Krank nach der Corona-Impfung: „Als hätte jemand einfach auf Pause gedrückt“
Lena S. teilt ihr Leben in Prä- und Post-Vakzin ein: Vor der Impfung vor 23 Monaten war die 40-Jährige eine sportliche, beruflich erfolgreiche Frau, die gern Freunde zum Essen einlud und Ausflüge machte. Danach begann für sie ein Leidensweg, bis endlich die Diagnose gestellt wurde: ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom). Der Verlust ihrer Eigenständigkeit und das Gefühl, als Impfgeschädigte nicht ernst genommen zu werden, sind seither Teil ihres Lebens. Wie hält sie das aus?
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Lena S. teilt ihr Leben in Prä- und Post-Vakzin ein: Vor der Impfung vor 24 Monaten war die 40-Jährige eine sportliche, beruflich erfolgreiche Frau, die gern Freunde zum Essen einlud und Ausflüge machte. Danach begann für sie ein Leidensweg, bis endlich die Diagnose gestellt wurde: ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom). Der Verlust ihrer Eigenständigkeit und das Gefühl, als Impfgeschädigte nicht ernst genommen zu werden, sind seither Teil ihres Lebens. Wie hält sie das aus?
Als Lena S. (Name auf ihren Wunsch von der Redaktion geändert) plötzlich vom Fahrrad fällt, ist sie gerade auf dem Weg zum Friseur. „Es passierte wie in Zeitlupe, meine Beine wurden auf einmal taub. Als hätte jemand einfach auf Pause gedrückt. Ich konnte mir selbst dabei zusehen, wie ich langsam umfalle.“ Das war im Sommer 2021, wenige Wochen nach ihren zwei Corona-Impfungen, die sie im Abstand von sechs Wochen bekommen hatte.
Lena S. führte bis zur ersten Impfung ein aktives Leben. Die heute 40-Jährige war sehr sportlich, liebte Joggen und Stand-Up-Paddling. „Ich war einfach viel unterwegs, konnte Freunde treffen, reisen.“ Das ist heute anders. Ein Arzt diagnostizierte bei Lena S. das Post-Vak-Syndrom, ein Sammelbegriff für langandauernde Long-Covid-ähnliche Beschwerden nach einer Impfung. Darüberhinaus leide sie unter der Multi-Organ-Krankheit ME/CFS.
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Sie sitzt an ihrem Küchentisch und lächelt. Immer wieder sagt Lena S., man müsse das alles sportlich sehen, doch man spürt, da ist auch eine Verzweiflung – und Trauer um das alte Leben. Wie sehr ihre Erkrankungen ihr Leben seit 24 Monaten bestimmen, sieht man an der großen Menge an Medikamenten, die neben ihr steht. Bis sie überhaupt die richtigen Mittel gefunden hat und Ärzte, die sie ernst nehmen – das hat gedauert.
Zusätzlich wurde bei S. eine Polyneuropathie, also eine Nervenstörung in Beinen und Händen diagnostiziert, sowie eine Stoffwechselerkrankung festgestellt. Nichts davon hatte sie vor dem 13. Juli 2021, sagt sie, dem Tag, an dem sie sich im Impfzentrum in Hamburg Moderna hat spritzen lassen. „Ich hatte keinerlei Vorerkrankungen. Ich war sogar zufällig zu einem Check-up beim Hausarzt direkt vor der Impfung – da war nichts Ungewöhnliches.“
Post-Vak: Nur Stunden nach der Impfung erste Beschwerden
Gemerkt, dass etwas nicht stimmt, hat sie quasi sofort nach der ersten Impfung. Nur drei Stunden, nachdem sie vom Impfzentrum nach Hause geradelt war, fing ihr Körper an zu kribbeln, ihre Gelenke wurden steif, „es fühlte sich an, wie ich mir Rheuma vorstelle“, sagt S. Noch am selben Abend geht sie in eine Notfallpraxis und bittet um Hilfe.
Dort schickt man sie mit einem Rezept für ein Antibiotikum wieder nach Hause. Obwohl die Schmerzen nicht weggehen und sie immer wieder taube Finger hat, entschließt sie sich sechs Wochen später, sich auch das zweite Mal impfen zu lassen, wieder mit Moderna. „Da hatte ich allerdings ein wenig Bauchschmerzen dabei“, sagt sie heute. Danach verschlimmerte sich ihr Zustand.
Freunde fangen an, sich Sorgen um sie zu machen. „Ich war einfach permanent so erschöpft und merken konnte ich mir auch nichts mehr wirklich.“ Als sie eines Abends Nasenbluten bekommt, das einfach nicht mehr aufhört, ruft eine Freundin den Notarzt. Fünf Tage ist S. stationär im AK Altona, und obwohl sie das Gefühl hat, dass die Ärzte ihr glauben, als sie das erste Mal das Wort „Impfschäden“ ausspricht, wird ihr nicht wirklich geholfen. „Mein Eindruck war nicht, dass mir die Ärzte nicht helfen wollen, sondern dass sie es nicht können.“
In ganz Deutschland gibt es nur eine Post-Vak-Ambulanz – mit langen Wartezeiten
Damit hat sie wahrscheinlich recht. Es gibt ein Jahr nach der Pandemie in Deutschland genau eine Post-Covid-Ambulanz, die auch Impfschäden behandelt und zwar an der Uniklinik Marburg. Geleitet wird sie durch Professor Dr. Bernhard Schieffer. Die Ambulanz wurde im Frühjahr 2021 ins Leben gerufen.
Ob auch Lena S. zu den seltenen Fällen gehört, die nach einer Impfung gegen Covid erkrankten, will Professor Schieffer am Telefon nicht beurteilen. Dass es Impfschäden gibt, schließt der Kardiologe allerdings nicht aus.
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Schieffer betont, dass die Anzahl der tatsächlichen Patienten immer noch gering sei. Trotzdem sagt er: „Was ich mir wünschen würde: Man hätte unverblümt und deutlich sagen müssen, diese Impfung hat Nebenwirkungen. Wenn sie viele Millionen impfen, dann steigt die Inzidenz, also die Wahrscheinlichkeit, dass Nebenwirkungen zu einer ähnlichen Zeit sichtbar werden. Diese Schäden müssen konstruktiv aufgearbeitet werden mit den nötigen Forschungsgeldern.“
Immer noch gibt es keine Antwort darauf, wer Impfschäden bekommt und wer nicht
Die Frage, wer nun Impfschäden bekommt und wer nicht, die ist immer noch nicht wirklich beantwortet. Seine Arbeit habe nichts mit dem Nachweis eines Impfschadens zu tun, „sondern vielmehr mit dem Versuch der Erklärung, warum einige Patienten nach einer Impfung leiden und andere nicht,” sagt Schieffer.
Klar ist nur: Die Beschwerden der Patienten sind so vielfältig, dass in Marburg beispielsweise ein interdisziplinäres Team aus Kardiolog:innen, Lungenärzt:innen, Nervenärzt:innen und Psycholog:innen arbeitet. Die Warteliste in der Ambulanz ist übrigens lang: Etwa 7400 Patient:innen warten auf einen Termin.
Nur im abgedunkelten Zimmer liegen, mehr geht nicht
Lena S. schätzt, dass sie in den vergangenen knapp zwei Jahren 50 Mal beim Arzt war, bevor sie endlich eine Diagnose bekommen hat. Ihr Leben ist stark eingeschränkt. Obwohl ihr damals bei dem Fahrradunfall nichts passiert ist, steht das Rad seitdem unbenutzt im Keller, auch Auto zu fahren traut sie sich nicht mehr, da sie sich nicht darauf verlassen kann, dass ihre Hände und Beine durchgehend funktionieren. Sie ist außerdem sehr licht- und geräuschempfindlich. „Es gibt Tage, da kann ich einfach nur im abgedunkelten Zimmer liegen, mehr geht nicht.“
Wie hält sie das alles aus? „Ich habe großes Glück, denn ich werde aufgefangen durch meinen Partner und meine engsten Freunde. Ohne die Hilfe von meinem Umfeld hätte ich die letzten 24 Monate nicht geschafft“, sagt sie. Und: Sie hat sich aktiv Hilfe gesucht, ist Teil einer deutschlandweiten Betroffenengruppe sowie einer Selbsthilfegruppe in Hamburg. Der Austausch dort hilft, mit der Frustration umzugehen.
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Was wünscht sie sich, außer wieder gesund zu sein oder zumindest ihre Eigenständigkeit zurückzuerlangen? „Solidarität“, kommt es von ihr wie aus der Pistole geschossen, „so, wie viele von uns sich solidarisch haben impfen lassen, so erwarte ich heute, dass man mit Post-Vak-Betroffenen solidarisch umgeht. Bisher gibt es für uns keinerlei Unterstützung. Ein Anlaufpunkt in Hamburg wäre da schon ein Anfang.“