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Querdenker, QAnon, Reichsbürger: Mit dieser Technik verbreiten sie ihre Propaganda

Tausende Menschen versammelten sich Anfang August auf der Anti-Corona-Demo in Berlin, am Samstag wollen etwas mehr als 500 sich in der Hamburger City versammeln. Sie organisieren sich digital, tauschen ihre Verschwörungstheorien in sozialen Medien und Messengern aus. Besonders im Blickpunkt: Telegram. Wie gefährlich ist die Plattform geworden? Die MOPO sprach mit einem Politikwissenschaftler, der die Entwicklung des Messengerdienstes erforscht.

Telegram bewegt sich auf der Grenze zwischen sozialem Netzwerk und Messengerdienst. Wie bei Youtube gibt es Kanäle, denen beigetreten werden kann.

Und wie bei WhatsApp auch Gruppen, in denen die Nutzer miteinander chatten können. Während WhatsApp die Größe dabei auf 256 Mitglieder begrenzt, erlaubt Telegram 200.000, in den Kanälen ist die Grenze sogar nach oben offen.

Prominente Telegram-Nutzer: Hildman, Naidoo, Janich, Herman

Josef Holnburger ist Masterstudent für Politikwissenschaft an der Uni Hamburg. Der 31-Jährige beobachtet die rasante Zunahme von Neunutzern und Kanalabonnenten auf Telegram seit Beginn der Corona-Schutzmaßnahmen Mitte März. „Da hatte der Verschwörungsideologe Oliver Janich noch um die 45.000 Abonnenten“, so Holnburger zur MOPO, „mittlerweile ist er bei 130.000“.

Josef Holnburger

Masterstudent Josef Holnburger beobachtet Verschwörungstheorien auf Telegram.

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Neben Janich tauchen auf Telegram so prominente Namen wie Attila Hildmann (70.000), Xavier Naidoo (86.000) oder die ehemalige Moderatorin Eva Herman (140.000) auf. Aber auch deutsche Ableger von amerikanischen Verschwörungsgruppen wie „QAnon“, die US-Präsident Donald Trump verehren.

In der Corona-Krise: Informationshunger führt zum Aufstieg Telegrams

Der Politikwissenschaftler betont zwar, dass die App als Plattform an sich gar nicht gefährlich sei. „Da sie aber Wahlmedium von Menschen ist, die sich gegenseitig in ihren Ideologien bestätigen, wird Telegram so zur radikalen Echokammer.“

Das sieht auch Dr. Katharina Kleinen-von Königslöw, Studiendekanin an der Fakultät für Sozialwissenschaften, Journalistik und Kommunikationswissenschaften der Universität Hamburg, so. „Das Problem ist, dass so viele normale Bürgerinnen und Bürger als Verstärker agieren“, sagt sie im Podcast „Wie ist die Lage?“ der MOPO und der „Gute Leude Fabrik“.

QAnon

Protestschilder von Anhängern der QAnon-Gruppierung.

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Kleinen-von Königslöw forscht zu Fehl- und Falschinformationen, Informations- und Meinungsblasen und meint, dass besonders durch die Unsicherheiten unserer Zeit die Gesellschaft vom Informationshunger geplagt werde.

„In so einer Situation leiten auch eigentlich rationale Menschen emotional aufgeregt Nachrichten weiter, die nicht vertrauenswürdig sind“, so die Studiendekanin, „dadurch bekommt das Ganze ein Volumen, dass größere Teile der Bevölkerung kurz davor sind, sich einen Aluhut zuzulegen.“

Warum Verschwörungstheorien auf Telegram erfolgreich sind

Genau das machen sich die Verschwörungstheoretiker zunutze. Denn in Telegram-Kanälen gibt es keine Kommentarfunktion. Während Facebook und Twitter versuchen, Hetze, Leugnung und Falschinformationen ausfindig zu machen, sie zu eliminieren, kommen die Einbahnstraßen-Inhalte auf Telegram ungefiltert direkt auf das Smartphone und setzen der Meinungsäußerung seiner Nutzer keinerlei Grenzen. Im April 2020 zählte die App laut Aussagen der Betreiber bereits über 400 Millionen Nutzer.

Telegram: Bundesgesundheitsministerium startet eigenen Corona-Kanal

Selbst das Bundesgesundheitsministerium hat jetzt die Kraft des Messengerdienstes für sich entdeckt. Im April wurde ein „Corona-Infokanal“ gestartet. Jedem Nutzer mit deutscher Telefonnummer wurde dieser Kanal vorgeschlagen. „Ich glaube, dass Telegram hier auf verschiedene Regierungen zugegangen ist“, sagt Holnburger, „weil sie gemerkt haben, wie viel Falschinformationen auf ihrem Netzwerk geteilt wurde.“ 

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Für die Zukunft befürchte Holnburger neben einer fortlaufenden Radikalisierung, dass es schwerer sein wird, an die meinungsbildenden Menschen und Mitläufer heranzukommen. Der Dialog ist gefragt. „Es braucht ein privates Umfeld, das ihnen widerspricht“, so Holnburger. 

Im Zuge seiner Forschungsarbeit kooperiert er mit der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin. Insgesamt habe die Kooperation rund 700 aktive Kanäle ausfindig machen können, die wilde Corona-Theorien, Antisemitismus sowie Rassismus verbreiten und vereinzelt sogar zu Gewalt aufrufen.

Video: Warum Verschwörungstheorien in Krisen so gut funktionieren

Holnburger geht in seiner Forschungsarbeit auch deshalb der Frage nach, warum sich rassistische Inhalte mit Verschwörungsideologien vermischen. „Die Verschwörungserzählungen passen immer gut zu den Ansichten rechtsextremistischer Menschen. Ein gutes Volk gegen das vermeintliche Regime, Gut gegen Böse, ein einfaches Narrativ“, sagt Holnburger. 

Wachstum während Corona: Immer mehr QAnon-Gruppen bei Telegram

So seien vor allem neue Gruppen wie „QAnon“, die in den USA bereits als mögliche terroristische Gefahr eingestuft wurden, in der Corona-Zeit explodiert. „Ich halte diese für besonders gefährlich. Das sind krankhafte Trump-Anhänger und sollte Trump nicht wiedergewählt werden, werden sie sich noch mehr radikalisieren.“

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