Zwei Schwestern spielen unbeaufsichtigt auf einem Tablet. Doch ein neuer Fall zeigt wieder: Im Internet lauern Abgründe, die kaum vorstellbar sind (Symbolbild).

Zwei Schwestern spielen unbeaufsichtigt auf einem Tablet. Doch ein neuer Fall zeigt wieder: Im Internet lauern Abgründe, die kaum vorstellbar sind (Symbolbild). Foto: Annette Riedl/dpa

Täter sind sadistisch und skrupellos: So schützen Sie Ihre Kinder im Netz

Es geht um unvorstellbar grausame Fälle, die selbst erfahrenste Ermittler fassungslos zurücklassen: In Hamburg wurde in der Nacht zu Dienstag ein 20-Jähriger festgenommen, der psychisch kranke Kinder im Internet gezielt dazu brachte, sich vor laufender Kamera schlimmste Verletzungen zuzufügen – bis hin zum Selbstmord. Wie kann ich meine Kinder in Zeiten der Digitalisierung vor dieser Gefahr aus dem Netz schützen? Fünf Tipps der Polizei.

Der mutmaßliche Täter ist Teil der weltweiten Gruppierung „764“. Sie findet ihre Opfer in Foren für selbstmordgefährdete Jugendliche, aber auch in vermeintlich harmlosen Online-Spielen und verbreiteten Social-Media-Apps wie „Instagram“. Dort wurde ein Jugendlicher laut Staatsanwaltschaft in einem Gruppenchat „geräuschlos in den Tod getrieben“. 

Insgesamt 123 Taten werden dem 20-jährigen Deutsch-Iraner bislang vorgeworfen, darunter Mord und dreifacher versuchter Mord. 123 Fälle, in denen der Mann psychisch kranke Kinder im Alter von elf bis 15 Jahren dazu gebracht haben soll, vor laufender Kamera sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen, sich selbst mit Messern zu verletzen oder sogar umzubringen. 

Täter nutzen „Minecraft“, „Roblox“, Snapchat und Instagram

Dabei fängt alles oft scheinbar harmlos an. Die Täter geben sich in Online-Spielen mit Chatfunktionen wie „Minecraft“ und „Roblox“ oder auf gängigen Social-Media-Plattformen wie Snapchat und Instagram als Gleichaltrige aus und gewinnen so das Vertrauen der Kinder. „Diese Fälle zeigen, wie wichtig es ist, Kinder im Internet nicht allein zu lassen“, so Fröhlich.



Viele junge Kinder haben inzwischen eigene Smartphones mit Internetzugang. Gerade dann ist es unerlässlich, dass Eltern ein Auge auf die Online-Aktivität haben und im Zweifel eingreifen.

1. Online-Aktivitäten kontrollieren – auch mit Jugendschutzprogrammen

„Lassen Sie Ihre Kinder im Internet nicht einfach machen!“, appelliert Ermittler Björn Gebauer, selbst Vater. Gerade junge Kinder würden die Gefahren im Internet noch nicht richtig einschätzen können und dürfen daher nicht unbeaufsichtigt gelassen werden. Hierfür können auch spezielle Online-Kindersicherungen genutzt werden. So können Standorte und Nutzungszeiten kontrolliert und bestimmte Seiten oder Apps gesperrt werden. Die meisten Geräte haben eine solche Software inzwischen direkt im Betriebssystem installiert. 

2. Offen über Gefahren im Internet sprechen

Die Gefahren, die im Internet lauern, sollten immer offen kommuniziert werden. „Vergleichen Sie Situationen immer mit dem realen Leben“, empfiehlt Gebauer. Welche Informationen dürfte das Kind dann teilen – und welche nicht? Online sollten die gleichen Grenzen gelten wie im echten Leben. Es muss immer davon ausgegangen werden, dass das Gegenüber nicht der ist, der er vorgibt zu sein. Das sollte auch den Kindern von Anfang an klar vermittelt werden.

3. Aufmerksam bleiben, um Warnzeichen frühzeitig zu erkennen

In solchen Fällen gehe es laut Polizei um verschiedene Warnzeichen, die einzeln nicht besorgniserregend sein müssen, aber in Kombination sehr ernst genommen werden sollten. Einige Anzeichen sind ganz klar: Bei sichtbaren Verletzungen wie Stichen oder Schnitten sollten Eltern natürlich sofort alarmiert sein. Ein weiteres Warnzeichen sind Geschenke, wie Online-Guthaben oder reale Aufmerksamkeiten, die bis nach Hause geschickt werden, die Kinder plötzlich erhalten.

Aber kleinere Veränderungen können ebenfalls ein Warnsignal sein. Etwa, wenn Haustiere sich auf einmal anders verhalten, die Kinder meiden oder ebenfalls Verletzungen aufweisen. Auch der 20-Jährige, der am Dienstag festgenommen wurde, soll Kinder mehrfach dazu gezwungen haben, ihre Haustiere zu verletzen und zu töten.

Auch wenn Kinder immer zurückgezogener werden, mehr Zeit in ihrem Zimmer verbringen, Noten sich verschlechtern, aus dem Nichts extreme Meinungen äußern und anfangen, bestimmte Körperteile konsequent zu bedecken, ist Vorsicht geboten.

4. Eltern sollten da sein und verständnisvoll bleiben

„Die Opfer haben alle eines gemeinsam: Sie waren einsam, sie waren allein“, stellt Gebauer auf der Pressekonferenz klar. Die Kinder hatten niemanden, der ihnen Zuwendung gab, außer den Fremden im Internet. Je einsamer und unverstandener Kinder sich fühlen, desto schneller fassen sie Vertrauen zu anderen Online-Nutzern. Ein gutes soziales Umfeld ist und bleibt mitunter der sicherste Schutz vor Gefahren aus dem Netz.

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„Wenn Sie etwas Verdächtiges herausfinden, bleiben Sie verständnisvoll“, so Gebauer. „Machen Sie nicht den Fehler, das Verhalten der Kinder zu verurteilen, so entfernen Sie sie nur von sich.“

Auch Strafen wie Internetentzug oder Stubenarrest seien in diesem Kontext völlig kontraproduktiv. Es komme darauf an, dass die Kinder das Vertrauen in ihre Eltern nicht verlieren. Ansonsten könnten sie sich mit dem Problem an ihre vermeintlichen Freunde im Internet wenden und so immer weiter in die Online-Welt hineingezogen werden.

5. Verdächtige Beobachtungen der Polizei melden

„Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Grenzen überschritten wurden, wenden Sie sich bitte an die Polizei oder Beratungsstellen“, sagt der Ermittler. Jeder Vorfall kann entscheidend für weitere Ermittlungen sein und zum Durchbruch führen. Im Idealfall führen die Hinweise sogar zu einer Verhaftung, wie im Fall des 20-Jährigen. So können andere Kinder zukünftig vor demselben Täter im Netz geschützt werden.

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