Muskelfasern können zerfallen, Gefäße verkleben: So fatal ist die „Blue Punisher“
Drei Tote binnen weniger Tage – immer war es Ecstasy: Jugendliche greifen offenbar immer häufiger zu der aufputschenden Pille, unterschätzen aber die Gefahr der oft hochdosierten Partydroge. Ein Hamburger Sucht-Mediziner spricht von einer „überaus besorgniserregenden Entwicklung“ – und fordert Konsequenzen.
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Drei Tote binnen weniger Tage – immer war es Ecstasy: Jugendliche greifen offenbar immer häufiger zu der aufputschenden Pille, unterschätzen aber die Gefahr der oft hochdosierten Partydroge. Ein Hamburger Sucht-Mediziner spricht von einer „überaus besorgniserregenden Entwicklung“ – und fordert Konsequenzen.
In Halle (Sachsen-Anhalt) starb am vergangenen Samstag, 24. Juni, die 18-jährige Kimberly S. bei einer Feier in ihrer Wohnung. Im brandenburgischen Rathenow starb am selben Tag eine 15-Jährige im Krankenhaus, am Montag ein erst 13 Jahre altes Mädchen aus Altentreptow (Mecklenburg-Vorpommern) in einer Klinik. Alle drei Jugendlichen hatten Ecstasy-Pillen genommen. In allen Fällen lautet die Todesursache: Überdosis.
„Blue Punisher“-Ecstasy ist gefährlich hochdosiert
Doch warum ist die Droge vor allem für Kinder und Jugendliche so gefährlich? Der Hauptwirkstoff von Ecstasy ist in den meisten Fällen MDMA, das ist die Kurzform für die chemische Verbindung Methylendioxy-N-methylamphetamin. Diese synthetische Substanz stimuliert nicht nur, sondern verstärkt auch die Empathie und sorgt für eine vermehrte Ausschüttung des Glückshormons Serotonin. Es erzeugt zudem eine Art Geborgenheitsgefühl. Konsumenten fühlen sich auch wacher und deutlich leistungsfähiger.
Die 13- und die 15-Jährige starben wohl an einer Überdosis der neuen „Blue Punisher“-Ecstasy-Tablette. Diese Pillen sind stark überdosiert. Ein Beispiel: Ecstasy-Tabletten haben in der Regel einen MDMA-Wirkstoffgehalt zwischen 50 und 120 Milligramm. Bei einer „Blue Punisher“-Pille liegt dieser Wert bei 450 bis 500 Milligramm.
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Die „Blue Punisher“-Pillen werden nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts (BKA) überwiegend in Laboren in Polen und in den Niederlanden hergestellt. Vor allem die östlichen Bundesländer werden derzeit mit der Droge geflutet, auch über das Darknet und Social-Media-Plattformen finden die Hersteller gezielt ihre in aller Regel jugendlichen Abnehmer.
Aber auch in Hamburg hat Polizei bereits vereinzelt „Blue Punisher“-Pillen sichergestellt, eine größere Rolle spielen sie hier aber bisher noch nicht, sagte ein Sprecher auf MOPO-Nachfrage. Zahlen lägen aber nicht vor.
UKE-Mediziner über Ecstasy: „Es führt immer wieder auch zu Todesfällen“
Aber gerade für Jugendliche ist der Konsum gefährlich, denn: „Die Toxizität ist ungleich höher als bei Erwachsenen“, sagt Professor Rainer Thomasius, Leiter der Suchtklinik für Jugendliche am UKE. Das Körpergewicht der Kinder und Jugendlichen sei viel niedriger, der Wirkstoff erziele daher eine andere Konzentration im Blut, es wirke zudem auf das Stresssystem, der Blutdruck werde erhöht und der Puls beschleunigt.
In einigen Fällen steige auch die Körpertemperatur, Muskelfasern können zerfallen, Gefäße können sich verkleben. „Das sind alles sehr rasch ablaufende Prozesse. Es besteht eine große Gefahr der Überdosierung“, so der Mediziner. Diese führe oft zu Hirninfarkten oder Hirnblutungen. „Und immer wieder auch zu Todesfällen“, sagt Thomasius.
Ecstasy-Konsum gab es schon früher, aber die Klientel verändert sich
Thomasius leitete schon in den 90er-Jahren eine Forschergruppe, die junge Leute aus der Techno-Szene psychologisch und medizinisch untersuchte. Vergiftungen nach Ecstasy-Konsum habe es schon damals gegeben, sagt er, das sei kein neues Phänomen. Nun aber werden aber im häufiger auch Jugendliche und sogar Kinder angesprochen. Und das sei „besorgniserregend“.
Noch dazu gingen die Drogendealer offenbar verstärkt gezielt auf Kinder zu, um ihren Stoff zu verkaufen, so der Mediziner. „Das erzählen uns auch viele Patienten“, sagt Thomasius. Kinder würden hin und wieder berichten, ihnen sei „Blue Punisher“ angeboten worden sei. Und die älteren Jugendlichen reichten die Ecstasy-Pillen an die Jüngeren weiter, was „total verantwortungslos“ sei: „Kinder orientieren sich am Verhalten der Älteren, vergessen aber, dass sie andere körperliche Voraussetzungen haben.“
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Thomasius spricht sich ausdrücklich für Prävention in der Bekämpfung von Ecstasy aus und fordert, dass man sich in den Hamburger Lenkungsgremien der Suchtprävention intensiv mit dem Ecstasy-Problem befassen soll. „Es droht sonst nämlich, dass die Welle aus dem Osten doch noch nach Hamburg überschwappt.“