Wie der Kinderporno-Schmutz auch Hamburgs Schulhöfe erreicht
Simon ist als Achtjähriger von seinem Stiefvater sexuell missbraucht worden, und das über Jahre. Zunächst fing es mit Kuscheln an, dann mit Berührungen an intimen Stellen. Später sollte er nackt für Fotos posieren. Die Szenen und Wünsche wurden härter. Erst spät vertraute sich Simon seiner Mutter an, die offenbar nichts ahnte. „Die Hölle war aber die Vorstellung, diese Aufnahmen irgendwann mal selber zu sehen.“ Ihm wurde erzählt, dass der Mann die Dateien im Internet veröffentlicht hat. Die Polizei ermittelte, sein Stiefvater wurde verurteilt. „Der Schmerz blieb.“
Die Angst des heute Erwachsenen ist nicht unbegründet: Immer häufiger werden Szene sexueller Straftaten auf den Schulhöfen geteilt, in WhatsApp-und Instagram-Gruppen, oft von Kindern selbst. Und das ganz selbstverständlich. „Sie stoßen im Netz darauf, verbreiten die Inhalte weiter, sie bekommen sie zugeschickt“, so Viktoria Jerke von der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes. „Es kommt auch vor, dass sie diese Inhalte selbst anfertigen“. Dies komme häufig beim sogenannten Sexting vor, also beim digitalen Versenden erotischer Fotos.
Es ist mit das Übelste, was Menschen anderen Menschen antun können: Wehrlose Kinder und Babys sexuell zu missbrauchen, dabei noch zu filmen und das Material für Pädophile weltweit im Internet zu teilen. Dass die Zahlen stark steigen, zeigen nicht nur offizielle und einige bisher noch unveröffentlichte Behörden-Statistiken, die der MOPO vorliegen. Die Ermittler beobachten auch einen gefährlichen Trend: das Teilen solcher Videos auf Schulhöfen deutschlandweit. Für die Kripo ist es ein Balanceakt, diese Fälle zu bearbeiten. Für Opfer die Hölle.
Simon* hat eine tiefe und klare Stimme, ist sehr höflich und zuvorkommend. Wenn er von dem, was ihm als kleines Kind widerfahren ist, erzählt, wirkt er erstaunlich gefasst, muss aber zugeben: „Es hat mein Leben verändert und es wird mich nie loslassen.“ Er ist Ende 20, studiert in den letzten Zügen BWL. Frau und Kinder hat er nicht. „Es klingt klischeehaft, aber es ist für mich schwer, Nähe zuzulassen. Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben.“
Wie Kinderpornos die Schulhöfe erreichen
Simon ist als Achtjähriger von seinem Stiefvater sexuell missbraucht worden, und das über Jahre. Zunächst fing es mit Kuscheln an, dann mit Berührungen an intimen Stellen. Später sollte er nackt für Fotos posieren. Die Szenen und Wünsche wurden härter. Erst spät vertraute sich Simon seiner Mutter an, die offenbar nichts ahnte. „Die Hölle war aber die Vorstellung, diese Aufnahmen irgendwann mal selber zu sehen.“ Ihm wurde erzählt, dass der Mann die Dateien im Internet veröffentlicht hat. Die Polizei ermittelte, sein Stiefvater wurde verurteilt. „Der Schmerz blieb.“
Die Angst des heute Erwachsenen ist nicht unbegründet: Immer häufiger werden Szenen sexueller Straftaten auf den Schulhöfen geteilt, in WhatsApp-und Instagram-Gruppen, oft von Kindern selbst. Und das ganz selbstverständlich. „Sie stoßen im Netz darauf, verbreiten die Inhalte weiter, sie bekommen sie zugeschickt“, so Viktoria Jerke von der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes. „Es kommt auch vor, dass sie diese Inhalte selbst anfertigen“. Dies komme häufig beim sogenannten Sexting vor, also beim digitalen Versenden erotischer Fotos.
Kinderpornografie: Zahlen steigen deutschlandweit stark
Deutschlandweit steigen die Zahlen im Bereich der Verbreitung, des Erwerbs, des Besitzes und der Herstellung von kinderpornografischen Inhalten seit Jahren stark an. 2004, als solche Delikte erstmals erfasst wurden, waren es 154, 2016 schon 5687 registrierte Taten. Diese Zahl vervierfachte sich dann: 2020 bearbeiteten die Kripos der Länder insgesamt 18.761 Fälle (2019: 12.262). Eine Vielzahl bleibt trotz intensiver Ermittlungen im Dunkelfeld.
Eine gleiche Entwicklung zeichnet sich auch in Hamburg ab. Auch hier steigen die Kinderpornografie-Zahlen schon seit Jahren deutlich: Nach MOPO-Recherchen registrierte die Polizei im Jahr 2021 von Januar bis September 695 Fälle – im Gegensatz zum Vorjahreszeitraum eine Steigerung um knapp 200 Prozent (2020: 235).

„Ein wesentlicher Grund ist die verstärkte Kontrolltätigkeit von US-amerikanischer Behörden und Organisationen“, erklärt Polizeisprecher Florian Abbenseth. Eine besondere Rolle spiele dabei das National Centre for Missing and Exploited Children (NCMEC), das die Fälle von vermissten oder ausgebeuteten Kindern bearbeitet sowie jegliche Verdachtsfälle unter anderem auch an das Bundeskriminalamt (BKA) meldet.
Das NCMEC durchleuchtet alle Dateien, die auf Plattformen in den USA geteilt werden. Dienste wie Google, Facebook und Microsoft sind dazu gesetzlich verpflichtet, interne Tests auf Kinderpornografie durchzuführen, entsprechende Daten – die bei allen Firmen im Millionen-Bereich liegen – zu sperren, zu isolieren und zu melden. Auch IP-Adressen werden gesichert und Behörden weltweit weitergeleitet.
BKA: Bekommen bis zu 50 Kinderporno-Hinweise am Tag
Beim BKA laufen solche und auch jede andere Information in der Zentralen Hinweisaufnahme ein. „Wir schauen uns hier alles an, um Täter zu identifizieren“, sagt Leiter und Kriminaldirektor Hans-Joachim Leon zur MOPO. Bis zu 50 Hinweise würden am Tag eingehen, jeden einzelnen würde man sich „genau anschauen“. Vom NCMEC bekamen die Ermittler 2020 insgesamt 55.600 Hinweise (2015: 14.500) – Tendenz steigend.
Es bestehe immer die Gefahr, dass ein laufender sexueller Missbrauch stattfindet und dass ein Kind aktuell missbraucht wird. „Dagegen müssen wir mit aller Priorität vorgehen“, so Leon. Das LKA Schleswig-Holstein teste momentan sogar künstliche Intelligenz im Kampf gegen Kinderpornografie. Für die Ermittler, die solche Dateien noch immer händisch filtern, eine deutliche psychische Entlastung.

Vorwürfe, das BKA kümmere sich nicht nachhaltig um die Löschung klarer Kinderporno-Dateien, die von Tätern oft im Darknet passwortgeschützt angepriesen, dann auf Seiten im „normalen“ Internet gespeichert werden, entgegnet Leon, dass „unsere Ermittlungen täterorientiert sind. Wir wollen die User bekommen und sammeln keine Links ein“.
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Er verwies auf personelle Ressourcen und den zeitlichen Aufwand. Dabei haben „NDR“-Reporter bewiesen, dass die dies offenbar nicht so schwer ist, wie vom BKA dargestellt: Sie informierten die Inhaber besagter Dienste über die auf ihren digitalen Lagern abgespeicherten Kinderporno-Dateien. Die ließen diese sofort löschen und behaupteten, dass Strafverfolgungsbehörden bisher keine Inhalte systematisch gemeldet hätten, obwohl das einfach möglich sei.
Kinderpornografie: Bei jedem Verdacht Polizei informieren
Die Kriminalprävention richtet sich mit unterschiedlichen Aktionen an die Bevölkerung, informiert, erklärt. Und bittet: „Leiten Sie niemals Bilder und Videos, die sexuelle Gewalt an Kindern zeigen, weiter. Solche Darstellungen können und sollten jederzeit dem Netzwerkbetreiber und der Polizei gemeldet werden. Wirklich jede Meldung hilft.“ So sieht das auch die Hamburger Polizei. Sprecher Abbenseth: „Bei einem Verdacht sollte Strafanzeige erstattet werden!“