Messerstiche, Schüsse, Tote: Warum in Harburg die Gewalt eskaliert
Für die einen ist es ein „Kriminalitäts-Hotspot“. Andere lieben ihr Viertel, „komme, was wolle“. Fakt ist: Regelmäßig kommt es in diesem Teil Hamburgs zu schweren Gewaltdelikten. Die Rede ist vom Bezirk Harburg, wo multikulturell zwischen Elbe und Wald gelebt wird, mit einem in die Jahre gekommenen Stadtkern – und wo Streitigkeiten immer wieder auf brutale Weise eskalieren. Aber stimmt der Eindruck überhaupt? Da geht die Meinung von Politik, Polizei und Anwohnern auseinander.
Für die einen ist es ein „Kriminalitäts-Hotspot“. Andere lieben ihr Viertel, „komme, was wolle“. Fakt ist: Regelmäßig kommt es in diesem Teil Hamburgs zu schweren Gewaltdelikten. Die Rede ist vom Bezirk Harburg, wo multikulturell zwischen Elbe und Wald gelebt wird, mit einem in die Jahre gekommenen Stadtkern – und wo Streitigkeiten immer wieder auf brutale Weise eskalieren. Aber stimmt der Eindruck überhaupt? Da geht die Meinung von Politik, Polizei und Anwohnern auseinander.
Im April liegt ein Mann blutverschmiert an der Kreuzung Nöldekestraße/Reeseberg. Der 46-Jährige ist ansprechbar, weist aber mehrere Stichverletzungen auf. Er schwebt in Lebensgefahr, wird notoperiert, kommt wieder zu sich und erholt sich – und schweigt zu den Hintergründen.
Harburg: Der schnelle Griff zum Messer
Nur wenige Tage später, Anfang Mai, wird ein 22-Jähriger an der Wilstorfer Straße niedergestochen. Und das wohl von einem Familienmitglied. Auf einer Feier war das Opfer in Streit mit zwei Cousins geraten. Den Disput verlagerten sie auf die Straße. Dort zog dann ein Beteiligter ein Messer und stach zu. Alle waren alkoholisiert.

Mitte Juni eskaliert dann erneut ein Streit auf offener Straße: An der Eißendorferstraße, zwischen Döner-Laden und Thai-Imbiss, wird ein 56-Jähriger mit diversen Messerstichen getötet. Versuche, den Mann zu reanimieren, bleiben erfolglos. Der Sohn des Toten ist bei den Wiederbelebungsversuchen dabei. Nach MOPO-Informationen ging es um ein Auto.
Nur eine Woche später wird an der Kalischerstraße im Phoenix-Viertel ein Teenie (17) angeschossen. Am Samstag nun verliert ein 54-Jähriger in einem Heimfelder Hinterhof sein Leben, die Polizei nimmt einen 38-Jährigen fest. Er kommt in U-Haft. Möglich, dass es bei dem Streit um fehlende Mietzahlungen ging.

„Die schreckliche Tat in Heimfeld setzt leider eine Serie von kriminellen Handlungen fort, die wir seit Jahresbeginn hier auf den Straßen und Plätzen erleben“, sagt Sami Musa, Innen-Experte der FDP und für Harburg zuständig. Ihm bereite diese Entwicklung große Sorgen. Und er sehe sich in seiner Meinung bestätigt: „Der Senat hat die Lage hier nicht im Griff.“ Rot-Grün müsse die Einsatzkräfte besser unterstützen und mit neuen Konzepten dafür sorgen, „dass sich die Harburger endlich wieder sicher fühlen können“.
Tatsächlich sind die Zahlen im Bereich der Gewaltdelikte im Bezirk Harburg gestiegen: So bearbeitete die Polizei im vergangenen Jahr 641 Fälle, davor waren es 539, ein Plus von knapp 19 Prozent. In die Entwicklung müssen aber auch die Folgen der Corona-Pandemie berücksichtigt werden. Zudem waren die Zahlen davor, entgegen der öffentlichen Wahrnehmung, rückläufig; vor allem im Phoenix-Viertel, das als Schauplatz brutaler Auseinandersetzungen bekannt ist.
„Niemand muss Angst haben, erschossen zu werden“
„Es ist hier, wie es ist“, sagt ein Mann in einem Kulturverein am Rande des Phoenix-Viertels. „So war es hier, so wird es auch immer sein.“ Er nimmt einen Zug aus seiner Zigarette, atmet lange aus. „Die Gewalt ist nichts Neues und sie kann auch überall anders geschehen. Es ist tragisch, was da immer wieder passiert, aber die Gewalt spielt sich auch in einem gewissen Kreis ab. Niemand, der hier wohnt und normal lebt, muss Angst haben, erschossen zu werden.“
Horst Niens ist Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Und seit vielen Jahren als Stadtteil-Polizist in Heimfeld im Bezirk Harburg unterwegs. Vor 25 Jahren sei die Lage noch anders gewesen, mittlerweile aber treffe das Wort „Ghetto“ für Harburg und seine Stadtteile nicht mehr zu. „Allgemein ist die Lage ruhig. Schwere Gewalttaten sind Einzelfälle.“
Dass bei „einigen trotzdem das Messer locker sitzt“, sei dagegen vor allem ein in Teilen gesellschaftliches Problem. Dazu kämen Sprachbarrieren und Verbindungen zur Organisierten Kriminalität. Die GdP fordert seit geraumer Zeit, dass jedes Delikt, bei dem ein Messer eingesetzt wird, als Tötungsdelikt gewertet wird. Die Gewerkschaft will damit auch die Strafverfolgung konsequenter machen, dazu müssten Strafen „auf dem Fuße folgen“, so Niens.