„Setzt die Präsenzpflicht aus!“: Eltern von Kindern mit Behinderungen in Sorge
Tobias Joneit (45) aus Tonndorf ist Vater von zwei Söhnen und im Vorstand des Hamburger Kreiselternrats der Sonderschulen. Der jüngere Sohn, Till, hat eine Behinderung und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Wie für viele Kinder an Sonderschulen sind die Corona-Regeln für den Zwölfjährigen kaum umsetzbar. Die Eltern schicken ihre Kinder derzeit nur mit großem Unbehagen in die Schulen, sie fordern: „Setzt die Präsenzpflicht aus!“
„Er lebt im Moment“, sagt Vater Tobias Joneit über Tills Wahrnehmung der Welt. Der Zwölfjährige benötigt im Alltag Unterstützung zum Beispiel bei den Mahlzeiten oder beim aufrechten Sitzen und Stehen. Vor der Pandemie ist Till jeden Morgen im Schulbus zur Sonderschule Paracelsusstraße in Rahlstedt gefahren. Dort besucht er das 7. Schuljahr. Lehrkräfte und Erzieher:innen arbeiten mit Till zum Beispiel in Physiotherapien an seiner Selbständigkeit. Dann kam die Pandemie.
„Er ist ein sehr fröhliches Kind und genießt auch Gesellschaft, aber er versteht zum Beispiel nicht, warum er einen Corona-Test machen soll und ihm da ein Stäbchen in die Nase gesteckt wird. Dagegen will er dann angehen und man muss ihn festhalten, das ist für uns alle nicht schön“, sagt Tobias Joneit.
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Tobias Joneit (45) aus Tonndorf ist Vater von zwei Söhnen und im Vorstand des Hamburger Kreiselternrats der Sonderschulen. Der jüngere Sohn, Till, hat eine Behinderung und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Wie für viele Kinder an Sonderschulen sind die Corona-Regeln für den Zwölfjährigen kaum umsetzbar. Die Eltern schicken ihre Kinder derzeit nur mit großem Unbehagen in die Schulen, sie fordern: „Setzt die Präsenzpflicht aus!“
„Er lebt im Moment“, sagt Vater Tobias Joneit über Tills Wahrnehmung der Welt. Der Zwölfjährige benötigt im Alltag Unterstützung zum Beispiel bei den Mahlzeiten oder beim aufrechten Sitzen und Stehen. Vor der Pandemie ist Till jeden Morgen im Schulbus zur Sonderschule Paracelsusstraße in Rahlstedt gefahren. Dort besucht er das 7. Schuljahr. Lehrkräfte und Erzieher:innen arbeiten mit Till zum Beispiel in Physiotherapien an seiner Selbständigkeit. Dann kam die Pandemie.
Schule in der Pandemie: Corona-Tests und Maskenpflicht
„Er ist ein sehr fröhliches Kind und genießt auch Gesellschaft, aber er versteht zum Beispiel nicht, warum er einen Corona-Test machen soll und ihm da ein Stäbchen in die Nase gesteckt wird. Dagegen will er dann angehen und man muss ihn festhalten, das ist für uns alle nicht schön“, sagt Tobias Joneit.
Sein Sohn könne auch keine Maske tragen. „Wenn ich ihm eine aufsetze, dann würde er sie sich vom Gesicht reißen.“ Der 45-Jährige engagiert sich im Kreiselternrat der Sonderschulen. Die Eltern haben kürzlich eine Mitteilung veröffentlicht, in der sie die Aussetzung der Präsenzpflicht fordern.
Eltern fordern Aussetzung der Präsenzpflicht
„Unsere Forderung entstand, nachdem wir festgestellt haben, wie die Zahlen an den Schulen stiegen und dass auch immer mehr Personal wegfällt“, sagt der 45-Jährige. „Aber von der Schulbehörde gab es gar keine Reaktion darauf, es hieß immer: Kinder sind keine Treiber der Pandemie.“ Laut aktuellen Zahlen der Sozialbehörde gab es in der Gruppe der 6- bis 14-Jährigen in Kalenderwoche fünf 8334 Neuinfektionen – die höchste Zahl aller Altersstufen.
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Den Eltern ist allerdings wichtig, dass der Präsenzunterricht nur ausgesetzt und die Schulen nicht komplett geschlossen werden. Denn für manche Kinder mit Behinderungen sind gerade feste Strukturen entscheidend. Die Eltern wollen die „gelebte Praxis in den Schulen legalisieren“. Momentan läuft vieles über individuelle Absprachen.
Schlechtes Gewissen, den Sohn zur Schule zu schicken
Till geht an drei Tagen die Woche in die Schule und bleibt an zwei Tagen zu Hause. „Meine Frau und ich arbeiten hauptsächlich im Home Office und betreuen ihn währenddessen“, sagt Joneit. „Aber wir haben echt ein schlechtes Gewissen ihn überhaupt hinzuschicken.“ Mit Genehmigung der Schulleitung dürfen Kinder in Einzelfällen auch das Testen aussetzen.
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Tills Eltern haben vereinbart, dass er nur „punktuell“ Tests machen muss. „Wir versuchen eine Balance zu finden, zwischen dem, was er verkraftet und dem, was sinnvoll ist“, sagt der Vater. Das Gefühl, dass sich die Behörden hingegen kaum für ihre Belange interessiert, hat er auch an anderer Stelle.
Pandemie: Hamburger Eltern in ständiger Sorge
Einmal hatte sich ein anderes Kind mit Corona infiziert, dass mit Till im Schulbus saß. Die beiden waren die einzigen, die keine Maske tragen konnten. „Dass zwei Kinder mit Behinderung ohne Maske zusammen Busfahren müssen, hat beim Gesundheitsamt auch niemanden interessiert“, sagt Joneit. Sein großer Sohn, Torben, besucht die 9. Klasse eines Gymnasiums.
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Alle in der Familie sind dreifach geimpft, um den 15-Jährigen machen sich die Joneits deshalb keine größeren Sorgen. „Er kann sich äußern, wenn ihm etwas fehlt“, sagt Vater Tobias. „Der Kleine hat zwar ein gutes Immunsystem, aber er kann nicht zeigen, wenn er Schmerzen hat. Wir wollen es einfach möglichst vermeiden, dass er sich irgendwo ansteckt.“