St. Pauli-Fans festgesetzt: Polizei gibt Rechtsbruch zu
Stundenlang wurden Fans des FC St. Pauli auf einer Auswärtsfahrt in Bielefeld von der Polizei festgehalten. Zwei von ihnen klagten. Nun gibt die Polizei in einem Schreiben mit dem Briefkopf des Bielefelder Polizeiprädiums, das der MOPO vorliegt, kleinlaut zu, die Kläger „rechtswidrig in Gewahrsam genommen“ zu haben. Mit dem unerwarteten Schuldeingeständnis endet das Verwahren: Für das zuständige Verwaltungsgericht gilt die Klage damit als erledigt. Das Schuldeingeständnis der Polizei bewertet die Braun Weisse Hilfe, ein Rechtshilfeprojekt des FC St. Pauli, in einer ersten Stellungnahme als „einen Erfolg für die Wahrung von Fan- und Bürgerrechten.“
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Stundenlang wurden Fans des FC St. Pauli auf einer Auswärtsfahrt in Bielefeld von der Polizei festgehalten. Zwei von ihnen klagten. Nun gibt die Polizei in einem Schreiben mit dem Briefkopf des Bielefelder Polizeipräsidiums, das der MOPO vorliegt, kleinlaut zu, die Kläger „rechtswidrig in Gewahrsam genommen“ zu haben. Mit dem unerwarteten Schuldeingeständnis endet das Verwahren: Für das zuständige Verwaltungsgericht gilt die Klage damit als erledigt. Das Schuldeingeständnis der Polizei bewertet die „Braun-Weiße Hilfe“, ein Rechtshilfeprojekt des FC St. Pauli, in einer ersten Stellungnahme als „einen Erfolg für die Wahrung von Fan- und Bürgerrechten.“
Am 4. November 2018 hatte die Bielefelder Polizei 319 zur Zweitligapartie bei Arminia Bielefeld angereiste Fans des FC St. Pauli, darunter auch Kinder, stundenlang eingekesselt und ihre Personalien aufgenommen. Die Polizei hatte den Anhänger:innen des Kiez-Klubs vorgeworfen, im Zug randaliert, die Polizei provoziert und sogar mit Fahnenstangen angegriffen zu haben. Die Sicherheitsbehörden entschieden daraufhin, die Fans festzusetzen und somit am Stadionbesuch zu hindern, um „Problemfans“ und Straftäter:innen ausfindig zu machen.
St. Pauli: Der Kessel von Bielefeld schlug hohe Wellen
Der Bielefelder Kessel schlug hohe Wellen. Die Vereinsspitze des FC St. Pauli stellte Strafanzeige gegen die verantwortlichen Einsatzleiter wegen Freiheitsberaubung und Nötigung. Das Verfahren aber wurde eingestellt. Die Polizei dagegen ermittelte gegen 30 St. Pauli-Fans wegen Sachbeschädigung, Landfriedensbruch, Körperverletzung und Beleidigung. Auch diese Verfahren wurden inzwischen ebenfalls eingestellt oder endeten in Freisprüchen.
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Die Fans dagegen hatten kritisiert, dass die in Osnabrück zugestiegene Polizei in einem Wagon Pfefferspray eingesetzt und die daraufhin unter Atemnot und starken Augenreizungen und Brechreiz leidenden Fans, auch mit dem Einsatz von Schlagstöcken am Verlassen des Zuges behindert hatte.
Zwei der stundenlang festgesetzten St.Paulianer:innen reichten im November 2019 vor dem Verwaltungsgericht in Minden Klage ein, um die Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes feststellen zu lassen. Die Beiden waren ab 12.30 Uhr festgesetzt worden und durften – obwohl das Spiel bereits um 15.24 Uhr beendet war – erst um 19.15 Uhr den Polizeikessel verlassen und die Heimreise antreten.
Polizei leugnet zunächst, dass St. Pauli-Fans in Gewahrsam genommen wurden
In dem Verfahren, das vergangene Woche vor dem Mindener Verwaltungsgericht verhandelt wurde, sollte nun juristisch geklärt werden, ob die mögliche Ingewahrsamnahme zumindest ab 18.15 Uhr – dem Abschluss der Personalienfeststellung – rechtswidrig war. Die Kläger:innen hatten angegeben, mit den behaupteten Ausschreitungen im Zug, die erst zur Ingewahrsamnahme führten, nichts zu tun gehabt zu haben.
Die Polizei hatte noch während der mündlichen Verhandlung behauptet, es habe überhaupt keine Ingewahrsamnahme gegeben, bevor sie nun eine überraschende Kehrtwende vollzog. Carsten Gericke, den Anwalt der Kläger:innen, ist froh darüber, „dass die Polizei ihr Fehlverhalten öffentlich anerkannt“ hat. Es sei „wichtig“, einem solchen „massenhaften Rechtsbruch rechtlich entgegenzutreten, um für die Betroffenen eine Rehabilitierung zu erlangen und die Fanrechte zu stärken.“ Auch der St. Pauli-Fanladen ist der Verfahrensausgang ein Signal, „dass es sich lohnt, gegen willkürliche Maßnahmen vorzugehen – auch wenn es einen langen Atem erfordert.“