„Standen Sie je in der ersten Reihe, um diesen lebenswerten Staat zu verteidigen?“
Der Streit zwischen Wissenschaftlern und Polizeigewerkschaft um die „Rassismus-Studie“ geht nach einem MOPO-Interview mit dem Studienleiter in die nächste Runde. Professor Joachim Häfele warf der GdP vor, in ihrer Kritik an der Studie konstruiere sie Probleme. Die Gewerkschaft weist die Kritik des Forschers vehement zurück.
Der Streit zwischen Wissenschaftlern und Polizeigewerkschaft um die „Rassismus-Studie“ geht nach einem MOPO-Interview mit dem Studienleiter in die nächste Runde. Professor Joachim Häfele warf der GdP vor, in ihrer Kritik an der Studie konstruiere sie Probleme. Die Gewerkschaft weist die Kritik des Forschers zurück.
Rassistische und rechte Strukturen bei der Polizei sind eine Gefahr für die Gesellschaft. Deshalb werden entsprechende Vorfälle besonders kritisch unter die Lupe genommen. Bislang gibt es jedoch keine belastbaren Beweise, die rassistische Strukturen in der Polizei nachweisen können. Wissenschaftliche Studien sollen nun Licht ins Dunkel bringen und die demokratische Haltung der Polizei untersuchen. Alle Bundesländer machen mit – bis auf Hamburg und Baden-Württemberg.
Die DeWePol-Studie wurde von Forschern der Hamburger Polizei-Akademie entwickelt. Doch die Gewerkschaften der Polizei lehnen die Studie ab, raten ihren Kollegen sich nicht daran zu beteiligen. Im Streit um die sogenannte „Rassismus-Studie“ wird deutlich: Hier treffen zwei fremde Welten aufeinander. Die Forscher sind selbst nicht als Polizisten im Einsatz, die Mitarbeiter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hingegen schon. Während die Wissenschaftler überzeugt sind, die Studie korrekt nach neutralen, wissenschaftlichen Methoden entwickelt zu haben, fühlt man sich auf Seiten der GdP pauschal in eine Ecke gestellt und als Rassisten verunglimpft.
Studie: GdP sieht ein Problem beim Datenschutz
Die Diskussion untergrabe das Vertrauen in die Polizei, sagt Lars Osburg, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Hamburg. Dabei sei es leicht gewesen, die Bedenken der GdP auszuräumen. Das sei jedoch nicht passiert.
Im Fokus der Auseinandersetzung zwischen Forschern und Gewerkschaft steht der Datenschutz. „Wir haben nachgewiesen, dass es eben doch möglich ist, einzelne Kolleginnen und Kollegen aufgrund der abgefragten Daten zu identifizieren“, so Osburg. Professor Joachim Häfele argumentiert hingegen mit der Verpflichtung der Forscher zum Datenschutz. Außerdem habe die Polizei keinen Zugriff auf die ausgefüllten Fragebögen – es gebe demnach keine negativen Auswirkungen für die Beamten.
Hamburg: GdP und Forscher streiten über Rassismus-Studie
Die Gewerkschaft der Polizei kann die Studie weder verbieten noch genehmigen. Doch ihre Empfehlung kann die Entscheidung der Polizeibeamten zur Studien-Teilnahme beeinflussen. Während die deutschlandweite Polizei-Studie Megavo nah an den Forderungen der GdP ist, fühlt man sich bei der Hamburger Studie DeWePol nicht ernstgenommen.
„Meine Kolleginnen und Kollegen zeigen seit Jahren unglaubliche Leistungen, um diesen demokratischen Staat zu verteidigen. Sie sorgen dafür, dass jeder weiterhin seine Meinung oder eben auch Blödsinn sagen darf. Dazu gehört auch der Versuch, die Verantwortung für das mögliche Scheitern der DeWePol-Studie auf die Gewerkschaften abzuwälzen“, kritisiert Osburg. Als stellvertretender Vorsitzender der GdP wurde er von Häfele im MOPO-Interview direkt adressiert. Dieser äußerte sich „irritiert und sehr verärgert“ über Osburgs Äußerungen zur Studie.
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In ihrer Reaktion auf das Forscher-Interview verdeutlicht die GdP: Man stelle sich ganz klar gegen politischen Extremismus. Dieser sei mit dem Polizeiberuf unvereinbar. Bei wem extremistische Vorstellungen und Handlungsweisen nachgewiesen werden können, der müsse die Polizei verlassen.
Professor: Kriminalitätsstatistik gibt kein Bild der Wirklichkeit
Neben dem Datenschutz ist man sich auch mit Blick auf die Kriminalitätsstatistik uneins. Ausländer sind hier bei vielen Deliktfeldern deutlich überrepräsentiert. Häfele macht dafür etliche Verzerrungen verantwortlich, die aus der Statistik vor allem eine „Tatverdächtigen-Statistik“ mache. Sie gebe kein valides Bild über die Wirklichkeit. So werden auch Touristen und Durchreisende als Tatverdächtige registriert, die jedoch nicht in der Bevölkerungsstatistik auftauchen, sagt er. Osburg sieht in dieser Formulierung eine Verharmlosung und Unterschlagung des eigentlichen Problems: Es gehe an dieser Stelle nicht um Touristen, sondern um „reisende Tätergruppen“, die beispielsweise für Einbrüche verantwortlich seien. „Es gibt Kriminalitätsphänomene, die bekämpft werden müssen, ohne Rücksicht auf die Herkunft der Täterinnen und Täter“, sagt Osburg.
Im Streit zwischen den Forschern und der Gewerkschaft der Polizei stehen sich nicht nur zwei Erfahrungswelten und Perspektiven gegenüber. Beide scheinen sich durch die Kritik des jeweils anderen auch in ihrer Arbeit herabgesetzt und diskreditiert zu fühlen. Das wird auch in der direkten Ansprache des Professors durch den stellvertretenden Vorsitzenden der GdP deutlich: „Sehr geehrter Professor Dr. Häfele, ich habe oft genug im Steinhagel gestanden, bin beleidigt und angegriffen worden. Alles für die Verteidigung unseres freiheitlich demokratischen Rechtsstaats. Haben sie je in der ersten Reihe gestanden, um diesen lebenswerten Staat zu verteidigen?“
Man sehe derzeit nach wie vor keine Möglichkeit, die DeWePol-Studie zu unterstützen.