Brennpunkt Innenstadt: Viel Gewalt, null Respekt – und ein Brandbeschleuniger
Raub, mutmaßliche Vergewaltigungen, Messerstiche, sexuelle Übergriffe und immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen größeren Jugendgruppen: Die Europa-Passage am Ballindamm (Altstadt) gerät zunehmend in Verruf. Beim jüngsten Großeinsatz der Polizei am Montagabend wurde ein Beamter angegriffen und schwer verletzt. 150 Jugendliche hatten sich vor Ort versammelt – als Polizisten einen blutverschmierten 19-Jährigen festnehmen wollten, eskalierte die Situation komplett. Nicht der erste Einsatz am Einkaufs-Tempel. „Gewaltdelikte sind hier an der Tagesordnung“, sagt ein Beamter. Ein Experte für Jugendgewalt erklärt, warum die Gruppen so schnell aneinander geraten, was mangelnde Erziehung und fehlender Respekt damit zu tun haben.
Raub, mutmaßliche Vergewaltigungen, Messerstiche, sexuelle Übergriffe und immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen größeren Jugendgruppen: Die Europa-Passage am Ballindamm (Altstadt) gerät zunehmend in Verruf. Beim jüngsten Großeinsatz der Polizei am Montagabend wurde ein Beamter angegriffen und schwer verletzt. 150 Jugendliche hatten sich vor Ort versammelt – als Polizisten einen blutverschmierten 19-Jährigen festnehmen wollten, eskalierte die Situation komplett. Nicht der erste Einsatz am Einkaufs-Tempel. „Gewaltdelikte sind hier an der Tagesordnung“, sagt ein Beamter. Ein Experte für Jugendgewalt erklärt, warum die Gruppen so schnell aneinander geraten, was mangelnde Erziehung und fehlender Respekt damit zu tun haben.
Die Liste der Polizeieinsätze in der Europa-Passage und ihrer Umgebung ist lang. Nahezu täglich rücken dort Streifenwagen an. Am Tage sind es häufig Ladendiebstähle, mit Einbruch der Dunkelheit häufen sich sich aber auch schwerwiegende Gewaltdelikte. Ganze Horden von Jugendlichen versammeln sich dort und machen den Bereich unsicher. Häufig pendeln sie zwischen dem Fähranleger und der Einkaufsmeile.
Am Montagabend gab es dort wieder so einen Einsatz. Um 19.55 Uhr meldete der Wachdienst, der aufgrund der wiederkehrenden Gewaltausbrüche schon verstärkt worden war, eine Auseinandersetzung zwischen mehr als 150 Jugendlichen im Bereich der Europa-Passage. Auch ein Macheten-ähnlicher Gegenstand soll im Spiel gewesen sein.
Polizist angegriffen und schwer verletzt
Zwei Beamte, die in der Nähe Streife gingen, waren als erste vor Ort. Sie wurden laut Polizei auf einen besonders renitenten Jugendlichen (19) mit blutbefleckten Händen aufmerksam und wollten ihn überprüfen.
Dann eskalierte die Situation: Der Heranwachsende schlug einen der Polizisten zu Boden und trat immer wieder auf ihn ein. Der Beamte erlitt eine schwere Knieverletzung und kam in die Klinik. Auch sein Kollege wurde bei dem Angriff verletzt. Die Polizisten sollen bei dem Tumult laut einem Sprecher Pfefferspray eingesetzt haben. Die Begleiterin (16) des 19-Jährigen versuchte ihren Freund zu befreien. Schließlich habe sie sogar ein Fahrrad auf die Beamten geschleudert. Nachdem sie überwältigt worden war, fand man eine Machete bei ihr.

Minuten später waren rund 24 Streifenwagen am Einsatzort. Immer mehr Jugendliche, die auf das Geschehen aufmerksam geworden waren, stürmten heran und zeigten sich mit den Randalierern solidarisch.
Sie überzogen die Beamten mit übelsten Beleidigungen und bewarfen sie mit Gegenständen. Erst nach gut 60 Minuten konnten die Beamten den Mob unter Kontrolle bringen. Personalien von Beteiligten wurden aufgenommen.
Vergewaltigungen, Messerstiche und immer wieder Schlägereien
Es war kein Einzelfall. Einen Tag vor Heiligabend vergangenen Jahres wurde ein 19-Jähriger in der Europa-Passage niedergestochen. Im November 2021 soll eine 15-Jährige dort vergewaltigt worden sein. An einem Nachmittag im Juli 2020 stürmten plötzlich vor den Augen hunderter Besucher mehrere Männer in das Einkaufszentrum und prügelten aufeinander ein. Zwei Beteiligte wurden dabei zum Teil schwer verletzt.
„Der Bereich um den Anleger am Jungfernstieg und die nur 50 Meter entfernt gelegene Europa-Passage ist schon vor vielen Jahren zum Brennpunkt geworden“, sagt Horst Niens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zur MOPO. „Gerade in den wärmeren Monaten kommt es dort immer wieder zu Ansammlungen von Jugendlichen und Heranwachsenden. Dann sind Gewaltdelikte an der Tagesordnung.“ Er bemängelt den kontinuierlich abnehmenden Respekt der Jugendlichen vor den Beamten. Das führe häufig dazu, dass die Polizisten vor Ort Verstärkung anfordern müssten – das wiederum binde Kräfte, die dann anderswo fehlten.
Gewerkschaft regt an, Messerstiche als versuchte Tötung zu werten
Die Gewerkschaft betrachtet die zunehmend gewaltbereite Szene in diesem Bereich der City mit großer Sorge. Beamte stellten bei Kontrollen männlicher Jugendlicher verstärkt Messer sicher. Immer wieder würden damit auch Menschen zum Teil schwer verletzt.
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Niens regt an, die Gesetze zu überarbeiten, damit solche gefährlichen Körperverletzungen auch als versuchtes Tötungsdelikt gewertet werden können. Denn oftmals sei es nur dem Zufall geschuldet, ob das Opfer eine Messerattacke überlebt oder nicht.
Jugendschützer erklärt das Phänomen mit Jugendgruppen
Jens Mollenhauer (59), Sprecherrat des Bundesnetzwerkes für Zivilcourage und Autor eines Buches über Jugendgewalt, erklärt auf MOPO-Nachfrage, wie die Jugendlichen ticken. Der Mann, der hauptberuflich im Jugendschutz tätig ist, kennt die Szene ganz genau. „Die Konflikte bahnen sich häufig auch über die sozialen Medien an, denen ganze Gruppen angehören. Zu Klärung werden dann zentrale Treffpunkte wie der Jungfernstieg ausgemacht. Dort kommt es dann häufig zur Eskalation.“
Zur Pandemiezeit seien die Konflikte eher über das Internet ausgetragen worden. Nun, nachdem man sich wieder frei bewegen kann, werden seiner Meinung nach wieder öffentliche Orte gewählt.
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Vielen der Jugendlichen fehle es an Erziehung und an Respekt. Die Polizei werde häufig als Feinbild ausgemacht. Angestaute Wut lasse die Jugendlichen nicht selten hemmungslos werden. Dieses lasse sich durch verstärkte Präventionsarbeit und womöglich durch klarere Grenzsetzung seitens der Justiz korrigieren.
Jugendgewalt in Hamburg: Beweisführung oft ein Problem
Häufig sei nach Meinung des Jugendexperten auch die Beweisführung ein Problem. „Viele Jugendliche dokumentieren heute die Taten mit ihren Handys, aber nur um Aufmerksamkeit und Anerkennung in den sozialen Medien zu erzielen“, so Mollenhauer. „Die Polizei, bei der man sich über den Notruf 110 oder die Notruf-App Nora melden kann, sollte eher in Betracht gezogen werden. Bleiben die Täter unerkannt, kommt bei ihnen auch keine Grenzsetzung an.“
Um einen jugendlichen Täter überführen zu können, brauche es laut Mollenhauer Zeugen mit Zivilcourage, die genaue Angaben zum Tatablauf machen könnten. Dann könnten Gerichte auch Strafen verhängen, die den Jugendlichen zu denken geben.