Sensibel, psychisch angeschlagen und nett: Der Einzelgänger, mit dem niemand rechnete
Nach und nach werden immer mehr Details zum Amokschützen Philipp F. bekannt, der in dem Gemeindehaus der Zeugen Jehovas in Alsterdorf sieben Menschen tötete. Der Mann wird von Weggefährten als „sensibles Kind“ beschrieben, Nachbarn nennen ihn eitel. Und ein Verwandter will seinen Zorn und eine Psychose erkannt haben. Er sagt: „Er ist einem kompletten Wahn verfallen.“
Ein unscheinbares Gebäude, mitten in Altona-Nord – hier hat Philipp F. bis zu seinem Tod gewohnt, zumindest war er hier gemeldet. Für seine vollmöblierte Wohnung im dritten Stock, keine 40 Quadratmeter groß, zahlte er monatlich 1500 Euro, ein Fixpreis, inklusive aller Nebenkosten.
Nach und nach werden immer mehr Details zum Amokschützen Philipp F. bekannt, der in dem Gemeindehaus der Zeugen Jehovas in Alsterdorf sieben Menschen tötete. Der Mann wird von Weggefährten als „sensibles Kind“ beschrieben, Nachbarn nennen ihn eitel. Und ein Verwandter will seinen Zorn und eine Psychose erkannt haben. Er sagt: „Er ist einem kompletten Wahn verfallen.“
Ein unscheinbares Gebäude, mitten in Altona-Nord – hier hat Philipp F. bis zu seinem Tod gewohnt, zumindest war er hier gemeldet. Für seine vollmöblierte Wohnung im dritten Stock, keine 40 Quadratmeter groß, zahlte er monatlich 1500 Euro, ein Fixpreis, inklusive aller Nebenkosten.
Er tat „weltmännisch“ und las Managermagazine
In dem Apartmentkomplex, in dem es sogar einen Supermarkt gibt, wohnen vor allem Durchreisende, Menschen, die sich nur kurz in Hamburg aufhalten. Philipp F. soll immer überaus „weltmännisch“ getan und Managermagazine und Börsenzeitungen gelesen haben, sagt ein anderer Nachbar. Gesprochen habe er nicht viel. Wenn man ihn begrüßte, soll er auf Englisch zurückgegrüßt haben. Er habe immer einen Anzug getragen, viel Wert auf sein Äußeres gelegt.

Auch der Betreiber eines Krämerladens um die Ecke erinnert sich: „Er kam mehrmals die Woche, stets um 10 Uhr. Er bestellte immer einen Coffee-to-go.“ Einmal habe er gemeckert, weil Kinder sich nicht entscheiden konnten, welche Süßigkeiten sie haben wollen. „Da legte er fünf Euro auf den Tresen und verschwand. Als er das nächste Mal kam, wollte er das Wechselgeld zurück.“
Er habe sofort die Befürchtung gehabt, dass er es gewesen sei, sagt ein namentlich nicht genannter Verwandter des Schützen dem „Südkurier“, als er die Nachricht aus Hamburg las. Während F. auf seiner Internetseite – auf der er sich als international agierender und erfolgreicher Geschäftsmann präsentierte – schreibt, dass er in einem „streng evangelischem Haushalt“ aufgewachsen sei, sagt der Verwandte, dass F. als Kind Mitglied der Zeugen Jehovas war.
„Er war ein sehr sensibles Kind“
So soll er und seine Familie regelmäßig das Gemeindehaus am Haldenwang in Kempten (Allgäu) besucht haben, in dem Ort, in dem Philipp F. aufwuchs. Hier soll er seine Kindheit und Jugendzeit verbracht haben. Er habe F. als „sehr sensibles Kind“ in Erinnerung.
Frühere Mitschüler sagen laut „Südkurier“, dass er ein „richtig guter Typ“ gewesen sei, der in der Klasse beliebt und angesehen war. F. sei dazu ehrgeizig gewesen und habe „alles gut machen wollen“. Weggefährten aus einem örtlichen Fußballverein, dem er als junger Mann angehörte, beschreiben F. als „absolut unauffällig“. „Er hat sich gut in unser harmonisches Team integriert“, erinnert sich Vereinsvorsitzender Thomas Wilhelm zur MOPO: „Ich hatte ihn gar nicht mehr auf dem Schirm, erst als ich jetzt wieder Bilder von ihm sah.“

Tarkan T. (42), ein Teeangerfreund des Schützen, hat mit F. im selben Viertel in Kempten gewohnt. Dem „Spiegel“ sagt er: „Der Philipp war ein ganz lieber Mensch, der tat keiner Fliege etwas zuleide.“ Er sei Einzelgänger gewesen, „aber konnte mit allen“. T. beschreibt ihn als „sehr diszipliniert und das im positiven Sinne“. Ein anderer Freund sagt, F. sei leicht zu manipulieren gewesen. Er war aktiv in einem FC-Liverpool-Fanclub, doch auf ein Mal blieb er weg, er habe sich selbst bei seinem besten Freund nicht mehr gemeldet, heißt es.
F. beginnt ein BWL-Studium, bricht dieses jedoch ab, später will er einen Master-Abschluss in München gemacht haben. Er kapselt sich ab, zieht nach Hamburg, wird hier Mitglied im noblen Schützenverein „Hanseatic Gun Club“ an der Alster, eine unter Sportschützen renommierte Adresse, um mit verschiedensten Waffen zu trainieren. Dem Verwandten sei aufgefallen, dass F. „psychisch sehr angeschlagen“ gewesen sei, vieles deutete auf eine Psychose hin.
Vorschläge, sich Hilfe zu suchen, winkte er ab
Er und die Familie hätten F. immer wieder darum gebeten, sich Hilfe zu suchen, letztlich offenbar immer vergeblich. Man habe nur noch sporadisch von ihm gehört, nur am Rande mitbekommen, dass er sich 2020 in Hamburg erneut einer Gemeinde der Zeugen Jehovas anschloss. Nach eineinhalb Jahren sei er wieder ausgetreten, dann wäre er „in kompletten Wahn verfallen“, sagt der Verwandte.
Innerhalb der Gemeinde soll es Differenzen über die Idee und Realisierung des Buches gegeben haben, das Philipp F. Ende 2022 mit dem Titel „Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan“ veröffentlichte. In Internetforen schreiben Zeugen Jehovas, dass das zu seinem Rauswurf geführt habe. Für die Sicherheitsbehörden ist der genaue Umstand noch unklar; man prüfe, ob er die Gemeinde freiwillig verlassen hat oder sie verlassen musste. In jedem Fall sei man nicht im Guten auseinander gegangen, so Thomas Radszuweit, Leiter des Staatsschutzes.

Der Sprecher der Zeugen Jehovas, Michael Tsifidaris, sagte der MOPO, Philipp F. habe von sich aus seinen Austritt als Gemeindemitglied erklärt. Es sei seine persönliche Entscheidung gewesen. So ein Austritt wirke sich aber auf die persönlichen Beziehungen zu Gemeindemitgliedern und auch Freunden aus.
Der Amoklauf geschah laut Tsifidaris nach dem regulären Gottesdienst, der immer um 19 Uhr starte. Zu diesem hätten sich am Donnerstagabend – neben den 36 anwesenden Gästen – 25 Menschen digital zugeschaltet. Um 20.45 Uhr sei die Veranstaltung beendet worden, auch der Live-Stream werde danach in der Regel ausgeschaltet.
Philipp F. schoss vor Amoktat auf Auto
Dass Zugeschaltete die Tat mitansahen, davon geht der Sprecher bisher nicht aus. Die Anwesenden seien nach dem Gottesdienst in Gesprächen gewesen. Einige waren schon dabei, aufzubrechen. Darunter befand sich wohl auch die Frau, die vor dem Gebäude an der Straße Deelböge in ihr Auto stieg, auf das Philipp F. mehrfach schoss. Er wird sie als Gemeindemitglied erkannt haben, heißt es in aus Kreisen der Zeugen Jehovas. Die Frau wurde leicht verletzt.
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Bei dem Amoklauf starben sieben Menschen, darunter ein erst 28 Wochen altes Kind im Mutterleib. Acht Menschen wurden verletzt, vier schweben noch immer in Lebensgefahr. Rund 20 blieben unverletzt.