Mehr als 1000 sind „gewaltorientiert“: So ist Hamburgs Islamisten-Szene aufgebaut
„Die abstrakte Gefahr islamistischer Anschläge ist seit Jahren und nach wie vor sehr hoch“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) vergangene Woche, als bekannt wurde, dass Abdurrahman C. (20) offenbar einen solchen in Hamburg geplant hatte. Der 20-Jährige soll sich hier radikalisiert haben und Teilnehmer der Islamisten-Szene gewesen sein – genau wie sein Vater, der zum Umfeld der 9/11-Attentäter Kontakt gehabt haben soll. Doch wie ist diese Szene aufgebaut? Wie viele werden vom Verfassungsschutz beobachtet? Und: Wie ist der Trend?
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„Die abstrakte Gefahr islamistischer Anschläge ist seit Jahren und nach wie vor sehr hoch“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) vergangene Woche, als bekannt wurde, dass Abdurrahman C. (20) offenbar einen solchen in Hamburg geplant hatte. Der 20-Jährige soll sich hier radikalisiert haben und Teilnehmer der Islamisten-Szene gewesen sein – genau wie sein Vater, der zum Umfeld der 9/11-Attentäter Kontakt gehabt haben soll. Doch wie ist diese Szene aufgebaut? Wie viele werden vom Verfassungsschutz beobachtet? Und: Wie ist der Trend?
Laut Zahlen des Verfassungsschutzes, die der MOPO vorliegen, gibt es in Hamburg 1650 Menschen, die man als Islamisten bezeichnet und beobachtet, 1130 gelten als gewaltorientiert, 268 sollen Jihadisten sein; dieser Gruppe rechnet der Verfassungsschutz tatsächliche Gewaltdelikte zu, da sie den „militanten Jihad zumindest befürworten oder unterstützen“, so ein Sprecher des Verfassungsschutzes. Im vergangenen Jahr waren es noch 340 Jihadisten.
Der Jihad wird oft als „Heiliger Krieg“ bezeichnet, eine Art der Verbreitung des muslimischen Glaubens, für den radikale Islamisten bereit sind, Gewalt anzuwenden. Andere Muslime definieren diesen Begriff lediglich als das friedliche, aber bewusste Ausleben ihres Glaubens.
Vereitelter Anschlag: So ist die Islamisten-Szene in Hamburg aufgebaut
Die meisten Jihadisten besitzen laut Verfassungsschutz die deutsche Staatsangehörigkeit und sind männlich (238). Gleiches gilt für die Salafisten, die laut des Amts eine ähnlich konservative und teils gewaltbereite Auffassung des Islam vertreten. Oft treffen sie sich in kleinen Moscheen in allen Teilen der Stadt. Für den Verfassungsschutz zählt die Hizb-ut-Tahrir-Gemeinde als gewaltorientiert, auch die Furkan-Gemeinschaft wird diesem Bereich zugerechnet.
Der festgenommene Abdurrahman C. soll laut Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden regelmäßig die bekannte Al-Taqwa-Moschee an der Anzengruberstraße in Harburg besucht haben: Sie war bereits vor fünf Jahren durchsucht worden, weil sie als Treffpunkt für radikale Islamisten gilt. Von dort sollen auch Kontakte zum Islamischen Staat (IS) geknüpft worden sein. Kurios: Abdurrahman C. wurde offenbar von einem Mitglied der eigenen Szene verraten.
Trotz des Rückgangs der Zahl der Jihadisten bewege sich das Gesamtpotenzial im Bereich des Islamismus auf hohem Niveau. Das Sinken der Personenanzahl erklärt sich der Verfassungsschutz durch das „Fehlen von Führungspersonen“, das Verbot zur Verteilung des Korans und den Mangel an Aktionsmöglichkeiten.
Ermittlungsdruck, Vereinsverbote und Gerichtsverfahren gegen Jihadisten
Darunter fällt auch der Ausreisestopp nach Irak und Syrien. Reisen in diese Länder, die oft in Kriegsgebiete führen und zu Ausbildungszwecken dienen, waren 2021 nicht möglich. 2020 registrierte der Verfassungsschutz noch 86 verdächtige Ausreisende. Der Sprecher: „Weit über ein Drittel ist bisher zurückgekehrt.“ Auch diese stünden weiterhin im „besonderen Fokus“ der Sicherheitsbehörden.
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Den Rückgang der Zahl der Jihadisten erklärt sich der Verfassungsschutz auch durch den Ermittlungsdruck, zahlreiche Vereinsverbote und Gerichtsverfahren. So wurde erst im Juli Omaima A., die Witwe des toten Rappers und IS-Terroristen Denis Cuspert („Deso Dogg“) zu vier Jahren Haft verurteilt, weil sie sich laut Richter der Beihilfe „zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ schuldig gemacht hat.
Für Innensenator Grote bleibt klar: „Wir werden auch in Zukunft sehr, sehr wachsam sein. Und alle Bürgerinnen und Bürger Hamburgs können sich sicher sein, dass wir das auch sind.“