Tödlicher Abbiegeunfall in Hamburg: Wie konnte das passieren?
Einen Tag nach dem tödlichen Abbiegeunfall in Poppenbüttel, bei dem eine 19-Jährige ihr Leben verlor, laufen die Ermittlungen zum Unfallhergang auf Hochtouren. Was über die Sicherheitsvorkehrungen des Lkw bekannt ist – und wofür der Hamburger Senat kritisiert wird.
Einen Tag nach dem tödlichen Abbiegeunfall in Poppenbüttel, bei dem eine 19-Jährige ihr Leben verlor, laufen die Ermittlungen zum Unfallhergang auf Hochtouren. Jetzt gibt es Kritik am Senat.
Derzeit geht die Polizei davon aus, dass die Radfahrerin und der Lkw-Fahrer (52) beide an der roten Ampel im Poppenbütteler Weg standen und bei Grün gleichzeitig losfuhren. Beim Einbiegen nach rechts in den Goldröschenweg erfasste der tonnenschwere, kiesbeladene Lkw die junge Frau, die noch an der Unfallstelle starb.
Lkw war nicht mit Abbiegeassistent ausgestattet
Nach MOPO-Informationen war der Lkw nicht mit einem Abbiegeassistenten ausgerüstet. Diese Geräte erfassen Fußgänger und Radfahrer im „toten Winkel“ per Kamera und Sensoren und warnen den Fahrer. Der Geschäftsführer der Firma, zu dessen Flotte der Lkw gehört, sagte, dass sein Fahrer kaum ansprechbar sei: „Es ist sehr schrecklich, was da passiert ist. Wir alle sind im Schockzustand, selbst ich konnte nicht schlafen. Es war seine vorletzte Tour, er hatte gar keinen Druck, um 14.30 Uhr wäre er durch gewesen.“ Der 52-Jährige sei ein erfahrener und ruhiger Fahrer, immer „super ordentlich und vorsichtig“.
Der Lkw selbst sei nicht einmal ein Jahr alt. „Alle Fahrzeuge, die wir kaufen, sind mit allen Sicherheitsassistenten ausgestattet, die ab Werk möglich sind“ – in dem Fall aber offenbar ohne Abbiegeassistent.
Politik sucht nacht Maßnahmen, um Abbiegeunfälle zu verhindern
In der jüngeren Vergangenheit hatte es nach tödlichen Unfällen immer wieder Debatten darum gegeben, wie die Rechtsabbiegeunfälle von Lkws verhindert werden können. So gilt seit 2020 für Lkw-Fahrer beim Abbiegen Schrittgeschwindigkeit.
In Wien hatte es nach einem tödlichen Unfall vor zwei Jahren den Beschluss gegeben, Lkws ohne Abbiegesysteme aus der Stadt zu verbannen – allerdings war dies aufgrund von EU-Recht am Ende nicht durchsetzbar. Die deutsche Bundesregierung hatte sich seit 2018 auf EU-Ebene dafür eingesetzt, dass Abbiegeassistenten verpflichtend in Lkws verbaut werden müssen. Seit diesem Monat gibt es dazu eine entsprechende Verordnung, sie gilt aber nur für neue Fahrzeugtypen und ab 2024 für neuzugelassene Lkws – der Plan, auch eine Nachrüstungspflicht für bereits zugelassene 7,5-Tonner einzuführen, wurde in Brüssel aufgeweicht. Nachrüsten müssen die Speditionen also nicht. Ein nachgerüsteter Abbiegeassistent ist eher die Ausnahme bei Lkws.
Das sagt die Verkehrsbehörde
Zu dem Unfall in Poppenbüttel und was dort hätte womöglich anders gelöst werden können, wollte sich Dennis Krämer, Sprecher der Hamburger Verkehrsbehörde, vor Abschluss der Ermittlungen nicht äußern. „Wir sind zutiefst bestürzt über den tragischen Unfall und sind nun zusammen mit der Verkehrsdirektion der Polizei um die Aufklärung der genauen Umstände und des Unfallhergangs bemüht, die zur Zeit noch andauert. Jedes einzelne Opfer im Zuge eines Verkehrsunfalls ist eines zu viel“, so Krämer. Die Behörde verfolge grundsätzlich das Ziel, die Sicherheit auf Hamburgs Straßen durch klare Trennung des Fuß-,Rad-, und Autoverkehrs zu erhöhen.
ADFC kritisiert den Senat
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) kritisiert den rot-grünen Senat: „Wir sind schockiert, dass schon wieder eine Radfahrerin in Hamburg getötet wurde. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen und Freunden der Getöteten“, so Sprecher Dirk Lau.
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Mit Blick auf die Unfallstelle in Poppenbüttel sagte er der MOPO: „Ein breiterer Radfahrstreifen an der Stelle würde auf Grund der dann besseren Möglichkeit auszuweichen und der besseren Sichtachsen mehr Sicherheit bedeuten. Auch gibt es dort offenbar keine getrennten Ampelphasen für Radfahrende und Autofahrende, das heißt, beide fahren bei Grün los, Radfahrende erhalten nicht früher Grün, was ebenfalls die Verkehrssicherheit erhöhen würde. Ob durch solche Maßnahmen dieser Unfall hätte verhindert werden können, bleibt natürlich Spekulation.“ Trotz der Bemühungen und Absichtserklärungen des Senats sei Hamburg auch im Jahr 2022 immer noch sehr weit von dem Ziel #VisionZero (Anm. keine Toten im Straßenverkehr) entfernt.