Protest gegen 300 neue Wohnungen – weil Vonovia dahinter steckt
Der Bau von rund 300 neuen Wohnungen in Hamburgs Westen liegt ab sofort auf Eis. Was zunächst nach einer traurigen Nachricht klingt, könnte am Ende das Beste für die Stadt sein. Denn der Bauherr ist äußerst umstritten: Ausgerechnet Vonovia will in Eidelstedt auf einer eigenen Fläche verdichten. Ein Bürgerbegehren hat dem jetzt erst einmal einen Riegel vorgeschoben. Aber endgültig entschieden ist noch nichts.
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Der Bau von rund 300 neuen Wohnungen in Hamburgs Westen liegt ab sofort auf Eis. Was zunächst nach einer traurigen Nachricht klingt, könnte am Ende das Beste für die Stadt sein. Denn der Bauherr ist äußerst umstritten: Ausgerechnet Vonovia will in Eidelstedt auf einer eigenen Fläche verdichten. Ein Bürgerbegehren hat dem jetzt erst einmal einen Riegel vorgeschoben. Aber endgültig entschieden ist noch nichts.
„Dieser Vermieter ist ein großes Problem“, sagt Horst Becker vom Bürgerbegehren „Eisenbahnerviertel retten – Vonovia stoppen“. Ausgerechnet diesem Wohnungskonzern solle die Stadt jetzt nicht sein Grundstück vergolden, indem sie einen Bebauungsplan für 300 zusätzliche Wohnungen im Eisenbahnerviertel am Redingskamp aufstelle. Denn dort hat Vonovia bereits rund 600 Bestandswohnungen und es gebe ständig Ärger.
Eidelstedt wehrt sich gegen neue Wohnungen von Vonovia
Becker schildert: „Die kümmern sich nur um Maßnahmen, die sie voll auf die Miete umlegen können.“ So wie Wärmesanierungen. Wenn hingegen Fenster kaputt seien oder wochenlang der Fahrstuhl nicht funktioniere, dann habe die alte Dame aus dem obersten Stock halt Pech. Denn Instandhaltung ist mit der Miete abgedeckt und lässt sich eben nicht umlegen. Ähnlich erging es Mietern in anderen Hamburger Stadtteilen, die vor Gericht ihr Recht gegen Vonovia erstritten.
Mehr als 2000 gültige Unterschriften hat die Initiative trotz der schwierigen Corona-Bedingungen gesammelt und so einen vorläufigen Stopp der Planung im Bezirk Eimsbüttel erwirkt. Bis Ende April hat sie jetzt Zeit, um die insgesamt nötigen 6245 Unterschriften zu sammeln. Damit wäre das Bürgerbegehren erfolgreich. „Danach wollen wir den Bürgerentscheid“ sagt Horst Becker. Spielraum für Verhandlungen mit der Politik im Bezirk Eimsbüttel sieht er nicht. „Wenn die uns nun eine Reduzierung auf 150 Wohnungen anbieten, das würden wir nicht annehmen.“
Die Eidelstedter wehren sich nicht nur gegen den umstrittenen Vermieter Vonovia. Sie fühlen sich von der Baupolitik des Senats überrannt. „Hier wurden in den vergangenen Jahren Wohnungen für 3000 bis 4000 neue Bewohner gebaut“, so Becker. „Die Hamburger Politik packt die Leute da hin, wo der Widerstand am geringsten ist.“ Er befürchtet langsam eine „Verslummung“ des Stadtteils, der von 29.000 auf 33.000 Einwohner gewachsen sei.
Die Infrastruktur wachse mit der steigenden Bevölkerung vor Ort überhaupt nicht mit. Es gebe nicht ausreichend Kitas, Schulen oder Ärzte. Auch der Bau einer Flüchtlingseinrichtung am Hörgensweg habe für Probleme gesorgt. „Integration wird immer schwieriger, auch in den Schulen“, sagt Becker, der bis vor einigen Jahren Mitglied der Grünen war und auch schon für sie in der Bürgerschaft saß. Überhaupt ist die Initiative politisch breit aufgestellt. Zu den Vertrauensleuten gehören auch der Polizeigewerkschafter Uwe Kossel, der für die SPD in der Bürgerschaft saß und Frank Döblitz von der Eidelstedter CDU.
Die SPD hat nach eigenen Aussagen bereits zweimal beantragt, das Bebauungsplan-Verfahren einzustellen. Unterstützung kam von FDP, Linken und AfD. Sie wurden aber von Grünen und CDU überstimmt. Seit die grün-schwarze Koalition Ende des Jahres zerbrochen ist, wird mit wechselnden Mehrheiten regiert. Es könnte also Bewegung in die Sache kommen.
Hamburg: SPD in Eimsbüttel gegen Deal mit Vonovia
SPD-Fraktionschef Gabor Gottlieb sagt: „Das Quartier ist nicht einfach, eine Verdichtung mit Vonovia schwer vorstellbar.“ Die Gebäude des Konzerns im Eisenbahnerviertel seien zum Teil sehr heruntergekommen. „Es gibt berechtigte Zweifel an deren Vermietungspraxis.“ Die soziale Infrastruktur komme in Eidelstedt auch nicht mit. „Die Schulen vor Ort sind voll, einen geeigneten Platz für weitere Schulen gibt es nicht.“
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Der Hamburger Mieterverein berichtete in der Vergangenheit über Mietsteigerungen von bis zu 55 Prozent bei Vonovia. Hinzu kämen unhaltbare Zustände bei Baumaßnahmen, unklare Betriebskosten, verschleppte Mängelbeseitigung, verweigerte Mietminderung und eine Hotline, über die nur schwer jemand zu erreichen sei.
Rund eine Million Menschen wohnen deutschlandweit in Wohnungen, die dem umstrittenen Immobilien-Konzern Vonovia mit Sitz in Bochum gehören. Damit ist Vonovia der bundesweit größte private Wohnungsvermieter. Allein in Hamburg hält der börsennotierte Konzern 12.000 Wohnungen. Berlin hat gerade beschlossen, die Wohnungen von Vonovia in der Stadt aufzukaufen, um mehr Einfluss auf dem Wohnungsmarkt zurückzugewinnen.