Vereitelter Anschlag in Hamburg: Aus den eigenen Reihen verpfiffen
„Den Sicherheitsbehörden ist es gelungen, einen geplanten islamistischen Anschlag zu verhindern“ – mit diesen Worten leitete Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) eine Presserklärung am Freitag ein. Seit August sitzt ein 20-jähriger Hamburger in U-Haft. Was über den Mann bekannt ist, wie es zur Verhaftung kam und was die Ermittler bei ihm fanden: Lesen Sie die komplette Geschichte mit MOPO+ – jetzt vier Wochen lang testen für nur 99 Cent!
„Den Sicherheitsbehörden ist es gelungen, einen geplanten islamistischen Anschlag zu verhindern“ – mit diesen Worten leitete Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) eine Presserklärung am Freitag ein. Seit August sitzt der 20 Jahre alte Abdurrahman C. in U-Haft, weil er einem verdeckten Ermittler Waffen und eine Granate abkaufen wollte. Außerdem sollen in einer von ihm genutzten Wohnung Materialien für den Bau einer Bombe gefunden worden sein. Für die Behörden ist es eine Erfolgsgeschichte. Für C. auch eine des Verrats.
Der Haftbefehl, der den jungen Mann hinter Gittern brachte, trägt die Überschrift: Verdacht des Verstoßes gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz. Man wolle ihn aber zeitnah mit dem dringenden Tatverdacht ergänzen, dass der 20-Jährige „ganz offenbar einen gezielten Anschlag in Hamburg verüben wollte“, sagt Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich.
Vereitelter Anschlag in Hamburg: Verdächtiger wurde verpfiffen
Auch C.s Vater soll konkrete Bezüge in die radikal-islamistische Hamburger Szene gehabt haben. Er war zudem Mitverantwortlicher der inzwischen von den hiesigen Sicherheitsbehörden geschlossenen Al-Quds-Moschee am Steindamm (St. Georg), die auch als Treffpunkt von der Hamburger 9/11-Terrorzelle um Selbstmord-Attentäter Mohammed Atta genutzt wurde.

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Dem Verfassungsschutz war Abdurrahman C. als Angehöriger der Islamisten-Szene geläufig, galt aber bisher nicht als aktiv Mitmischender. „Er ist aber mit Personen bekannt, die schon mit politisch motivierten Taten in Erscheinung traten“, so Claus Cortnumme, Leiter des polizeilichen Staatsschutzes. C.s eher im Hintergrund agierendes Auftreten änderte sich vor wenigen Monaten dann schlagartig, als er versucht haben soll, sich im Darknet Waffen zu kaufen.

Zunächst fiel er mit seinen Absichten einer speziellen Stabsstelle für Internetkriminalität in Frankfurt auf. Er meldete sich mit einem E-Mail-Pseudonym. Als herauskam, dass er aus Hamburg operiert, wurde das örtliche LKA informiert – mit einem verdeckten Kripo-Ermittler habe sich C. dann auf den Kauf einer halbautomatischen Pistole der Marke Makarow nebst Munition und einer Handgranate geeinigt. Kostenpunkt: 1010 Euro. Treffpunkt: Hamburg-Stellingen.
Festnahme bei inszenierter Waren-Übergabe
Dort, auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants an der Kieler Straße, trafen sich dann C. und der Beamte am 26. August – „zum Schutze Unbeteiligter, war alles natürlich penibel polizeilich überwacht“, so Generalstaatsanwalt Fröhlich. C. bezahlte für die im Kofferraum des Polizisten bereitgelegte Waffen-Ware, bekam diese aber nie tatsächlich in die Hand. Stattdessen wurden ihm Handschellen angelegt.
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Abdurrahman C. ist offiziell in Wismar gemeldet. Dort hatte er wohl die Absicht zu studieren. Jedenfalls absolvierte er laut Staatsschutz dort ein Studienkolleg, schloss dieses aber nicht erfolgreich ab. Was und ob er tatsächlich studieren wollte, ist unbekannt. Klar ist: C. war im März 2001 in Hamburg geboren. Er wuchs in Billstedt auf und besuchte die Schule. Mit 15 Jahren wanderte seine Familie nach Marokko, dem Heimatland seines Vaters, aus. Im vergangenen Jahr kehrte C. – der beide Staatsbürgerschaften besitzt – nach Deutschland zurück.
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In Wismar und in Hamburg – die Eltern behielten ihre Wohnung trotz Auswanderung für Besuche – fanden noch am Tag seiner Festnahme im August Durchsuchungen statt, darunter auch in Rahlstedt. Hierbei seien Videos und Dateien auf Handys sichergestellt worden, bei denen es um die Herstellung von Waffen und Bomben ging.
Polizei findet Substanzen zum Bau einer Splitterbombe
Im Zuge der Ermittlungen durchsuchten LKA-Ermittler dann im November eine weitere von C. genutzte Wohnung in Hamburg. In der wurden dann ein Kilo Kaliumnitrat und Schwefel, 500 Gramm Kohlepulver, Schrauben, Muttern und Elektrodrähte gefunden, alles in an den Verdächtigen adressierte Pakete. Die Chemikalien soll er sich aus Online-Shops aus Österreich besorgt haben. Der entscheidende Tipp soll laut Angaben der Sicherheitsbehörden aus der islamistischen Szene selbst gekommen sein, in der C. Jahre agierte. Jemand hatte ihn bei den Behörden verraten.
Anhand von Verkehrsdaten und weiteren Hinweisen aus der Szene wurden am vergangenen Mittwoch insgesamt 16 Wohnungen von Menschen aus dem Umfeld Abdurrahman C.s durchsucht. Die Objekte befinden sich im gesamten Bundesgebiet. Speichermedien, Laptops und Notizen wurden sichergestellt. Fröhlich: „Die lesen wir jetzt aus.“

Aber: Bisher gebe es keine Hinweise darauf, dass der Beschuldigte aus einer Gruppe heraus handelte. „Es gibt keine Anhaltspunkte für Mittäter“, bestätigte auch LKA-Chef Mirko Streiber. Die weiteren Ermittlungen würden weiter „intensiv“ geführt, vor allem um weiter das Umfeld des Mannes zu durchleuchten. „Die Sicherheitsbehörden bleiben wachsam“, so Streiber. Grote ergänzte: „Ein ernster Vorgang, den wir so in Hamburg noch nicht hatten.“ Wo C. seinen potenziellen Anschlag ausüben wollte, ist unklar. Mit der USBV-Splitterbombe, die er mit den bei ihm gefundenen Substanzen laut Staatsschutz wohl bauen wollte, hätte er „erhebliche Zerstörungen anrichten können“, so Grote.
Seine Kommilitonen aus Wismar beschreiben den 20-Jährigen, der sich mit Anschlagsszenarien und dem Märtyrer-Tod auseinandergesetzt haben soll, als introvertierten Einzelgänger. Er habe nicht mit Frauen gesprochen, heißt es, war Nicht-Muslimen gegenüber belehrend. Laut den Sicherheitsbehörden habe er sich viel lieber im Kreise radikaler Muslime aufgehalten, oft in der Harburger Taqwa-Moschee; in dem Kreis, aus dem er verraten wurde. Kein Alkohol, nicht einmal Musik. Nun sitzt Abdurrahman C. in Untersuchungshaft. Und schweigt zu den Vorwürfen.