Jungfernstieg: Warum die Prachtmeile mit Sonnenuntergang zur Problemzone wird
Er ist ein Boulevard der Gegensätze: Auf der einen Seite Luxus-Läden und Alster-Traumblick – und gleichzeitig ein Anziehungspunkt für feierfreudige Jugendliche und manchmal auch Schauplatz von Straftaten. Der Jungfernstieg ist beides, Prachtmeile am Tag und Problemzone bei Nacht, besonders an Wochenenden. Ein Ortsbesuch nach Sonnenuntergang zeigt: Viele der nächtlichen Besucher feiern friedlich, es gibt aber auch welche mit kurzer Zündschnur. Und einige fühlen sich dort nicht mehr sicher. Betroffene, City-Management und Polizei äußern sich unterschiedlich – und manche wollen gar nichts sagen.
Er ist ein Boulevard der Gegensätze: Auf der einen Seite Luxus-Läden und Alster-Traumblick – und gleichzeitig ein Anziehungspunkt für feierfreudige Jugendliche und manchmal auch Schauplatz von Straftaten. Der Jungfernstieg ist beides, Prachtmeile am Tag und Problemzone bei Nacht, besonders an Wochenenden. Ein Ortsbesuch nach Sonnenuntergang zeigt: Viele der nächtlichen Besucher feiern friedlich, es gibt aber auch welche mit kurzer Zündschnur. Und einige fühlen sich dort nicht mehr sicher.
Freitagabend, 20.30 Uhr. Eine (noch) milde Spätsommernacht. Die Schaufenster sind hell erleuchtet, Menschen verschwinden mit Einkaufstaschen in Seitenstraßen, steigen in Busse. Gegenüber dem Jungfernstieg rauschen Autos über die Lombardsbrücke.
Am meisten los ist direkt am Alsteranleger, auf den Stufen zwischen dem Restaurantpavillon „Alex“, den Zugängen runter zum Bahnhof und der Europa-Passage. Aus Boxen ertönen orientalische Klänge, ein paar Meter davon entfernt tanzen junge Männer zur Musik von Pop-Superstar Shakira.
Hamburg: Immer wieder Ärger am Jungfernstieg
Auf Plakaten wird für Jesus geworben: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Eine Frau interessiert sich für die Aktion, fühlt sich dann aber von einem Mann mit vollgepacktem Rollator belästigt. Sie bittet ihn, weiter zu gehen.
„Bist du denn mein General?“, fragt er mit lauter Stimme. „Von wegen ich soll gehen. Wo guckst du denn hin? Auf meinen Körper? Verflixt und zugenäht.“ Die Mimik der Frau ist angespannt, der Rollator-Mann mit Silberschopf und Brille zieht von dannen.
Vor allem in den Sommermonaten ist am Jungfernstieg viel los. Jedes Wochenende wird hier gefeiert, mit sehr viel Alkohol. Unter den jungen Partygängern kommt es auch zu Auseinandersetzungen. Manche enden blutig – und die Polizei muss eingreifen: Ende Juni attackierte zum Beispiel ein junges Mädchen (17) einen 26-Jährigen mit einer Wodkaflasche. Bei einer MOPO-Umfrage antworteten 86 Prozent der Befragten, dass sie sich abends am Jungfernstieg unwohl fühlen würden.
„Der Jungfernstieg hat sich bei Jugendlichen als Treffpunkt etabliert“, sagt ein Polizeisprecher. Seit 2012 führen die Beamten in dem Bereich „zielgerichtete Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und zur Verhinderung von Straftaten“ durch. Dazu zählen Lichtmasten, die 2016 aufgestellt wurden, um Randale zu verhindern, sowie Videoüberwachung. Polizisten gehen – vor allem an Wochenenden – hier verstärkt auf Streife.
Zahlen, wie sich die Kriminalität am Jungfernstieg entwickelt, gibt es nicht. Die Polizei erhebt nur Daten basierend auf Stadtteilen und Bezirken. Nach Straßen und Plätzen wird nicht differenziert. Aus Polizeikreisen heißt es aber, dass es keine signifikanten Häufungen von Straf- und Gewalttaten gebe. Polizei-Gewerkschaften warnen hingegen seit Jahren vor dem „jugendlichen Problemklientel“.
City-Management: Lage sehr schwankend und wetterabhängig
Das City-Management, das die Unternehmen in der Innenstadt vertritt, bewertet die Situation am Jungfernstieg als „stark schwankend und wetterabhängig“. „Derzeit ist die Lage sehr ruhig“, so eine Sprecherin. „Davon konnten wir uns als Veranstalter des Binnenalster Filmfestes überzeugen.“ In Zukunft soll es mehr Events an der Binnenalster gegeben – diese trügen zur Sicherheit bei.
Wieder neue Musik, diesmal Britney Spears. „Toxic“. Es ist nach 21 Uhr, die Temperatur immer noch mild. Eine Flasche rollt den Anleger herunter in die Alster.
Zwei junge Frauen sitzen am Pier. „Es ist ein wunderbarer Ort, das Wasser, die Lichter – aber sehr viel später würden wir hier auch nicht mehr sitzen wollen“, sagen sie. Die Stimmung werde dann aggressiver. „Man fühlt sich dann hier einfach nicht mehr wohl.“ Auch andere Menschen, ob Einzelgänger oder Paare, bestätigen diese Ansicht. Ein Mann sagt: „Ich wechsle sogar immer die Straßenseite.“
Restaurantbetreiber, Eis-Händler, Geschäftsinhaber – keiner will sich öffentlich äußern, auch keine Passanten. „Viele fürchten sich davor, wiedererkannt zu werden“, sagt eine Frau. „Man will hier ja auch noch in der Zukunft den Abend genießen.“ Ein Sicherheitsmitarbeiter eines Ladens rät, sich unauffällig zu verhalten. „Wenn man von einem Alki oder Aggro-Teenie angesprochen wird, einfach ignorieren.“
Doch was sagen eigentlich eben jene „Aggro-Teenies“ zu diesen Vorwürfen? Warum fühlen sich junge Menschen am Jungfernstieg überhaupt so wohl?
Ein Jugendlicher über Gewalt: „Passiert halt sowas“
„Man ist mittendrin, mehr Hamburg geht nicht“, sagt Furkan. Seine Begleiter nicken zustimmend. Es fängt an zu nieseln. Viele Menschen verschwinden in den Bahnhof, nur wenige spannen einen Regenschirm auf.
Er sei im Sommer jedes Wochenende hier und verstehe nicht, warum Leute damit ein Problem haben, dass man hier Alkohol trinkt. „Wir wollen nur unser Leben genießen, wie alle anderen auch. Bei Alsterblick, mit Mädels und Frauen.“ Ob er hier auch schon mal Streit hatte? Furkan grinst: „Ich habe mich nur gewehrt. Passiert halt sowas.“