Post Covid: Sport-Studentin Paula (27) kann sich kaum noch bewegen
Seit elf Monaten ist im Leben von Paula (27) aus Wilhelmsburg nichts mehr, wie es war. Die hübsche Sport-Studentin, die sich früher viel bewegte und Rennrad fuhr, kann sich kaum noch rühren. Oft liegt sie wochenlang im Bett. Ihr Studium musste sie unterbrechen. Ihre größte Angst: „Dass ich niemals das Leben zurückkriege, das ich einmal hatte.“
Seit elf Monaten ist im Leben von Paula (27) aus Wilhelmsburg nichts mehr, wie es war. Die hübsche Sport-Studentin, die sich früher viel bewegte und Rennrad fuhr, kann sich kaum noch rühren. Oft liegt sie wochenlang im Bett. Ihr Studium musste sie unterbrechen. Ihre größte Angst: „Dass ich niemals das Leben zurückkriege, das ich einmal hatte.“
Paula leidet an Post Covid. Oder genauer: am Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS ). Die Krankheit, die sich vor allem durch einen schweren Erschöpfungszustand ausdrückt, kann als Folge von verschiedenen Virusinfektionen auftreten. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie haben die Fallzahlen massiv zugenommen.
Bekannte Fälle sind die Autorin Margarethe Stokowski oder die Politikerin Marina Weisband. In seltenen Fällen kann das Fatigue-Syndrom auch durch eine Corona-Impfung ausgelöst werden. Sowohl die Infektion als auch die Spritze können Ursache sein.
Kaum erforscht: Das Chronische Fatigue-Syndrom wird oft mit einer Depression verwechselt
Wie viele Menschen tatsächlich an der Krankheit leiden, lässt sich nicht feststellen. Schätzungen gehen von 300.000 bis 500.000 Betroffenen in Deutschland aus. Problem: Die Krankheit ist weitgehend unerforscht. Oft wird sie mit einer Depression verwechselt. Für die Betroffenen ist das schlimm: Sie fühlen sich nicht ernst genommen.
Auch Paula ging es so. „Meine Ärztin wollte mich zum Psychologen schicken“, erzählt die 27-Jährige. Später verschrieb sie der Studentin eine Physiotherapie. „Doch dadurch wurde alles noch viel schlimmer“, sagt Paula. Die Übungen waren viel zu anstrengend, der Körper der Studentin wurde nur noch mehr geschwächt.
Seit elf Monaten geht es in Schüben immer weiter bergab. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Viel Hoffnung hat Paula auch nicht. Sie hat sich der Selbsthilfegruppe „Nicht Genesen“ angeschlossen, zu der Menschen gehören, bei denen die Infektion noch weiter zurück liegt als bei Paula und bei denen es ebenfalls nur einen steten Abwärtstrend gibt.
Paula infizierte sich in einer Kita mit Covid 19. Die Probleme traten erst später auf
Was Paula nicht fassen kann: Die Infektion selbst lief völlig symptomfrei! „Ich hab damals in einer Kita gearbeitet. Dort haben wir uns regelmäßig getestet“, erinnert sie sich. Als ihr Ergebnis positiv war, sei sie völlig überrascht gewesen. Denn sie hatte keine Kopfschmerzen, kein Fieber, keinen Schnupfen oder Husten. Da sie mit Biontech geimpft war, schloss Paula auf einen milden Verlauf. Erst zwei Monate später begannen die Probleme.
„Ich hatte starke Muskelschmerzen und keine Energie mehr. Ich konnte es überhaupt nicht zuordnen.“ Als die Symptome nicht weggingen, ging Paula zum Arzt. Doch weder Blutbild, Herz-Ultraschall, noch MRT brachten ein eindeutiges Ergebnis. Nur die Symptomkonstellation ermöglicht bisher den Rückschluss auf ME/CFS. Da bei Paula alle Faktoren passten, gaben die Ärzte ihr die Diagnose. Nur: Machen kann man da nichts. Es gibt keine Therapiemöglichkeiten und in Hamburg auch nur eine einzige Anlaufstelle: die Post Covid-Ambulanz der Asklepios-Klinik Nord.
„Die ist aber schon lange voll. Sie nehmen niemanden mehr auf“, sagt Paula. „Die Ärzte kennen sich mit ME/CFS nicht aus und können uns nicht helfen. Wir fühlen uns alleine gelassen.“ Deshalb fordern Paula und die anderen Betroffenen von „Nicht Genesen“ die Politik nun auf, mehr Geld in die Forschung zu stecken. „Für die Impfungen gab es auch Sondermittel. Die Unikliniken brauchen jetzt Geld, damit Forschungsprojekte und Medikamentenstudien durchgeführt werden können.“
Patientenorganisation fordert von der Politik Geld für die Forschung zu ME/CFS
Wenn nichts geschieht, so die Befürchtung der Patientenorganisation, könnten die Folgen auch zur gesellschaftlichen Belastung werden. Denn viele Betroffene sind dauerhaft krank geschrieben. Nicht wenige werden berufsunfähig. „Wir wollen alle gerne arbeiten. Aber wir können nicht“, sagt Ricarda Piepenhagen, Lehrerin und Gründerin von „Nicht genesen“, der rund 9000 Betroffene angehören.
Laut Piepenhagen gehören dazu Ärzte, Pfleger, Lehrer, Bäcker, Mechatroniker, Lageristen, Auzubis, sogar ein Mönch. Einige von ihnen waren nicht geimpft und bekamen trotzdem ME/CFS. „Wir tragen ungewollt zum Fachkräftemangel in Deutschland bei. Hier muss dringend etwas geschehen.“

Die Berliner Ärztin Carmen Scheibenbogen bestätigte in der „Tagesschau“ die Dringlichkeit: „Die Erkrankung wurde bislang nicht gut erforscht. Und dazu gehört auch, dass weltweit kaum Therapiestudien durchgeführt wurden und es bis heute keine Medikamente gibt, mit denen wir die Erkrankung gezielt behandeln können und damit auch Heilung ermöglichen würden.“ Aktuell sei nur eine Symptom-Behandlung möglich, also Tabletten gegen die bei ME/CFS auftretenden Schlafstörungen oder Kreislaufprobleme.
Hoffnung auf ein Medikament: Charité will klinische Studien durchführen
An der Charité habe man bereits eine klinische Plattform aufgebaut, um möglichst bald erste Medikamentenstudien durchführen zu können. Scheibenbogen: „Was es ganz dringend braucht, sind sogenannte Therapiestudien, denn wir können Medikamente nur dann für eine Erkrankung einsetzen, wenn sie auch in klinischen Studien Wirksamkeit gezeigt haben und dann am Ende eine Zulassung bekommen.“
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In ihrer Verzweiflung versucht Paula es mittlerweile mit Selbstmedikation. Sie hat es mit Nahrungsergänzungsmitteln, Entspannungsmethoden oder Homöopathie versucht. Nichts half. „Ich habe schon viel Geld ausgegeben. Da wird man immer verzweifelter“, sagt die 27-Jährige. Ob sie ihr Studium jemals wieder aufnehmen kann, steht in den Sternen. Aktuell kann Paula nicht mal Einkaufen gehen. Die fünf Stockwerke aus der Dachgeschosswohnung, in der sie lebt, bis runter auf die Straße schafft sie nicht. Ohne ihren Mitbewohner wäre sie aufgeschmissen. Die psychische Belastung – nach elf Monaten Erschöpfung ohne Aussicht auf Besserung ist sie wirklich da.