Hamburgs Feuerwehr am Limit und ohne Chef: Welche Rolle spielt Grote?
Personalengpässe, Rettungsdienst und Einsatzzentrale am absoluten Limit – die Liste der Probleme bei Hamburgs Feuerwehr ist lang. Und als sei das alles nicht schlimm genug, fällt auch die Führungsspitze aus. Chef und Vize sind seit Monaten krank. Wie ein Leck geschlagenes Boot schaukelt die Feuerwehr in eine ungewisse Zukunft. Die Retter fordern daher eine Entscheidung vom Innensenator.
Personalengpässe, Rettungsdienst und Einsatzzentrale am absoluten Limit – die Liste der Probleme bei Hamburgs Feuerwehr ist lang. Und als wäre das alles nicht schlimm genug, fällt auch die Führungsspitze aus. Chef und Vize sind seit Monaten krank. Die Retter fordern eine Entscheidung vom Innensenator.
Als Christian Schwarz Ende 2018 die Hamburger Feuerwehr übernahm, war er voller Zuversicht und hatte große Pläne. Ziemlich euphorisch zeigte sich auch Innensenator Andy Grote (SPD) bei der Vorstellung des neuen Amtsleiters. Er pries ihn als den „neuen starken Mann“ an, der die Feuerwehr für die Zukunft aufstellen wird. Feierlich wurde ihm symbolisch der Schlüssel zur Hauptfeuerwache Berliner Tor übergeben, vor den Augen vieler Beamter und Reporter.
Zunächst schien es so, als hätte Grote damit die größte Baustelle bei der Feuerwehr schließen können. Eine Pensionierungswelle stand an, doch die Zahl junger Kolleginnen und Kollegen, die diese Lücke ausfüllen sollten, blieb hinter den Erwartungen. Die Feuerwehrakademie in Billbrook war in die Jahre gekommen und zu klein, um die Anzahl der nötigen Ausbildungslehrgänge zu erhöhen. Schwarz plante maßgebliche Neuerungen und Änderungen.
Feuerwehr ist zum Intensivpatienten geworden
Heute, knapp fünf Jahre später, ist die Feuerwehr zum Intensivpatienten geworden: Die Personallage ist mehr als nur angespannt. Regelmäßig werden die Retter morgens zum Dienstantritt hin- und her geschoben, um Ausfälle anderer Löschzüge an anderen Wachen kompensieren zu können. Der Rettungsdienst ist der Flut an Notrufen häufig nicht mehr gewachsen. Zeitweise gab es in einzelnen Stadtteilen keinen freien Rettungswagen.
Ganze Löschfahrzeuge wurden außer Dienst genommen, denn die Beamten mussten stattdessen die Rettungswagen besetzen. Doch in vielen Fällen half auch das nichts. Letztlich kam es, dass ein Löschfahrzeug zu einem medizinischen Notfall anrücken musste, weil kein Rettungswagen frei war und Personal nicht mehr schnell genug verschoben werden konnte. Auch in der Einsatzzentrale herrschte Not. An manchen Tagen hingen Anrufer in einer Warteschleife, weil es an Personal mangelt, das den Notruf hätte entgegennehmen können.

Das könnte Sie auch interessieren: „Kollaps mit Ansage“: Mehr Rettungswagen für Hamburg? Das Versprechen wankt
In anderen Abteilungen häuften sich ebenfalls Probleme. Mit der Presseabteilung, die 2014 „Pressestelle des Jahres“ war, ging es qualitativ wie quantitativ stetig bergab. Mitarbeiter sahen sich für den Arbeitsaufwand, den sie hätten leisten müssen, nicht gerecht bezahlt. Ausgearbeitete Pläne sollen Schwarz vorgelegen haben, doch eine Einigung kam nie zustande. So wurde auch dort die Personaldecke ausgedünnt. Reporter kamen nur noch zu normalen Bürozeiten an Informationen zu Einsätzen.
Feuerwehr-Chef zu zögerlich bei Entscheidungen
Schuld an allem soll der Feuerwehrchef sein, heißt es aus Feuerwehrkreisen. Nicht wenige werfen ihm eine „ausgeprägte Zögerlichkeit“ vor. Wichtige Entscheidungen habe Schwarz aufgeschoben. Andere sagen, dass er nie eine echte Chance bekommen hat, seine Visionen einer modernen Großstadtfeuerwehr umzusetzen. Vorschläge für wichtige Investitionen seien seitens der Innenbehörde oftmals nicht genehmigt worden.
Als dann Corona hereinbrach, habe sich Schwarz zunächst diesem Problem gewidmet, um Hamburg „gut und sicher“ durch die Pandemie zu bringen, sagt ein ranghoher Beamter der MOPO. Das sei ihm auch souverän gelungen, „mit klarer Taktik und richtigen Entscheidungen“. Trotzdem sei Schwarz dabei häufig vom Innensenator ausgebremst worden. „Zudem haben sich Beamte aus dem Führungsstab gegen Schwarz gestellt.“
Grote zog die Reißleine. Er stellte Schwarz mit Kathrin Hennings eine erfahrene Polizistin „an die Seite“; offiziell um die Dienstwege abzukürzen und dadurch rascher maßgebliche Entscheidungen treffen zu können. Nicht wenige sahen dies aber als Entmachtung des Feuerwehrchefs an. Intern wurde gemunkelt, dass die Zeichen auf Trennung stehen. Die Gerüchte halten sich hartnäckig bis heute. Man habe nur noch keinen gemeinsamen Sprachgebrauch für ein vorzeitiges Ausscheiden von Schwarz gefunden, heißt es.

Für Schwarz ist diese Zeit eine Zerreißprobe, der er schließlich gesundheitlichen Tribut zollen muss. Am 25. Dezember 2022 trat er seinen bisher letzten Dienst bei der Feuerwehr Hamburg an. Danach erkrankte er schwer. Bis heute gilt er als „arbeitsunfähig“. Zuvor hatte es seinen Stellvertreter Stephan Wenderoth getroffen. Auch der ist bis heute krankgeschrieben.
Grote ordnete als Folge eine kommissarische Leitung durch die Branddirektoren Jörg Sauermann und Jan Peters an – eine undankbare Aufgabe, wissen beide doch nicht, wie viel Handlungsspielraum sie als Interimschefs haben. Beide zogen in das Büro des Feuerwehrchefs, richteten sich dort ein. Alles habe den Anschein, als würde Schwarz nicht mehr zurückkehren, sagen interne Quellen. Er wolle zurück in die Heimat nach Süddeutschland, heißt es dort.
Schwarz will Dienst wieder aufnehmen
Das sehen Schwarz nahestehende Beamte anders. Aus deren Lager ist zu vernehmen, dass der Chef alles daran setze, gesund zu werden, um schon bald seinen Dienst fortsetzen zu können. Doch wann das sein wird, sei ungewiss.

Die Innenbehörde hält sich derweil bedeckt. Auf die MOPO-Frage, ob absehbar sei, wann Schwarz zurückkehrt, sagt ein Sprecher: „Zur Dauer der Arbeitsunfähigkeit können zum Schutz der Persönlichkeitsrechte keine Angaben gemacht werden. Da bitte ich um Verständnis.“ Auf die Funktionsfähigkeit der Feuerwehr Hamburg angesprochen, verweist die Behörde auf die Ernennung einer kommissarischen Leitung. Diese sei durchaus befugt und fähig, die „notwendigen Entscheidungsprozesse vorantreiben zu können“. Mit den Gerüchten konfrontiert, dass das Tuch zwischen Grote und Schwarz zerschnitten sei, heißt es nur: „Wie in der Vergangenheit auch, kommentieren wir derlei Gerüchte nicht.“
Das könnte Sie auch interessieren: Wird er neuer Feuerwehr-Sprecher? Traditionsbruch sorgt für Unruhe
Doch ranghohe Beamte, Retter und Sanitäter, so gut wie alle im Feuerwehr-Apparat, bemängeln, dass Grote den gegenwärtigen Schwebezustand nicht einfach durch ein Machtwort ändert. „Derzeit ist völlig unklar, wie es weitergehen soll oder wie es eben weitergehen wird. Wichtige Entscheidungen werden aufgeschoben, weil niemand weiß, ob ein neuer Chef berufen wird oder Schwarz zurückkehrt.“