Polizeikontrolle auf dem Kiez: „Man, die Pulle hab‘ ich mir doch grad gekauft“
Samstagabend, kurz nach Mitternacht im S-Bahnhof Reeperbahn: Hunderte strömen aus dem Zug, wollen die Bahnsteige in Richtung Kiez verlassen. Sie sind gut gelaunt, viele angetrunken – und einige auch bewaffnet. Für sie endet die Nacht, die gerade erst starten sollte, in einer Polizeikontrolle. Die MOPO war mit dabei und hat die Kontrollen beobachtet – und ist dabei Zeuge von so manch skurriler Situation geworden.
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Samstagabend, kurz nach Mitternacht im S-Bahnhof Reeperbahn: Hunderte strömen aus dem Zug, wollen die Bahnsteige in Richtung Kiez verlassen. Sie sind gut gelaunt, viele angetrunken – und einige auch bewaffnet. Für sie endet die Nacht, die gerade erst starten sollte, in einer Polizeikontrolle. Für die Beamten der Bundespolizei, die beobachten, dass immer häufiger Messer getragen und eingesetzt werden, ist die Kontrolle Alltag und Abwägung zugleich: Wo lauert die Gefahr?
Vor Mitternacht ist es noch verhältnismäßig ruhig. Die meisten Menschen, die hier in Richtung Bahntunnel laufen, sind Touristen: Einmal den glitzernden und leuchtenden Kiez sehen, dann wieder ins Hotel. Nur wenige sind schon im Partymodus, grölen, schreien, singen und sind laut.
Frau redet wirres Zeug. Beamter: „Die kennen wir schon“
Eine Frau kommt die Treppen hoch. Ihr Äußeres: verlebt. Ihre Sprache: derbe. Als sie aus dem Kiosk kommt, wo sie sich mit Alkohol eingedeckt hat, redet sie in Richtung der Bundespolizisten, die die Ausgänge kontrollieren, wirres Zeug wie „Kopf abschneiden“ und „Geschnetzeltes“. Dann verlässt sie den Bahnhof. Ein Beamter: „Die kennen wir schon.“
Die Bundespolizei hat an diesem Abend eine unangekündigte Kontrollstelle eingerichtet, überprüft an beiden Enden des Bahnhofs Reisende auf Waffen und Glasflaschen. Der Kiez ist seit 2007 ein sogenanntes Waffenverbotsgebiet; Schusswaffen, Messer, aber auch Glasflaschen, die als Waffe eingesetzt werden könnten, sind verboten. Es drohen Strafen von mehreren hundert Euro oder sogar ein Ermittlungsverfahren.
70 Beamte sind im Einsatz, der Großteil der MKÜ (Mobile Kontroll- und Überwachungseinheit) kommt aus Hannover; Hamburger Kräfte sind seit Wochen – wegen der langen Wartezeiten bei den Sicherheitskontrollen – am Flughafen in Fuhlsbüttel gebunden. Oberhalb des Bahnhofs, auf der Reeperbahn, kontrollieren Beamte der Landespolizei. Ein „abgestimmter und gemeinsamer Schwerpunkteinsatz“, wie Woldemar Lieder, Sprecher der Bundespolizei, sagt.
„Man, die Pulle hab‘ ich mir doch grad gekauft“
Im Fünf-Minuten-Takt steigen Kiezgänger aus den S-Bahnen. Je später es wird, desto lauter sind sie. Unter ihnen sind welche, die Junggesellen-Abschiede feiern. Teenies, die ihre Wodka-Flaschen bei der Bundespolizei abgeben bzw. diese wegwerfen müssen. Erwachsene, einzeln und in Gruppen, die Party machen wollen. Die meisten haben Verständnis für die Kontrollen, nur wenige meckern. Einer sagt etwa: „Man, die Pulle hab‘ ich mir doch grad gekauft.“ Aber die Beamten lassen nicht mit sich diskutieren.
Doch immer wieder erwischen die Bundespolizisten auch Männer mit Waffen: Einer hat sogar ein verbotenes Messer dabei; die Klinge rastet ein und ist zu lang. Die Beamten finden es in seiner Tasche, leiten ein Verfahren gegen ihn ein. Außerdem muss er den Ort sofort verlassen. Sein Kommentar, angesprochen auf den Fund und das jähe Ende der Nacht auf dem Kiez: „Passiert.“ Lächelnd zieht er ab und steigt in die nächste Bahn in Richtung City.
Insgesamt stellen die Beamten vier Messer, ein Pfefferspray und einen Teleskopschlagstock sicher. Zudem finden sie Drogen, vornehmlich Marihuana. Sieben der 132 kontrollierten Personen waren zur Fahndung ausgeschrieben, weil sie Straftaten begangen haben sollen. Sie sind zwischen 16 und 35 Jahre. Draußen auf der Reeperbahn hat die Landespolizei 265 Menschen kontrolliert; acht kamen in Gewahrsam und elf wurden festgenommen.
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Der Trend, dass immer mehr Messer und andere gefährliche Gegenstände in Zügen und Bahnhöfen in Hamburg mitgeführt und eingesetzt werden, sei besorgniserregend, sagt Bundespolizeisprecher Lieder. „Dieser Entwicklung wirken wir mit diesem Einsatz aktiv entgegen und werden das auch künftig als Schwerpunkt betrachten.“
Um 5 Uhr beenden die Beamten die Kontrolle. Eine lange Nacht zwischen Touristen, Betrunkenen und potenziellen Straftätern. So einen Einsatz wird es schon bald wieder geben: Die Bundespolizei hat bereits weitere Kontrollen angekündigt.