit den Finger auf sie zeigen und sagen: ,typisch Roma‘!“
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Ukrainische Flüchtlinge sollen ukrainische Roma ausgrenzen
Rosenberg räumt ein, dass natürlich nicht alle geflüchteten Ukrainer Antiziganisten seien, „aber die überwiegende Mehrheit schon“. Schon vor dem Krieg seien Roma in der Ukraine wie „Unmenschen“ behandelt worden. Das setze sich nun in den Flüchtlingslagern fort. „Roma haben zu mir gesagt, der Rassismus in den Unterkünften sei so furchtbar, dass sie darüber nachdenken, lieber in den Krieg zurückzukehren, als hier in Deutschland zu bleiben.“ Die einzige Möglichkeit, die er noch sehe, so Rosenberg, sei die Schaffung spezieller Angebote für Roma. „Es gibt Situationen wie die geschilderte, da ist es notwendig, einen geschützten Raum zu schaffen.“
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In diesem Zusammenhang erwähnt er die Wohnunterkunft Veermoor (Lurup), wo sein Verein gezielt Angebote für ukrainische Roma-Flüchtlinge macht. Dort sei das Miteinander sehr viel entspannter. Rosenberg sagt, er sei der Sozialstaatsrätin Petra Lotzkat sehr dankbar für die finanzielle Unterstützung dabei.

Das, was in der Wohnunterkunft Schnackenburgallee vor sich gehe, sei leider kein Einzelfall, so Rosenberg. Als Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Sinti und Roma (BVSR) sei er gut vernetzt und er höre, dass in vielen anderen Unterkünften im ganzen Land ähnliche schlimme rassistische Zustände vorherrschten. Das Personal in den oftmals total überfüllten Einrichtungen tue sein Bestes, räumt Rosenberg ein, aber es sei völlig überfordert mit dem Problem.
Fördern & Wohnen: „Teams in den Unterkünften sind für das Thema sensibilisiert“
Susanne Schwendtke, Sprecherin von Fördern & Wohnen, bestätigt Rosenbergs Schilderungen. „In der Tat treffen wir eine in der Ukraine verbreitete ablehnende Einstellung gegenüber Roma auch
unter Bewohnern unserer Unterkünfte an.“ Hingenommen werde das selbstverständlich nicht. „Eine Arbeitsgemeinschaft ,Roma, Sinti und Antiziganismus‘ ist in unserem Unternehmen aktiv. Die Teams der Unterkünfte sind für das Problem sensibilisiert, Informationen für Bewohner werden derzeit erarbeitet.“

Susanne Schwendtke macht allerdings darauf aufmerksam, dass es „nicht von heute auf morgen“ möglich sei, tief verwurzelte Einstellungen zu verändern, die Bewohner aus ihren Herkunftsländern mitbringen. Entscheidend sei, dass Fälle von antiziganistischen Übergriffen gemeldet werden. „Wir bitten alle Bewohner der Unterkünfte, dies zu tun. Dies ist beim Team der Unterkunft oder über das Feedbackmanagement von Fördern & Wohnen möglich – schriftlich, telefonisch oder persönlich in der Feedback-Sprechstunde.
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Schwendtke macht darauf aufmerksam, dass auf Ersuchen der Bürgerschaft die Sozialbehörde dabei sei, eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Antiziganismus in Hamburg zu erarbeiten. Schwendtke: „An dem Begleitprozess sind Vertretungen der Hamburger Sinti und Roma beteiligt – und auch
Fördern & Wohnen. Zuletzt fand im Juni ein Workshop statt, in dem es auch um das Problem des Antiziganismus in Geflüchtetenunterkünften ging. Derzeit werden Beratungsstellen bekannt gemacht und weitere Unterstützungsmöglichkeiten geprüft.“