Im Rahmen einer Razzia wurden zahlreiche Städte durchsucht. Unter anderem Hamburg. (Symbolbild)

Im Rahmen einer Razzia wurden Wohnungen durchsucht (Symbolbild). Foto: picture alliance/dpa/Daniel Bockwoldt

Razzia auch in Hamburg: Schlag gegen Betrüger-Bande – vier Millionen Opfer

50-Euro-Abbuchungen, Porno-Fake-Angebote und kompromittierte Zahlungsdienste: Mit einer Groß-Razzia gelang Ermittlern ein Schlag gegen ein mutmaßliches Betrüger-Netzwerk. Wie Ermittler einen Millionenbetrug vom Westerwald bis nach Nordkorea aufdecken.

Bei der Razzia gegen mutmaßliche Betrugs- und Geldwäschenetzwerke auf drei Kontinenten sind auch 29 Objekte in Deutschland durchsucht worden. Die Ermittler griffen in Hamburg, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen zu.

Mehr als 250 Einsatzkräfte waren im Einsatz, wie das Bundeskriminalamt (BKA) und andere Behörden in Wiesbaden bekanntgaben. 18 Haftbefehle waren zuvor am Dienstag im In- und Ausland vollstreckt worden – darunter fünf in Deutschland.

Kreditkartendaten gestohlen: Vier Millionen Betroffene

Insgesamt 44 Personen – 36 Männer und acht Frauen im Alter zwischen 32 und 74 Jahren – sind beschuldigt. Die Ermittlungsbehörden werfen ihnen vor, Kreditkartendaten von Geschädigten aus 193 Ländern genutzt zu haben, um mehr als 19 Millionen Fake-Abos über professionell betriebene Schein-Webseiten abzuschließen. Es soll um mehr als vier Millionen betroffene Kreditkarteninhaber:innen und mehr als 500 Scheinfirmen gehen. 



Schaden in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro

Der von 2016 bis 2021 entstandene Gesamtschaden soll sich auf mehr als 300 Millionen Euro belaufen. Weitere geplante kriminelle Geldflüsse von insgesamt rund 750 Millionen Euro konnten nach den Angaben nicht mehr verwirklicht werden, etwa weil Kreditkarten veraltet waren.

Ursprung der Ermittlungen im Westerwald

Die Zahl der Beschuldigten allein in Deutschland nannte das BKA „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht. Laut der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz lag der Ursprung der fünfjährigen internationalen Ermittlungen im rheinland-pfälzischen Montabaur im Westerwald. Dort habe ein Beschuldigter seinen Wohnsitz oder eine Firma, genauer wollte sich die Behörde nicht äußern.

Razzia: Betrügereien mit Fake-Porno-Angeboten

Die Fake-Webseiten vor allem zu angeblichen Porno-, Dating- und Streamingangeboten dienten dem BKA zufolge nur dazu, die Kreditkarten der Geschädigten mit entsprechenden Gebühren zu belasten. Die monatlich abgebuchten Beträge waren bewusst eher klein, beispielsweise 50 Euro oder 50 Dollar, und mit unverständlichen Verwendungszwecken versehen. Damit sollten viele Kreditkarteninhaber:innen die Abbuchungen überlesen, nicht eindeutig zuordnen oder nicht als falsch erkennen.

Informationen zur „Operation Chargeback“ sind im Rahmen einer Pressekonferenz auf einem Bildschirm zu sehen. Rund 250 Beamte waren im Rahmen der Operation an einer Razzia beteiligt. picture alliance/dpa | Jens Albes
Informationen zur „Operation Chargeback“ sind im Rahmen einer Pressekonferenz auf einem Bildschirm zu sehen. Rund 250 Beamte waren im Rahmen der Operation an einer Razzia beteiligt.
Informationen zur „Operation Chargeback“ sind im Rahmen einer Pressekonferenz auf einem Bildschirm zu sehen. Rund 250 Beamte waren im Rahmen der Operation an einer Razzia beteiligt.

Software für Geldwäsche installiert

Die Beschuldigten sollen zur Abwicklung von Zahlungen vier große deutsche Zahlungsdienstleister kompromittiert haben. Bei einem von ihnen sollen die Beschuldigten eigens eine für Geldwäsche programmierte Software installiert haben. 

Razzia bis nach Singapur und Zypern

An der internationalen Razzia waren unter anderem das BKA und die Landeszentralstelle Cybercrime der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz beteiligt. Die Beamten filzten auch Objekte in Italien, Kanada, Luxemburg, den Niederlanden, Singapur, Spanien, den Vereinigten Staaten und Zypern. 

Zu den 44 Beschuldigten zählen mutmaßliche Beteiligte dreier internationaler Betrugsnetzwerke, einstige Verantwortliche deutscher Zahlungsdienstleister, Vermittler, Anbieter von „Crime as a service“ (Kriminalität als Dienstleistung) und ein selbstständiger „Risk Manager“.

Anti-Geldwäsche-Behörde erkennt auffälliges Verdachtsmuster

Die Ermittlungen ausgelöst hatten Erkenntnisse der Anti-Geldwäsche-Behörde FIU. Sie hatte bei zahlreichen einzelnen Verdachtsmeldungen ein auffälliges Muster erkannt. Die Kreditkartendaten der Opfer sollen die Beschuldigten etwa mit Phishing-Attacken erbeutet haben. Hierbei versuchen Kriminelle, sensible Daten wie Passwörter oder Bankinformationen zu stehlen, indem sie sich etwa per gefälschter E-Mail oder Webseite als eine vertrauenswürdige Person oder Institution ausgeben. 

Razzia im Rahmen der „Operation Chargeback“

Die aufwendigen, bisher verdeckten Ermittlungen dauern an – unter anderem mit mehr als 90 Rechtshilfeersuchen in anderen Ländern, etwa zur Klärung dortiger Sachverhalte.

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Die Betrügereien wurden laut BKA bereits seit 2021 vollständig gestoppt – Ermittler tauften ihre Arbeit „Operation Chargeback“. Damit ist eine Rückbuchung einer Kartenzahlung gemeint, weil ein Kunde bei seiner Bank die Stornierung einer Abbuchung etwa wegen Betrugs fordert. 

Lars Klingbeil (SPD): „Wichtiger Schlag gegen ein internationales Geldwäschenetzwerk“

Der Koblenzer Generalstaatsanwalt Harald Kruse sagte zum Ausmaß der Betrügereien: „Die puren Zahlen in diesem Verfahren lassen einen schwindeln.“ Die Ermittlungen hätten bis zu Ländern wie Nordkorea gereicht. „Ich wusste gar nicht, dass es dort Kreditkarten gibt“, sagte Kruse. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) sprach von einem „wichtigen Schlag gegen ein internationales Geldwäschenetzwerk“. (dpa/ee)

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