Personalmangel, Psycho-Druck, Angriffe auf Beamte: In „Santa Fu“ ist die Hölle los
Die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, besser bekannt als „Santa Fu“, funken SOS: Immer mehr Aufgaben müssten von immer weniger Leuten bewerkstelligt werden. Teils würden bis zu vier Stationen von nur einer Person beaufsichtigt – oft sogar von einem Azubi. Auch die Gewerkschaft schlägt Alarm. Sie spricht von einer steigenden Zahl psychisch auffälliger Häftlinge – und von immer mehr Angriffen auf das Personal.
Die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, besser bekannt als „Santa Fu“, funken SOS: Immer mehr Aufgaben müssten von immer weniger Leuten bewerkstelligt werden. Teils würden bis zu vier Stationen von nur einer Person beaufsichtigt – oft sogar von einem Azubi. Auch die Gewerkschaft schlägt Alarm. Sie spricht von einer steigenden Zahl psychisch auffälliger Häftlinge – und von immer mehr Angriffen auf das Personal.
Die Sicherheit im Gefängnis, in dem beinahe ausschließlich Verbrecher wie Drogendealer, Betrüger und Mörder sitzen, sei stark beeinträchtigt, genauso wie die Ordnung. Das sagt ein Beamter, der schon seit zwei Jahrzehnten in „Santa Fu“ arbeitet. Er möchte anonym bleiben, genau wie ein jüngerer Kollege, der sagt: „Die Situation hat nicht nur Einfluss auf die Sicherheit, sondern auch auf uns. Viele fühlen sich unwohl, sind unmotiviert oder melden sich krank.“
„Selbst erfahrene Beamte stoßen an ihre Grenzen“
Letzteres habe auch Auswirkungen auf die personelle Lage, denn: es sind viel weniger Leute eingesetzt als eigentlich nötig. So müssten Beamte in aller Regel mindestens zwei Stationen beaufsichtigen, oft sogar drei oder vier. „Weil so wenig Personal da ist, müssen auch Anwärter (Azubis), die nicht annähernd ausreichend eingearbeitet sind, diese Aufgaben übernehmen.“ Darunter leide auch deren Ausbildung.
Dabei sind Anwärter ohnehin Mangelware, da „Santa Fu“ als unbeliebtester Knast Hamburgs gilt. „Da steht dann ein 20-Jähriger vor einem Häftling, der 30 Jahre auf dem Kerbholz hat. Vor so einer Persönlichkeit müssen junge Kollegen Entscheidungen treffen, wo selbst erfahrene Beamte an ihre Grenzen stoßen“, sagt Sascha Möbius, Sprecher der LVHS, der Gewerkschaft der Bediensteten des Justizvollzugs.

Auch Möbius beobachtet eine vor allem durch Krankheitsfälle angespannte Lage in Fuhlsbüttel, die „eigentlich noch viel schlimmer“ sein könnte. Vor allem der psychische Druck sei „exorbitant gestiegen“. Man müsste den Personalbestand anheben, aber: „Man kann der Behörde nicht absprechen, dass sie es nicht versuchen würde. Was fehlt, ist die letzte Konsequenz des Hamburger Senats, Verbesserungsvorschläge auch umzusetzen. Denn die Wahrheit ist: Wir kriegen die Jahrgänge einfach nicht voll.“
„Die Gesellschaft muss erkennen, wie wichtig unser Job ist“
Möbius zufolge seien die Arbeitsumstände vielen einfach zu unattraktiv. Es bringe nichts, wenn man während der Ausbildung fast so viel verdiene wie danach. Er hoffe auf Tarifverhandlungen. Und: „Die Gesellschaft muss erkennen, wie wichtig unser Job ist.“
Dass Personal fehlt und Bereiche zeitweise gar nicht bewacht werden, kriegten auch die Häftlinge mit, so die zwei Beamten. „Das führt dazu, dass Regeln gebrochen werden, man aber keinen Schuldigen zuordnen kann, weil man selber ja nicht anwesend war.“ Dazu seien Häftlinge immer respektloser, weil sie das Gefühl hätten, dass keine Strafe drohe. „Beinahe täglich kommt es zu Konflikten zwischen Personal und Gefangenen, auch tätlicher Natur.“
Möbius bestätigt, dass auch ihm eine erhöhte Zahl von Übergriffen gemeldet wurde und ergänzt, dass immer mehr Häftlinge auch psychisch auffällig sind. Das liege daran, dass in „Santa Fu“ auch Männer untergebracht sind, die eigentlich in den Maßregelvollzug gehören, von Fachpersonal behandelt und medikamentös eingestellt. Doch in den Psychiatrien fehle der Platz. „Weil sie nicht auf der Straße sein dürfen, landen sie in Gefängnissen.“

Den Beamten zufolge kommen weitere gravierende Probleme dazu: Durch den Personalmangel finde keine Resozialisierung oder Suizidprävention statt, auch Kontrollen der Hafträume litten darunter. „Normale“ Gefangene säßen in Isolationshaft, weil Platz fehle. Nicht richtig eingearbeitete Anwärter kämen mit Computersystemen nicht klar und würden teils Häftlinge um Rat fragen. Diese wiederum hätten so Zugriff auf sensible Daten, darunter Beurteilungsbögen. Die Beamten: „Unsere Arbeit beschränkt sich gerade nur auf die Verwahrung von Gefangenen und Erledigungen von simplen Nebenaufgaben. Mehr geht nicht.“
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Ein Anwalt, der täglich in der Anstalt ist, ergänzt, dass selbst Abteilungsleiter hingeschmissen hätten, weil auch sie diverse Stationen betreuen müssen. „Insassen müssten eigentlich nach sechs Wochen einen Resozialisierungplan kriegen. Der kommt immer später.“ Er bemängelt zudem, dass es zu wenig Plätze für Kurse im Vollzugsplan gebe – teils würden nur acht Plätze seitens der Anstalt angeboten. „Ein Unding“, so der Anwalt.
Ein Häftling berichtet, dass es „eine Ewigkeit“ dauere, bis jemand komme, wenn man den sogenannten Notknopf in der Zelle betätigt habe. „Man sieht oft zwei Stunden keinen. Wenn ein Notfall vorliegt, bist du am Arsch.“ Er moniert, dass auch keine Ausgänge stattfänden. Die medizinische Versorgung sei „mangelhaft“, die Versorgung rudimentär.
Das sagt die Justizbehörde zu den Vorwürfen
Die Justizbehörde bestätigt auf MOPO-Anfrage, dass die Personalsituation in „Santa Fu“ angespannt sei, dass es zeitweise zur Übernahme von einer oder mehreren Stationen durch Bedienstete komme. Dies sei aber üblich und eingeplant. „Es ist zutreffend, dass die JVA Fuhlsbüttel eine hohe Fehlzeitenquote aufweist“, so ein Sprecher. An dem Problem arbeite man aktuell.
Die Resozialisierung und die Suizidprävention litten allerdings nicht unter dem Personalmangel. Auch die Sicherheit innerhalb der Anstalt sei gewährleistet. Man wolle schnell Lösungen wegen der Mehrbelastung für die Mitarbeiter finden. Dass für viele Anwärter „Santa Fu“ unattraktiv sei, hänge mit verschiedenen Faktoren zusammen. Die Zuweisung des Personals orientiere sich aber stets am Bedarf. Die medizinische Versorgung entspräche der von gesetzlich Versicherten außerhalb der Anstalt; sie sei teils sogar schneller. Auch in Notfällen sei ein „unverzügliches Handeln“ gewährleistet.
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Zum Vorwurf des mangelnden Kurs-Angebots sagt der Sprecher, dass neue Trainer rekrutiert worden seien und man fürs nächste Jahr zwei Durchgänge pro Jahr anbieten wolle, die perspektivisch aufgestockt werden könnten. Dass die Kurse auf acht Teilnehmer begrenzt seien, habe therapeutische Gründe. Im Hinblick auf die Erreichung der Ziele des Sozialen Trainings habe sich dies als ideale Gruppengröße herausgestellt.
Nur auf dem ersten Blick überraschend: Seit 2019 nahm die Zahl der Mitarbeiter stetig zu. Arbeiteten im Dezember 2019 noch 254 Menschen in „Santa Fu“, waren es in diesem Juni 278. Theoretisch – wären da nicht die vielen Krankheitsausfälle. Dazu kommen Ehrenamtliche, die verschiedene Kurse anbieten, so die Justizbehörde. Von den insgesamt 386 Haftplätzen seien 367 belegt. Aus der Anstalt hört man Gegenteiliges: „Hier ist keine Zelle mehr frei.“