Mehr Einsätze als je zuvor für die Feuerwehr: „Die Situation ist beschissen“
316.275 – so viele Einsätze hat die Feuerwehr Hamburg im vergangenen Jahr gehabt, „so viele wie nie zuvor“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) am Dienstag im Rathaus. Die Innenbehörde zog Bilanz und offenbarte, dass vor allem die enorm gestiegene Zahl an Notrufen die Feuerwehr belaste. Das soll jetzt eine konsequente Modernisierung und eine Verbesserung technischer Standards zur Folge haben. Wird so wirklich alles besser? Feuerwehrleute haben Zweifel.
316.275 – so viele Einsätze hat die Feuerwehr Hamburg im vergangenen Jahr gehabt, „so viele wie nie zuvor“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) am Dienstag im Rathaus. Die Innenbehörde zog Bilanz und offenbarte, dass vor allem die enorm gestiegene Zahl an Notrufen die Feuerwehr belaste. Das soll jetzt eine konsequente Modernisierung und eine Verbesserung technischer Standards zur Folge haben. Wird so wirklich alles besser? Feuerwehrleute haben Zweifel.
Zu der höchsten Einsatzzahl seit Aufzeichnung der Statistik in Hamburg präsentierte Grote auch diese Zahlen: Durchschnittlich 866 Einsätze hatten die Retter pro Tag, ein Anstieg um 13 Prozent. Und: Rund 508.000 Mal schrillten die Telefone in der Einsatzzentrale; knapp ein Viertel der Hamburger Bevölkerung wählte im vergangenen Jahr den Notruf.
Neben den 316.275 Einsätzen verzeichnete die Hamburger Feuerwehr im vergangenen Jahr 26 Großbrände – ein Jahr davor waren es 16, 1981 noch 120. 15 Menschen verloren bei Bränden ihr Leben. Allein rund 2300 Einsätze hatten mit den beiden Orkantiefs „Ylenia“ und „Zeynep“ zu tun, die im Februar vergangenen Jahres über Hamburg hinwegzogen und innerhalb von drei Tagen zahlreiche Schäden anrichteten.
Innensenator Andy Grote: „Intensives Nachfrageverhalten“
„Die Berufsfeuerwehr, die freiwillige Feuerwehr und alle Hilfsorganisationen sind Tag und Nacht mit hoher Intensität gefordert“, sagte Grote, der dabei nicht nur von Großbränden spricht, sondern auch von den „unzähligen kleineren Einsätzen, bei denen es auch häufig um Leben oder Tod geht“. Vor allem im Rettungsdienst wachse die Arbeit, dort habe sich ein „intensives Nachfrageverhalten“ gezeigt. Grote ergänzt: „Und es waren nicht nur Notfälle dabei.“

Auch Jörg Sauermann, kommissarischer Amtsleiter der Feuerwehr (der eigentliche Chef Christian Schwarz ist seit Monaten krank), bestätigt: „Wir haben ein deutlich höheres Aufkommen an Notrufgesprächen.“
Schon vor Monaten betonte Karl-Heinz Banse, der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes: „Das Problem ist massiv und wird immer größer, insbesondere in Ballungszentren.“ Bei der ärztlichen Bereitschaftsnummer 116 117 würden Anrufer oft in der Warteschlange landen. „Das dauert vielen Menschen einfach zu lange“, sagt Banse. Wer dagegen die 112 wähle, wisse, nach spätestens 30 Sekunden einen Ansprechpartner zu haben. „Das nutzen viele, weil sie einfach nicht mehr weiterwissen.“

Die Innenbehörde reagiert auf die Entwicklung vor allem mit: Geld. Für den aktuellen Haushalt habe Grote weitere 64 Millionen Euro locker gemacht, damit wolle man ins Personal, aber auch in die Infrastruktur investieren. Vor allem die neue Rettungsleitstelle, die in zwei Jahren fertig sein soll, werde ein „Quantensprung in eine völlig neue Welt“, so Grote. Die dort eingesetzte Technik soll das Einsatzgeschehen und die Verarbeitung von Notrufen, unter anderem durch Geo-Daten-Auswertung, revolutionieren. Doch auch Wachen und Gerätehäuser sollen saniert werden. Grote: „Wir müssen leistungsfähig bleiben. Alle können und sollen sich darauf verlassen, dass einem in Not geholfen wird.“
Grote will auch den stark belasteten Rettungsdienst verstärken – das und die Idee zur Verbesserung der Notruf-Problematik sehen Feuerwehrleute und Rettungssanitäter allerdings kritisch. „Investitionen sind gut, aber auch eine gute Technik kann die Leute nicht davon abhalten, den Notruf zu wählen“, sagt ein Feuerwehrmann. „Es müssen ja immer noch Menschen die Anrufe entgegennehmen.“ Ein anderer sagt: „Die Leute haben einfach keine Lust mehr, viele ziehen von Hamburg weg. Die Situation ist beschissen. Wenn wir weniger sind, kann es nicht besser werden.“
„Wir siegen mit attraktiven Ausbildungsbedingungen“
Tatsächlich sind über Jahre hinweg mehr Feuerwehrkräfte in Pension gegangen, als nachgerückt sind. Der Trend gehe laut Innenbehörde nun aber in die andere Richtung, vor allem auch dank vereinfachter Zugangsmöglichkeiten.
Die Lage ist trotzdem weiter angespannt, selbst Grote sagt, dass die Bewerberzahlen „nicht mehr so sind, wie sie mal waren“. Daher seien die Investitionen wichtig: Allein die Akademie werde für 45 Millionen Euro erneuert. Grote: „Wir siegen mit attraktiven Ausbildungsbedingungen.“
Das könnte Sie auch interessieren: Bei Grillfeier in Hamburg: Kind (2) stürzt unbemerkt in Elbe – Notarzt reanimiert es
381 Frauen und Männer fingen 2022 eine Lehre bei der Feuerwehr an. Insgesamt waren dort 3507 Kräfte beschäftigt, davon 3081 im Einsatzdienst und auf 17 Wachen verteilt. Zehn Prozent der Belegschaft war weiblich.