VIP-Tickets von St. Pauli: Prozess gegen Finanzbeamte sorgt für Aufruhr im Publikum
Wolfgang K. (64) erklärt wortreich seine Unschuld. Monika M. (62) gibt der Anklage unter Tränen recht. Der Vorwurf: Die Finanzprüfer sollen Freikarten für Spiele des FC St. Pauli angenommen haben. Während die Angeklagten am Freitag vor dem Amtsgericht ruhig und bedacht agieren, herrscht im Publikum wütende Stadion-Stimmung.
Wolfgang K. (64) erklärt wortreich seine Unschuld. Monika M. (62) gibt der Anklage unter Tränen recht. Der Vorwurf: Die Finanzprüfer sollen Freikarten für Spiele des FC St. Pauli angenommen haben. Während die Angeklagten am Freitag vor dem Amtsgericht ruhig und bedacht agieren, herrscht im Publikum wütende Stadion-Stimmung.
Die Zuschauerbänke sind dicht mit Finanzbeamten besetzt. Großes Grummeln und wütendes Raunen bereits vor Beginn des Verfahrens: Sie halten den Prozess und den Vorwurf der Vorteilsannahme gegen die Kollegen für eine bodenlose Unverschämtheit. „Und für diesen Staat habe ich mir 30 Jahre den Arsch aufgerissen“, wütet ein Zuschauer.
Hamburg: Prozess gegen Finanzbeamte sorgt für große Emotionen im Publikum
Die Staatsanwältin verliest die Anklage: Der Finanzbeamte Wolfang K. soll ohne Genehmigung seines Dienstherren und ohne dienstliche Veranlassung vier Freikarten vom FC St. Pauli für das Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern am 30. November 2014 erhalten und für sich sowie unbekannte Personen genutzt haben.
Beide Angeklagte sollen zudem mit einem weiteren Betriebsprüfer drei VIP-Freikarten für das Spiel FC St. Pauli gegen den SC Freiburg am 25. Oktober 2015 im Gesamtwert von 501 Euro erhalten und genutzt haben, ebenfalls ohne vorherige Genehmigung. Die Prüfung war da bereits vorbei: Die Angeklagten waren nur im Zeitraum vom 3. November 2014 bis 5. Mai 2015 mit der Betriebsprüfung einer Vermarktungsfirma des FC St. Pauli betraut.
Leidenschaftslos nuschelt der Verteidiger von Wolfgang K. dessen seitenlange Stellungnahme runter. Kern der Aussage: Der Finanzbeamte habe sich keiner Vorteilsannahme schuldig gemacht. Die Betriebsbesichtigung im laufenden Betrieb sei notwendig, um seinen Job gut ausführen zu können.
Warum man dafür auch die Spiele im Stadion schauen müsse, fragt die Richterin. „Im Stadion sieht man aber die Besonderheiten des Vereins, den Einfluss der Fans durch ihre politischen Proteste. Für jeden, der sich nicht mit Fußball auskennt, ist es wichtig das Fan-Verhalten zu sehen und den Ablauf zu verstehen“, erklärt Wolfgang K., Typ Karl Lauterbach. Das habe er der Mitangeklagten Monika M. bei dem Spiel zeigen wollen.
Richterin kann Argumentation des Angeklagten nicht nachvollziehen
Richterin und Staatsanwältin können die Argumentation des Angeklagten trotz etlicher Nachfragen nicht nachvollziehen – sehr zum Verdruss des Publikums. Ein Mann schlägt sich gegen den Kopf, macht abschätzige Bemerkungen über die Staatsanwältin. Irgendwann reicht es der Richterin: „Wenn Sie im Publikum nicht still sind, müssen Sie den Saal verlassen!“
Die Aussage von Monika M. ist der Wendepunkt im Prozess. Sie verliest ihre Stellungnahme selbst, kommt mit dem ersten Satz direkt auf den Punkt: „Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft ist zutreffend.“ Der Verein habe die Prüfer eingeladen. Da sie neu in den Bereich war, habe sie gedacht, es sei als Zeichen der Anerkennung einer erfolgreichen Arbeit zu verstehen, wenn sie teilnehme.
„Ich hätte wissen müssen, dass das nicht richtig war“, sagt sie und ergänzt mit Tränen in den Augen: „Es war der größte Fehler meines Lebens, ich bereue es zutiefst.“ Ihre Welt sei seither eine andere: Sie habe Schlafstörung, brauche Medikamente, könne nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Ihr letzter Satz ist ein eindringlicher Appell: „Bitte geben Sie mir noch eine Chance.“
Plötzlich geht alles ganz schnell. Nach einer kurzen Besprechung äußert sich auch Wolfgang K. noch mal persönlich. Ihm tue es leid, dass seine Kollegin so leide. Dann wird er konkret: „Wir beiden haben einen Vorteil angenommen. Wir hätten es wissen können.“
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Das Urteil: Die Einstellung des Verfahrens gegen beide Angeklagte. Doch die Auflage unterscheidet sich deutlich: Monika M. muss 400 Euro zahlen, Wolfgang K. 5000 Euro, in sechs Raten.