„Rampen höher als der Kirchturm“: Ein Hamburger Dorf kämpft gegen die Autobahn
Die Planer schwärmen von den gigantischen Ausmaßen der A26 Ost quer durch den Hafen. Besonders von der neuen Süderelbbrücke, die höher wird als die Köhlbrandbrücke. Für die Anwohner von Moorburg sind die Pläne der Horror, denn die Strecke schneidet ihr Bullerbü-Dorf direkt am Ortskern. Anwohnerin Anneki Schmidt: „Wir gucken dann statt in den Himmel auf eine Autobahnrampe, die höher ist, als der Kirchturm.“
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Die Planer schwärmen von den gigantischen Ausmaßen der A26 Ost quer durch den Hafen. Besonders von der neuen Süderelbbrücke, die höher wird als die Köhlbrandbrücke. Für die Anwohner von Moorburg sind die Pläne der Horror, denn die Strecke schneidet ihr Bullerbü-Dorf direkt am Ortskern. Anwohnerin Anneki Schmidt: „Wir gucken dann statt in den Himmel auf eine Autobahnrampe, die höher ist als der Kirchturm.“
Wenn Anneki Schmidt (51) aus dem Küchenfenster blickt, dann sieht sie auf den Moorburger Kirchturm. Sie wohnt mit ihrer Tochter Anouk (10) direkt am Kirchplatz des historischen Örtchens in der Elbmarsch, das bereits seit 1375 zu Hamburg gehört und damit einer der ältesten Stadtteile der Hansestadt ist. Doch St. Maria-Magdalena (erbaut 1597) wird nicht mehr lange das höchste Gebäude dort sein. Bald wird die Autobahnrampe, die zur neuen Süderelbbrücke führt, sehr nah am Zentrum vorbeiführen – und zwar höher als der Kirchturm.
„Diese Autobahn wird aber nicht nur den Ort verschandeln, sondern auch ganz viel Natur zerstören“, sagt Schmidt. „Die A26-Strecke führt hier direkt durch die Moorlandschaft und zerstört sie.“ Schmidt ist vor 13 Jahren nach Moorburg gezogen. Sie wollte nicht mehr in der Stadt leben, „aber stadtnah“. Und hat es nie bereut. Heute spielt ihre Tochter Anouk (10) mit ihren Freunden im Wald oder sogar auf den Straßen, ohne dass die Eltern sich Sorgen machen müssen. „Die Kinder leben hier noch wild und frei, so wie ich es mir gewünscht habe.“
Moorburg: Viele Familien mit Kindern ziehen ins Grüne
Tatsächlich wohnen in Moorburg erstaunlich viele Familien mit Kindern. Und das, obwohl über dem Stadtteil das Hafenerweiterungsgesetz wie ein Damoklesschwert schwebt. Moorburg ist für die Hafenerweiterung vorgesehen, irgendwann sollen hier für die Bewohner die Lichter ausgehen. Das ist seit den 80er Jahren klar. Es ziehen trotzdem immer wieder neue Familien zu. Sie alle wollen raus aus der Stadt – für ihre Kinder. Und die Wohnungen und Häuser sind hier groß, ebenso die Gärten.
Abgerissen werden müssen für die A26 Ost im Ort keine Häuser, die Strecke verläuft zunächst durchs Moor und erst am Schluss sehr nah am Ortskern entlang. Riesige Mengen Sand werden bewegt, viele wertvolle Moorböden ausgehoben für die Anbindung an die A7 und etwas weiter im Osten auch noch das Autobahnkreuz, von wo aus eine Auffahrt (und Abfahrt) auf die A26 in Moorburg ermöglicht wird.
Anneki Schmidt will das nicht mitansehen. „Ich glaub, ich muss hier vorher wegziehen, das ertrag‘ ich nicht.“ Das sieht ihre kleine Tochter allerdings ganz anders. „Die nehmen mir mein Zuhause weg, das will ich nicht“, sagt Anouk und hat schon ein Protestplakat gemalt. „Sie will nun ganz viel tun, um das zu verhindern“, so ihre Mutter.
714 Einwohner hat Moorburg nach aktuellen Statistikzahlen von 2021. Und auch in dem Jahr sind wieder mehr Menschen her- als weggezogen. 329 Wohnungen (in 227 Gebäuden) gibt es im Ort, größtenteils entlang des Moorburger Elbdeichs. Die meisten von ihnen gehören schon lange der Stadt Hamburg, seit 2015 sind sie im Eigentum der städtischen SAGA.
A26 Ost: SAGA besitzt die meisten Häuser in Moorburg
Im Ort heißt es, dass wieder bewusst Leerstand erzeugt werde, um die Leute einfacher rauszubekommen, wenn es soweit ist. SAGA-Sprecher Gunnar Gläser weist das zurück: „Der Wohnungsbestand der SAGA umfasst in Moorburg 232 Wohnungen, zehn Objekte stehen aktuell leer. Hier wird derzeit die Sanierung geprüft.“ Einige Gebäude seien auch bereits umfangreich saniert worden. Dabei müsse man aber berücksichtigen, dass das Hafenerweiterungsgesetz nur erhaltende Maßnahmen und keine umfänglichen Modernisierungen oder Neubauten erlaube.
Auch Lisa-Mia Schaich lebt seit mehr als zehn Jahren mit ihrem Mann und den drei Kindern in Moorburg. Seit zwei Jahren ist sie zudem im Vorstand des BUND, der nun gerade juristisch die Chancen einer Klage gegen die Autobahn prüfen lässt. „Diese Planungen sind größenwahnsinnig“, sagt sie. „Diese Naturzerstörung, die Versiegelung von Flächen.“ Statt Unsummen in die Autobahn zu stecken, könne man gern in Moorburg mal für einen sicheren Radweg sorgen und dafür, dass der Bus abends öfter als alle zwei Stunden fahre.
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Manfred Brandt, den viele Hamburger aus seinem Engagement für die Initiative „Mehr Demokratie“ kennen, ist gebürtiger Moorburger und lebt dort auf einem Obsthof. Er sieht Chancen, dass eine Klage erfolgreich sein könnte. „Die Planung zerstört ganz viel Lebensqualität in Moorburg“, sagt der Agrarwissenschaftler. „Aber sie ergibt auch fachlich überhaupt keinen Sinn“, sagt er. Der Bund werde in Hamburg nicht zwei Querungen im Hafen finanzieren – die A26 Ost und die Köhlbrandquerung ein Stück weiter oben. In diese Richtung habe sich auch der Haushaltsausschuss des Bundes bereits geäußert.
Für die Gegner der Hafenpassage drängt die Zeit. Und wie es aussieht, können sie den Bau nur durch eine Klage oder mit Schützenhilfe aus Berlin stoppen.