Gewissheit nach 25 Jahren: Junge Hamburgerin starb auf Kuba
Diese Geschichte hat kein Happy End – und dennoch sind die Hinterbliebenen von Claudia W. erleichtert. Denn: Sie wissen nun, wo sie begraben liegt: in einem „Totenturm“ auf Kuba, zusammen mit den Überresten etlicher anderer Menschen. Zu verdanken hat die Familie das dem scheinbar unermüdlichen Ehrgeiz eines bekannten Hamburger Polizisten und eines ebenso prominenten Anwalts. Nur die Antwort auf eine Frage fehlt noch: Wer ist Claudia W.s Mörder?
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Diese Geschichte hat kein Happy End – und dennoch sind die Hinterbliebenen von Claudia W. erleichtert. Denn: Sie wissen nun, wo sie begraben liegt: in einem „Totenturm“ auf Kuba, zusammen mit den Überresten etlicher anderer Menschen. Zu verdanken hat die Familie das dem unermüdlichen Ehrgeiz eines bekannten Hamburger Polizisten und eines ebenso prominenten Anwalts. Nur die Antwort auf eine Frage fehlt noch: Wer ist Claudia W.s Mörder?
Im November 1999 fliegt Claudia W. (36) mit ihrem Ehemann Miguel de V. nach Kuba. Für die Dresdnerin, die zu dem Zeitpunkt bereits seit einigen Jahren in Hamburg lebt und bei einer Bank arbeitet, ein Kindheitstraum.
Eine „Glücksreise“ mitten in die Karibik
Die „Glücksreise“ – wohin es geht, bleibt im Vorwege offen – führt das Paar nicht in die Hauptstadt Havanna oder in das beliebte Varadero. Es geht in den Süden der Insel, nach Playa Giron, mitten in einer kargen Karibik-Landschaft gelegen.
Im gleichnamigen Hotel checken beide mit Blick aufs Meer in Apartment 227 ein; ein kleines Zimmer inmitten eines halbrunden Reihenhauskomplexes.
Miguel hatte Claudia bei einem Tanzkurs kennengelernt. Sie trennte sich von ihrem Mann, einem Architekten, zog in die Kellerwohnung des Bolivianers, der an der Technischen Universität Harburg studierte. Sie heirateten.
Doch glücklich sollen sie auf Kuba nicht gewesen sein. Sie sollen sich viel gestritten haben, sagen Zeugen damals der Polizei aus. Es kursieren Gerüchte, dass Miguel Affären hätte. Selbst auf Kuba soll er mit Frauen geflirtet haben.
Die „schöne Deutsche“ mit der auffälligen Shorts
Am Morgen des 20. Novembers gehen Miguel und Claudia zusammen laufen, im Anschluss noch frühstücken. Dann trennen sich ihre Wege: Er geht in die Caleta Buena („schöne Bucht“) zum Tauchen, sie leiht sie sich ein Fahrrad aus – und gibt es eine Stunde später wieder ab. Der Verleiher wird sich an sie erinnern und der Polizei von der „schönen Deutschen“ berichten – und von ihrer gelben Shorts mit Blumenmuster.
Zu Fuß geht sie dann dieselbe Strecke noch einmal ab, die sie vorher mit dem Rad gefahren ist: Im Ort wird sie von mehreren Menschen gesehen. Einem Mann, der am Straßenrand Sand schaufelt, bleibt ebenfalls die gelbe Shorts in Erinnerung. Zuvor beim Radfahren ist sie auf eine Reisegruppe getroffen. Der Leiter: „Sie hatte eine Kamera dabei.“
Claudia, Hobby-Fotografin, kehrt nicht zurück. Zuletzt wird sie an einer Einmündung, die zu einem alten Flugplatz führt, gesehen. Angeblich war sie mit dem griechischen Reiseleiter verabredet. Der wird, als Claudia verschwindet, von Zeugen als „nervös“ und „aufgeregt“ beschrieben. Zudem reist er abrupt ab. In Befragungen gibt er an, mit zwei Männern tauchen gewesen zu sein. Die Männer dementieren das. Der Grieche stirbt später an Krebs.
Miguel de V. wird ebenfalls vernommen, darf das Land dann aber Richtung Hamburg verlassen. Obwohl sich in den Aussagen Widersprüche finden lassen: Er sagt, zwei Tage vor Claudias Verschwinden hätten beide gestritten. Dabei sei ihre Kamera beschädigt worden, sie habe aus Wut den Film zerstört und weggeworfen. Aber: In dem Mülleimer wird kein Film gefunden. Die Reisegruppe , auf die Claudia beim Radfahren traf, ist sich zudem sicher: Sie hatte die Kamera dabei. Wieso sollte Claudia eine kaputte Kamera mitnehmen?
Auffällig ist auch, dass Miguel de V. erst auf Anraten Mitreisender Anzeige bei der Polizei erstattet. Zeugen haben das Gefühl, das Schicksal seiner Frau sei ihm egal. Und als er mit Claudias Mutter einen Monat später erneut nach Kuba reist, soll er lieber Tauchen gegangen sein, anstatt nach seiner Frau zu suchen. Letztlich kann ihm die Tat aber nie nachgewiesen werden und die Polizei streicht ihn von der Liste der Tatverdächtigen.
Vater und Sohn arbeiten zusammen
Über die deutsche Botschaft und das Auswärtige Amt erfährt die Hamburger Kripo von dem Fall. Bereitschaft hatte damals der Mordermittler Sven Baack, Vater von Steven Baack, der später Leiter der „Cold Cases“-Einheit wird. Er fliegt dreimal nach Kuba, letztlich vergeblich. Der Fall wird zu den Akten gelegt.
Als Baack Junior dann Jahre später privat nach Kuba reist, gibt ihm sein Vater – inzwischen pensioniert – noch eine Bitte mit: Er habe erfahren, dass auf dem Zentralfriedhof Cardenas um die Jahrtausendwende eine unbekannte Frau begraben worden sein soll. Er möge dort einmal nachforschen, ob man Claudia kenne.
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Juan, der Totengräber, bestätigt, dass er eine unbekannte Frauenleiche in Grab 3026 bestattet habe. Der Körper sei spät abends angeliefert worden, was unüblich gewesen sei. Die Umstände kenne er nicht. Auch in den Büchern lässt sich über die Bestattung keinen Eintrag finden. Weil keine Blumen aufs Grab gelegt wurden, habe er die Überreste in einen „Totenturm“ verwahrt. Dort liegen Knochen etlicher Verstorbener.
Als „Cold Cases“-Leiter nimmt Steven Baack die Ermittlungen in dem Fall 2016 wieder auf, er wird allerdings wegen interner Streitigkeiten abgesetzt. Erneut ruht der Fall.
Claudias Familie wendet sich an Gerhard Strate, Star-Anwalt aus Hamburg und ein guter Freund Baacks. Zusammen wälzen sie alte Akten. Baack reist auf eigene Kosten nach Kuba, spricht mit Juan, dem Totengräber. Die zweite Reise finanziert Björn Freter, Chef der Schweizer Rechtsschutzversicherung „Emilia“, den Claudias Familie um Hilfe bat.
Als der Hamburger Polizist den Kubaner aufspürt und ihm in seiner beschaulichen Behausung ein Foto von Claudia zeigt, sagt Juan: „Ja, das ist sie.“ Er spricht von der deutschen Touristin. „Hundertprozentig.“
Er erinnere sich noch ganz genau an sie, an ihre blonden Haare und ihren Mittelscheitel. Und an ihre gelben Shorts mit Blumenmuster. Claudias Leiche habe keine offensichtlichen Verletzungen gehabt, wie sie zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall vorkommen. Trotzdem kann sie Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sein: Würgemale wären im Zweifel nicht sofort erkennbar gewesen.
Das Aufspüren des Totengräbers war mit Schwierigkeiten verbunden. Baack und zwei Polizei-Kollegen, die mit ihm reisten, wurden von Regierungsbeamten an weiteren Nachforschungen gezielt gehindert. Unter anderem hatten sie ein Zahnschema von Claudia dabei, das sie gerne mit Schädeln aus dem „Totenturm“ verglichen hätten. Warum die kubanischen Beamten so agierten und einst schon die nächtliche Bestattung geheim halten wollten, bleibt ein Rätsel.
Claudias Familie: „Das würden wir uns trotzdem wünschen“
Claudias Familie ist trotz des Verlustes erleichtert. Ihr Bruder sagt: „Wir sind dankbar dafür, dass wir endlich Klarheit über das Schicksal meiner Schwester haben.“ Ob allerdings jemals herauskommen wird, was mit Claudia passierte, und wer möglicherweise ihr Mörder war, ist ungewiss. Der Bruder: „Das würden wir uns trotzdem wünschen.“