Todesfalle abbiegender Lkw: Wie viele Radfahrer müssen noch sterben?
Tragödie in der HafenCity: Eine 34-jährige Radfahrerin wurde von einem abbiegenden Lkw überrollt und ist gestorben. Immer wieder kommt es zu solchen tödlichen Unfällen – auch in Hamburg. Warum ist das Abbiegen so gefährlich und was muss sich ändern?
Tragödie in der HafenCity: Eine 34-jährige Radfahrerin wurde von einem abbiegenden Lkw überrollt und ist gestorben. Immer wieder kommt es zu solchen tödlichen Unfällen – auch in Hamburg. Warum ist das Abbiegen so gefährlich und was muss sich ändern?
Was ist passiert?
Am Montag hat nach bisherigen Erkenntnissen ein Muldenkipper einer Kies-Firma um kurz nach 15 Uhr eine Radfahrerin erfasst, als der 56-jährige Fahrer von der Überseeallee in die Osakaallee rechts abbiegen wollte. Die Radfahrerin war auf der Überseeallee in Richtung Am Sandtorpark unterwegs. Sie starb noch am Unfallort.
Radfahren in Hamburg: drei Tote im Jahr 2022
Wie viele Radfahrer sterben auf Hamburgs Straßen?
Einer CDU-Anfrage nach sind von Januar 2021 bis November 2022 sechs Rad- oder Pedelecfahrer in Hamburg gestorben. Insgesamt haben Unfälle mit Radfahrern im Vergleich zu 2021 zugenommen. Abbiegeunfälle sind am häufigsten, sagt Unfallforscher Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zur MOPO. Erst im Oktober war eine 81-jährige Radfahrerin in Hoheluft-Ost von einem Lkw beim Abbiegen überfahren worden, im Juli eine 19-Jährige in Poppenbüttel, im Herbst 2021 ein 47-Jähriger in Barmbek.

Warum ist das Abbiegen so gefährlich?
Radfahrer werden meist erfasst, wenn sie Auto- oder Lkw-Fahrer nicht kommen sehen. Bei Pkw kann die Sicht etwa durch parkende Autos gestört sein, erklärt Brockmann. Bei Lkw sorgen Spiegel zwar für eine lückenlose Sicht, praktisch passiert es trotzdem – etwa, wenn ein Lkw-Fahrer an einer roten Ampel stehende Radler sieht, diese vorm Abbiegen vorbeifahren lässt, dann aber einen von hinten herankommenden Radler übersieht. Da Radler oder E-Bike-Fahrer zunehmend schneller fahren, ist der Bremsweg länger. So kann ein Crash schon einige Meter vorher kaum noch abgewendet werden.
Hamburg: ADFC kritisiert Verkehrssicherheit an Kreuzung
Wie sicher ist die betroffene Kreuzung?
„Die Kreuzung ist Teil der Veloroute 10, aber alles andere als verkehrssicher“, sagt der ADFC-Sprecher Dirk Lau auf MOPO-Nachfrage. Die Stadt räume den Radfahrern dort zu wenig Platz ein, auf der Magdeburger Brücke gebe es zudem nur einen sogenannten Schutzstreifen (der von Autos überfahren werden darf), während es für Autos einen eigenen Rechtsabbiegestreifen gebe. Auch die Haltelinie für Radfahrer an der Ampel müsse weiter vorgelegt werden, damit sie sich im Sichtfeld vor den Autos aufstellen könnten. „Es ist unverantwortlich, Radfahrenden solche Wege zuzumuten, und unendlich traurig, dass die mehrfach kritisierte Kreuzung jetzt Schauplatz eines solch schrecklichen Vorfalls geworden ist“, sagt Lau. „Wir sind zutiefst schockiert.“

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Wie können solche Unfälle verhindert werden?
Bessere Sichtbeziehungen und getrennte Ampelphasen würden helfen, sagt Brockmann, denn auch diesmal hatten sowohl Lkw und als auch Radfahrerin eine grüne Ampel. „Am besten wäre es aber, wenn Lkw und Radler nicht gleichzeitig fahren.“ Wo das nicht geht, kann Technik unterstützen: Seit Juli 2022 müssen neue Fahrzeugtypen von Bussen und Lastwagen mit Abbiegeassistenten ausgerüstet werden, die den Fahrer warnen können. Ab 2024 wird es für alle neuen Lkw und Busse Pflicht – das Nachrüsten älterer Wagen aber nicht. Zudem müssen Lkw innerorts im Schritttempo rechts abbiegen.

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Hatte der Lkw einen Abbiegeassistenten?
Ja, sagt die Kies-Firma zur MOPO. Der involvierte Lkw sei erst vier Wochen alt, die Firma habe ihre gesamte Flotte aber bereits vor zwei Jahren umgerüstet. Wie es dennoch zu dem Unfall kam, ist noch unklar. Die Polizei ermittelt.